
Robert Trunz und Hans Jürg Baum kennen sich seit den achtziger Jahren, als HiFi noch gleich High-End bedeutete und die Fortschritte in Sachen Klangqualität von Jahr zu Jahr deutlich hörbar waren. Während Hans Jürg Baum vor allem in der Schweiz als Audio-Redaktor tätig war, begab sich Robert Trunz in die weite Welt. Nach seiner Rückkehr stand er Hans Jürg Baum Red und Antwort.
Schon als Junge hast Du Dein Taschengeld in Schallplatten angelegt. Doch gehe ich recht in der Annahme, dass Du Dich im Bazillus endgültig mit dem Musikvirus infiziert hast?
Ja, vielleicht das Hauptvirus, doch angefangen hat es in den späten 60er Jahren auf dem Schulhausplatz, wo wir uns die letzten Hits mit einem portablen Single-Plattenspieler reingezogen haben. Das Jazzvirus regete sich mit der Organisation von Konzerten in der Aula in Baden, wo wir zu dritt u.a. Künstler wie Alphonse Mouzon, Klaus Doldinger, Ian Carrs Nucleus und Dollar Brand (Abdullah Ibrahim) präsentierten. Im Bazillus durfte ich zweimal in der Woche den Soundingenieur ablösen, was meine nie endende Faszination für die Aufnahme und Wiedergabe von Live- und Studioaufnahmen auslöste.
Erste Begegnung mit Robert Trunz

Wir begegneten uns zum ersten mal bei Egli Fischer, als ich in den siebziger Jahren meine Quad ESL-Elektrostaten zur Reparatur brachte. Was war dort Deine Aufgabe und welche Produkte haben Dich damals am meisten fasziniert?
Quad war faszinierend, doch die Mühe mit Kunden wie dir, die ständig ihre mit Mylar-Folien bezogenen Panele mit viel zu hohen Pegeln ruinierten, verdarben den Spass an der britischen Marke. SME was für mich schlichtweg der Tonarm, den jedermann mit einem guten Plattenspieler montiert hatte.
Meine Liebe aber war bei Nakamichi, einer Firma, die es schaffte, aus einer ganz normalen Kassette High End-Sound mit einer grossen Dynamik herausrauszuholen. Diese Passion für den Brand führte später zu einer jahrelangen Kollaboration mit Niro Nakamichi.
Nachdem ich die Quads zum dritten Male bei der Wiedergabe meiner Trompeten-Klänge beschädigt hatte, kaufte ich mir die DM2 der noch relativ jungen Firma B&W und war begeistert. Wie kamst Du in Kontakt mit den Produkten von B&W?
Bei Frau Brühne von Hifi-Electronics an der Idastrasse 3 in Zürich kam ich in Kontakt mit Marken wie Accuphase, Micro Seiki und B&W und einer jungen Brigade von HiFi-Händlern wie Kaufmann, die seitdem Marken wie B&W oder Accuphase erfolgreich begleitet haben. Nach einem Besitzerwechsel bei Hifi-Electronics war es Zeit für mich, meine Sporen im Detailhandel zu verdienen. Auf Einladung von Felix Martin machten ich mich dran, eine High End HiFi-Abteilung in Lachen SZ aufzubauen.
Berater für B&W

