TESTBERICHT
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ARTIKEL
Publikationsdatum
17. Juni 2019
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Von den ersten kabelgebundenen Stöpsel-Kopfhörern bis zu den True Wireless In-Ear Headphones war es ein langer Weg. Bei vielen Leuten haben sich die negativen Erinnerungen mit den Stöpsel-Kopfhörern bis heute gehalten. So stehen viele Musikhörer den neuen In-Ear-Kopfhörern sehr kritisch gegenüber und können es sich nicht vorstellen, dass hier highfidele Klänge zu hören sein könnten. Wir haben genauer hingehört und sieben True-Wireless-In-Ear-Kopfhörer im Test verglichen.

Highfidele Klänge aus Ohrstöpseln?

Doch wer hier mal intensiver reingehört hat, wird eines Besseren belehrt: In-Ear-Kopfhörer können verblüffend gut klingen, und einer davon – und das war die riesengrosse Überraschung dieses Tests – sogar ausgezeichnet! Natürlich sind solche Hörer eher für unterwegs, im Zug, auf Reisen oder bei sportlichen Aktionen gedacht und können grosse Spitzenkopfhörer nicht ernsthaft konkurrenzieren. Doch sind die Zeiten der grell quäkenden Ohrstöpsel, wenigstens wenn man das Niveau dieses Testfeldes in Betracht zieht, wohl endgültig vorbei.

Leider noch nicht durchgehend bei allen Herstellern angekommen sind  klangverbessernden Bluetooth-Codes wie AAC, aptX, aptX HD und LDAC. Einige Anbieter verwenden immerhin neben dem meist nur mässig gut klingenden SBC-Codec den doch etwas besseren AAC-Codec. AptX kommt leider nur bei einem In-Ear-Hörer dieses Tests zum Einsatz. Auf aptX HD sowie den noch besser klingenden LDAC-Codec muss man leider noch etwas warten bis sie (hoffentlich) in der nächsten Generation eingesetzt werden. Andrerseits muss bemerkt werden, dass ein Hörer, bei dem nun wirklich alles stimmt (aber wirklich nur dann!), auch mit einer schnöden SBC-Übertragung auf Bluetooth 5.0 ganz anständig klingen kann.

Meist gut funktionierende Headsets

Alle True-Wireless-Hörer dieses Tests sind mit Mikrofonen ausgerüstete Headsets und eignen sich demzufolge perfekt zum Telefonieren. Zudem unterstützen sie Siri und Google Now.

Gestandene Musikhörer(innen) können es wahrscheinlich auch kaum glauben, dass True-Wireless-In-Ear Kopfhörer, die nur noch via Bluetooth angesteuert werden können, inzwischen einfach zu bedienen sind. Man erinnert sich an die kläglichen Einwählbemühungen der ersten Bluetooth-Produkte. Doch wer die neuen True-Wireless-In-Ear-Teile aus den teilweise verblüffend kleinen Behältern, sprich Lade-Cases nimmt und bemerkt, wie elegant und zuverlässig sie sich mit dem Player paaren, wird den Fortschritt nicht leugnen können ...

Alle Hörer dieses Tests sind nicht absolut wasserdicht, dafür schweissresistent und so für sportliche Tätigkeiten bestens geeignet. Wichtig ist, dass sie gut am Ohr sitzen, sich nicht lösen und auch bei heftigen Bewegungen nicht aus den Ohren fallen. Trotzdem sollen sie hohen Tragkomfort bieten. Alle diese Eigenschaften perfekt zu kombinieren, ist nicht leicht, wie dieser Test zeigt.

Die Jury

Bei diesem Test wurden drei Generationen einbezogen: Zwei junge Leute, sogenannte Digital Natives im Alter von 14 bis 16 Jahren, deren Eltern mittleren Alters und dann noch meine Wenigkeit als gestandener Musikhörer der audiophilen Gilde.

So hatten sich die True-Wireless-In-Ears bei den unterschiedlichsten Altersgruppen und damit auch sehr unterschiedlichen Ohr-Formen zu bewähren, was nicht immer positiv ausfiel. Zudem war es auch hochinteressant, hier die Meinungen von «Nicht-Experten», also Alltagskonsumenten, zur Kenntnis zu nehmen.

Die True-Wireless-In-Ear-Kopfhörer wurden bezüglich Klang, Tragekomfort, Abschirmung gegen Umgebungslärm, Handling, Verarbeitung und Preis beurteilt.

