Bokeh, Selfie und Panorama
Eine weitere Domäne, die bislang vor allem Kameras mit grossen Sensoren und lichtstarken Objektiven vorbehalten war, ist der Tiefenschärfe-Effekt. Zum Beispiel ein unscharfer Hintergrund bei Porträtaufnahmen. Oder bewusst eingesetzte Schärfenbereiche mit schönen, cremigen Unschärfe-Kreisen, den sogenannten «Bokehs».
Da Smartphones mit Mini-Bildwandlern und Weitwinkel-Objektiven die Aufnahmen generell von vorne bis hinten scharf abbilden, wird dieser Unschärfe-Effekt mit innovativen Funktionen simuliert. Dabei wird die Unschärfe gleich bei der Aufnahme aus zwei Fotos berechnet, eine Tele- und eine Weitwinkelaufnahme dazu kombiniert oder erst später aufs Bild angewendet. Die Ergebnisse fallen je nach Handy-Marke und Motiv-Abstand unterschiedlich gut aus.
Wie oft man diesen Effekt anwendet, sei mal dahingestellt. Möchte man seine Urlaubsbekanntschaft in den Mittelpunkt stellen, ist ein verschwommener Hintergrund durchaus gewünscht. Sollen tolle Landschaft plus tolle Bekanntschaft gemeinsam aufs Selfie, muss wieder alles scharf sein.
Apropos Selfie: Hier können naturgemäss die Smartphones brillieren. Sie schalten blitzschnell zwischen Haupt- und Selfie-Kamera um und haben das gesamte Display für die Aufnahmekontrolle zur Verfügung. Die Fotokameras müssen dazu erst den Bildschirm hoch- oder seitlich ausklappen. Bei der Panasonic TZ202 ist dies gar nicht möglich, da sie ein fest eingebautes Display besitzt.
Auch gegen die High-Tech-Bildschirme der Smartphones ziehen die Fotokameras den Kürzeren. Ihre LC-Displays können schlichtweg nicht mit Leuchtkraft, Kontrastumfang und Farbenvielfalt der Handy-Riege konkurrenzieren. Wobei es Huawei und Samsung mit der Darstellung schon wieder übertreiben und dadurch oft kitschig und unnatürlich wirken. Vielleicht hat dies etwas mit dem Farbempfinden von Koreanern und Chinesen zu tun. Apple und Sony sind da eher zurückhaltender.
Bei Aufnahmen unter sonnigem Himmel haben mich die Smartphone-Bildschirme sehr positiv überrascht. Es war durchaus noch etwas darauf zu erkennen, auch wenn man ihnen ab und zu etwas Schatten spenden musste. Die beiden Fotokameras Nikon und Panasonic konnten hier nur mit ihren Suchern mithalten. Die Canon taugte unter diesen Bedingungen mangels Suchers höchstens noch als Beauty- oder Rasierspiegel.
Alles so schön breit hier
Panorama-Aufnahmen setzten alle vier Smartphones gut zusammen, wenn ihr Blick in die Ferne schweifte und man ruhig schwenkte. Sobald sich aber Objekte in unterschiedlichen Abständen vor den Linsen befanden oder sich etwas zu stark bewegte, gab es merkwürdige Resultate. Und Gegenlicht beim Schwenken mochten alle Handys nicht wirklich.
Beim Landschafts-Panorama überzeugte dann jedoch die Fotokamera Panasonic TZ202. Zwar fiel sie mir beinahe aus der Hand, als sie in der Panorama-Einstellung losratterte, so unerwartet laut im Vergleich zu den stillen Smartphones war sie. Dafür brachte nur sie Gräser, Bäume, Wiesen und Häuser so klar, scharf und ohne digitale Überzeichnung hin – auch in der 100-%-Darstellung.
Die vier Smartphones und die Nikon B700 lagen hier etwa gleichauf. Und die Canon G7 X Mark II? Die hat gar keine Panorama-Einstellung. Jedenfalls habe ich keine gefunden.
Grössere Unterschiede gab es bei den Panoramen vom Balkon aus mit Hausfassade, Geländer und Stützpfeiler innerhalb des Schwenkbereichs. Senkrechte Kanten blieben einigermassen gerade, doch das Balkongeländer schräg im Bild wurde von allen Handys nicht sauber zusammengesetzt. Beim Huawei hörte es gar im Nichts auf. Die Fassaden-Platten unterhalb der Fenster hatten bei Apple, Huawei und Sony beinahe jegliche Zeichnung verloren. Am besten konnte hier Samsung mit dem Gegenlicht umgehen, patzte aber auch beim Geländer. Und als der Test-Redaktor noch dämlich in den Schwenk hineinwinkte, errechnete es ein ganz spezielles Porträt.
Mit Samsung, Sony und der Nikon-Fotokamera sind 360-Grad-Rundumschwenks möglich, mit dem Rest nur etwa 180-Grad-Panoramen.
Unschlagbar ist das Smartphone beim sofortigen Teilen der Fotos. Vor allem die junge Generation möchte jedes aufgenommene Bildchen unbedingt Freunden und Feinden zeigen. Bei der Fotokamera muss dazu erst mehr oder weniger umständlich eine Verbindung übers Smartphone hergestellt werden.
Nebenbei protokolliert das Handy automatisch, wo jedes Foto aufgenommen wurde. Und die Datensicherung läuft meist unbemerkt im Hintergrund in eine Cloud – auch in den Ferien übers Hotel-WLAN. Hoffentlich, denn wenn das Smartphone verloren geht oder geklaut wird, sind auch alle Fotos und Videos weg. Dann ist in der Regel neben dem ideellen oder emotionalen Verlust auch der finanzielle Schaden weit grösser als beim Abhandenkommen einer kleinen Fotokamera, wo für jeden Urlaub ein neues Speicherkärtchen verwendet werden kann.
Smarte Bedienung
Mit dem Smartphone wird telefoniert, gemailt, gewhatsappt, im Web gesurft, elektronisch gelesen, gespielt, Filme angeguckt, fotografiert und vieles mehr. Die Bedienung erfolgt dabei immer über dieselbe Oberfläche. Ohne weiteres Zubehör ist die Handhabung besonders beim Filmen und Fotografieren – sagen wir mal – etwas gewöhnungsbedürftig. Vor allem die ältere Generation vermisst eine haptischere Bedienung.
Da gibt es keinen richtigen Auslöser, die Zoomtaste fehlt oder muss mittels Lautstärke-Regler simuliert werden, alle Einstellungen geschehen über winzige Symbole – und überhaupt, wie halte ich das Ding richtig, ohne zu verwackeln oder die Linse zu verdecken? Ein Stativgewinde ist nicht vorhanden, und ohne eingebauten Bildstabilisator ist es kaum möglich, im Schummerlicht einer Bar ein einigermassen scharfes Selfie zu erstellen.
Digital Natives, also Leute, die bereits mit einem Snapchat-Konto und virtueller Brille auf die Welt kommen, werden darüber nur lachen. Dennoch sind dies meiner Meinung nach durchaus praktische Gründe für das Fotografieren mit einer richtigen Fotokamera.