Wie und unter welchen Umständen lerntest Du John Bowers kennen?
Schon bald war ich einer der besten B&W Verkäufer, was mir 1979 eine Reise ins Werk bescherte, wo ich erstmals das Management von B&W kennenlernte. Als ein paar Monate später John Bowers und Ray Greenwood, der Mitentwickler der legendären DM70, ihren Besuch in der Schweiz ankündigten, wurde ich gebeten, nach den Besuchern zu schauen, als ehemaliger Reiseleiter eine ideale Aufgabe, die mir erlaubte, viel Zeit mit John zu diskutieren. Mit 70% des Umsatzes in den USA waren die deutschsprachigen Märkte zu der Zeit nicht von grossem Interesse für B&W, doch nach vier Tagen in den Schweizer Bergen hatte ich John überzeugt, dass sein Brand mit der richtigen Mischung von Modellen für den europäischen Markt auch hier Fuss fassen könnte. So wurde ich Berater für B&W Loudspeakers und reiste des öftern nach Worthing, und das mit der vollen Unterstützung von Felix Martin. Ende 1980 wurde ich eingeladen, die Marketing-Abteilung für Europa, Asien und Afrika zu übernehmen und zog nach England.
B&W schrieb bei Deinem Eintritt in die Firma rote Zahlen. Was war Dein Verdienst, dass diese Firma wieder schwarze Zahlen schreiben konnte?
Es war die Übergangszeit von analog zu digital. JB (John Bowers) und seine Ingenieure hatten schon seit einigen Jahren mit Decca und EMI an der 801 gearbeitet und hatten Zugang zu den Entwicklungslabors der beiden Firmen, die an ihren eigenen digitalen Aufnahmesystemen arbeiteten. Was man da zu hören bekam, hat wenig mit dem zu tun, was wir später auf den Silberlingen von Philips und Sony serviert kriegten. Mein Glaube an Digital, in der Form wie ich es damals hörte, bewegte mich dazu, unser Labor mit der Entwicklung einer Serie von günstigen und konkurrenzfähigen Monitoren zu beauftragen. Ich machte mich sehr unbeliebt, da zum ersten Mal in der Geschichte von B&W das Motto "best mögliche Qualität für wenig Geld" ausschlaggebend war. Aus dem Projekt heraus entstand die erste "Listen an you'll see"-Serie DM 110, 220 und 330 - ein Riesenerfolg. Wir schifften die neuen Modelle containerweise in die ganze Welt - bis nach Japan! So gingen wir von roten Zahlen in den schwarzen Bereich. Mit den Gewinnen kauften wir uns ein Gebäude vom Tonarmhersteller SME in Steyning, dass ich „The University of Sound“ taufte – ein voll ausgestattetes Labor mit schalltotem Raum und mit all den letzten technischen Spielzeugen für Ingenieure.
John Bowers, der feinste Gentleman

Mit welchen Personen hast Du bei B&W am engsten zusammen gearbeitet?
Mit dem feinsten Gentleman, den ich in meinem Leben treffen durfte: John Bowers. Mit Peter Lloyd Hayward, Mitbegründer von B&W, bei dem ich in die Welt der Recording Studios eintauchen durfte. Mit Joe Atkins, der heutige Besitzer von B&W, der Mitte der 80er Jahre den nordamerikanischen Vertrieb leitete. Knappe drei Jahre nach JB's Tod integrierten wir den amerikanischen und kanadischen Vertrieb in B&W International, der Start der heutigen B&W Group. Dann mit Laurence Dickie, den wir vor 30 Jahren als Elektronik_ingenieur für die John Bowers Active 1 einstellten. Er ist der von mir am meisten geschätzte Ingenieur und Freund der Familie, mit dem ich auch heute noch am liebsten arbeite - ein unkompliziertes Genie.
Welches waren die bemerkenswertesten Produkte, die unter Deiner Leitung entstanden?
Die Digital Monitor DM 100 Serie katapultierte uns aus den roten Zahlen. Der erste Freizeit-Monitor (Leisure Monitor) LM 1 war ein in Aluminium gegossener Kleinlautsprecher, der vor allem in Fahrzeugen seine Anwendung als Auf- oder Einbau-System hatte. Die John Bowers Active 1 und der Cube Monoamplifier MPA 1 wuden von Laurence Dickie konstruiert, unter Mitwirkung der Schweizer Walter Krein und Rene Reinert. Die Matrixerfindung von Laurence Dickie ist gewiss für den Gehäusebau ein Meilenstein. Die "Rock Solid Sound" waren die ersten aus ABS gegossenen Lautsprecher mit integrieter Wandhalterung im Fuss. Die Silver Signature kam damals noch unter dem John Bowers Brand. Die Nautilus wurde 1994 in ihrer endgültigen Form präsentiert. Weiter kamen zahlreiche Blueroom-Produkte. Sehr schön ist gewiss das Dadara Baby von Blue Room, vom Künstler dekoriert als Geburtsgeschenk für meinen Sohn Nico Tando.