Da das Ermitteln der Spieldauer pro Ladung sehr zeitaufwendig ist und gewisse Hörer beim Herausnehmen aus dem Gehörgang in den Ruhezustand gehen, waren wir der Ansicht sind, dass man in dieser Zeit Sinnvolleres testen kann. So wurden in Treu und Glauben die Herstellerangaben übernommen. Und im Laufe des Tests wurde festgestellt, dass diese Angaben auch in etwa zutreffen.

Zur Spieldauer ist zu bemerken, dass die Hörer ja nach einer Hörsession ins Ladecase wandern, wo sie automatisch aufgeladen werden. Probleme kann es jedoch dann geben, wenn die Hörer im semi- oder gar professionellen Einsatz über ein längere Dauer spielen sollten. Dann wäre das Kabel eine sinnvolle Ergänzung.

Wer misst, misst ...?

Unser Motto bei avguide.ch lautet: Wer misst, misst nicht immer Mist! Ein sicheres Urteil über die Klangcharakteristik eines Gerätes ergibt sich dann, wenn die Ergebnisse des Hörtests mit denjenigen von Messungen übereinstimmen.

Wird ein Kopfhörer als basslastig und in den Höhen grell bezeichnet und kann man das dann auf dem Messprotokoll ganz klar nachvollziehen, ist die Sicherheit gross, dass man diesen Hörer richtig beurteilt hat. Andererseits zeigt die Messkurve bei einem ausgewogen klingenden Hörer auch eine dementsprechend lineare Kurve an.

Da Messungen an Kopfhörern, je nach Art und Weise wie gemessen wird,  interpretationsbedürftig sind, werden die Messprotokolle hier nicht abgebildet, sondern, wie bereits bei früheren avguide.ch-Kopfhörer-Tests, vor allem zu Vergleichszwecken unter den Testobjekten benutzt.

Gut angepasst ist ganz gewonnen

Die bei allen Hörern (ausser bei den Airpods) mitgelieferten Anpass-Stücke verschiedener Grössen werden von jedem Hersteller unterschiedlich benamst. Bei Jabra heissen die Teile EarGels, bei Sennheiser Ohradapter und bei JBL Silicon-Ohrstöpsel. Weiter sind folgende Bezeichnungen zu finden wie Passstücke, Ohrpolster etc.

Drei Dinge entscheiden, ob ein Kopfhörer richtig sitzt und damit angenehm zu tragen ist – und zudem die bestmögliche Klangqualität liefert:

Es sind erstens die zum Musikhörer passenden Exemplare unter den beigelegten Ohradaptern zu wählen – ohne die geht es nicht. Werden zu kleine Ohradapter gewählt, werden Umgebungsgeräusche schlecht abgeschirmt und der Bass ist praktisch abwesend. So war es denn leicht verständlich, dass der Junior unsere Tests mit seinen noch nicht ganz ausgewachsenen Gehörgängen jeweils die kleinsten Ohradapter wählte, die meisten Erwachsenen jedoch die mittlere Grösse.

Zweitens werden die In-Ears erst mit dem «richtigen Dreh» so perfekt in den Gehörgang geführt, dass sie wie verriegelt im Ohr sitzen und die Ohradapter auch wirklich abdichten.

Und drittens muss die Form des Hörers mit den Formen des der Ohren harmonieren. So gab es In-Ear-Hörer, die bei allen Testpersonen drückten und als unangenehm empfunden wurden. Andere wiederum passten auf praktisch alle Ohren.

Tragekomfort und Cerumen

Es ist interessant, wie die verschiedenen Hörer(innen) auf den Tragekomfort mit In-Ear-Hörern reagieren. Manche klagen schon rasch über ein unangenehmes Gefühl. Andere vermelden auch nach längerem Hören keine Lästigkeitserscheinungen.

Doch Hand aufs Her(t)z, jede Kopfhörerart kann auf die Dauer unangenehm werden – seien es die geschlossenen Hörer bei Hitze, oder seien es die ohraufliegenden Hörer durch den unbedingt notwendigen Anpressdruck. Anders die Jecklin Floats oder die Ergo-Kopfhörer von Precide, welche jedoch recht grosse Abmessungen haben und für die Reise oder gar sportliche Tätigkeiten nicht in Frage kommen.

Ein anderes, etwas unappetitliches Thema ist das Cerumen, im Volksmunde auch Ohrenschmalz genannt, kennen wir doch alle. Mit ihm werden alle Musikhörer die In-Ear-Hörer benutzen, wohl ständig konfrontiert werden. Eine sorgfältige Reinigung von In-Ear-Hörern und Gehörgang (hier vor allem aufgepasst!) von Zeit zu Zeit, ist Pflicht.