Vom Bazillus bis zu Platinum und Kapstadt
Du hast Dich neben der Hardware, also Lautsprecher und Verstärker, auch für die Musik-Software interessiert. In denke da an Montreux, an B&W Music, Live-Konzerte in Südafrika und an die vielen exzellenten Aufnahmen, die unter Deiner Leitung entstanden sind. Was hast Du da alles unternommen?
Was mit Jazz in der Aula Baden und em Bazillus in Zürich anfing, ging 1987 weiter mit Montreux, wo Claude Nobs mit meinem Vorschlag einverstanden war, das Montreux Jazz Festival mit einer kleineren Sidevenue zu erweitern. Die Venue war die Platinum-Disco, und da Claude Nobs schon genug mit dem Festival um die Ohren hatte, war es an mir, das Platinum-Programm mit B&W als Sponsor zu gestalten und durchzuführen. Mit Hilfe von Decca`s Ingenieur John Dunkerley machten wir Aufnahmen aller Konzerte im mobilen Studio im Stereo Direktmix für die Künstler, von denen viele fragten, ob ich das nicht veröffentlichen würde. Bald gab es B&W Music-CDs nur für unsere Kunden, doch das wurde breiter als auf B&W Music zu den Schweizern wie Max Lässer, Rolf Schimmermann, Urs Leimgruber, Brigeen Doran und Peter Giger auch internationale Künstler wie Simon Phillips, Flora Purim and Airto Moreira dazukamen. Auf Airto’s erster Aufnahme wurde er von Jazzern wie Herbie Hancock, Chick Corea, Stanley Clarke, Mark Egan und Flora Purim begleitet.
Südafrika lockt

1993 reisten wir auf Einladung von Darius Brubeck mit Airto und Flora`s band Fourth World nach Südafrika. Fourth World war die erste brasilianische Band, die auf südafrikanischem Boden spielte. Während der Konzerttour lernten wir lokale Musiker kennen. Nach zwei Musikclub-Besuchen sahen wir die Fülle musikalischer Talente und einer der Barbesitzer aus Österreich sagte zu Airto: „ Nobody comes to South Africa without a mission – you must return and share your talent with our musicians.“ Ziemlich vage stimmte Airto zu und als dann jede Woche zwei Telefone von den Musikern kamen, entschied er sich 1994, sein Versprechen einzuhalten. Wir reisten mit je zwei Künstlern aus Brasilien und England nach Johannesburg und Kapstadt, wo wir unter dem Banner Ooternational Meltdown in mehreren Studios mit über 80 lokalen Künstler Aufnahmen machten und drei Konzerte veranstalteten. Die Aufnahmen erschienen unter B&W Music als Outernational Meltdown in einem 3er CD-Pack und auf Vinyl. Die Zusammenarbeit mit südafrikanischen Künstlern zog immer weitere Kreise. 1995 brachte ich Max Lässer und die ersten Musiker aus Kuba wie Changuito, Mayito und Chucho Valdés nach Südafrika.
Austritt aus B&W
Fokussieren, verlagern und verfolgenPräsentiert das Produkt!
Was hast Du nach deinem Abgang bei B&W gemacht?
Ich produzierte Musik und noch mehr Musik. In Worthing arbeiteten wir zudem an Minipods, die von Automaten gefertigt werden konnten, da die verwendeten Materialien und Chemikalien gesundheitsschädigend sind. Dic half Martin de Saulles mit dem Sound Design der Blueroom Produkte und bei der Beschallung eines meiner zwei Aufnahmestudios. Er wurde, nachdem er B&W verlassen hatte, der freischaffende Forschungsleiter bei Turbosound. Ich bezog neue Büros und Showrooms (gegenüber John`s ersten Shop an der Littlehampton Road in Worthing), von wo aus die Musiclabels M.E.L.T.2000, Blueroom Released und Blueroom Loudspeakers betreut wurden. Um neue Nautilus-Komponenten weiter zu entwickeln, baute sich Dic mit meiner Hilfe ein Labor in seiner Wohnung in Brighton. Mit Frau und Sohn war ich oft unterwegs in verschiedenen Ländern, wenn nicht gerade unser Haus und meine Studios voll mit Musikern waren. Für Jahre dokumentierten wir eine Unmenge Musik verschiedenster Stilrichtungen von Jazz zu Tribal zu Afro Pop zu Electronica und die ersten Remixes von World Music und Jazz.

Geld verloren?
An der Börse habe ich richtig Geld verloren, und der rapide Umstieg der analogen Studios in den digitalen Bereich sorgte für Riesenabschreiber und weniger Arbeit. Enorme Produktionskosten verursachten die vielen Musikprojekte im südlichen Afrika. Dank der Qualität und dem hohen Investment schaffte ich es, den Sound of South Africa einem internationalen Publikum auf CD, LP und auf Festivals wie das von Glastonbury, WOMAD, Afro Pfingsten, Roskilde, Monteux- Umbria- North SeaJazz, Perth Aboriginal und Cape Town Jazz zugänglich zu machen. Meinem Beispiel folgend fing die Musikszene in Südafrika an, in ihre einheimischen Künstler zu investieren. Die Softwarepiraten mit ihren Raubkopien reduzierten die Verkäufe, und bald blieb uns kleinen Musiklabels nur noch wenig zum Leben.
Leben neu beginnen
Du hast einmal bemerkt, dass Du Dein Leben nun neu beginnen musstest. Was möchtest Du dazu sagen?
Wie bereits erwähnt, blieb wenig zum Leben, und nach 20 Jahren in England siedelte ich nach Südafrika um, wo vier zu viert eine Farm günstig erwerben konnten. Meine Kollegin Lianne Cox produzierte ihre Dokumentationen und Musikvideos und mit meinem Label realisierte ich ein paar Projekte, mit denen ich genug verdiente, um in Südafrika leben zu können. Als dann 2008 unser französischer Partner vor meiner Haustüre erschossen wurde und der Täter nach vier Tagen wieder auf freien Fuss gesetzt wurde, wollte mein Sohn nach Europa zurück. Als wir dann in der Schweiz zum ersten Mal unsere heisse Ovo und Gipfeli bezahlten, realisierte ich, dass ich es ohne Hilfe nicht schaffen würde, hier wieder Fuss zu fassen. Es kam Hilfe von verschieden Seiten, und nach einem Radiointerview mit Hannes Hug bildete sich eine enge Clique von alten und neuen Freunden.

Wie ist Vivid Audio entstanden, und wie stehst Du heute zu dieser Firma?
Kurz nach meiner Umsiedelung 2000 nach Kapstadt kam mein ehemaliger B&W-Vertreter in Südafrika, Philip Guttentag, mit seinem Kollegen Bruce Gessner auf Besuch. Ihr Anliegen war klar formuliert – man brauche Laurence Dickie, um die weltbesten Lautsprecher in Südafrika zu bauen. Kein Problem, ich wusste, dass Dic sehr weit mit der Entwicklung neuer Nautilus Chassis war. So stellte ich, in Dic`s Interesse, eine Reihe von Bedingungen, und als alle glücklich und einverstanden waren, konnte es losgehen. 2004 war die B1, der erste Lautsprecher von Vivid, an der Heathrow HiFi-Ausstellung zu sehen und das Herstellerland Südafrika war erstmals ein Diskussionspunkt in der High End-Szene. Als die ersten Tests erschienen und es klar wurde, dass die verantwortlichen Personen des Nautilus Projekts, Laurence Dickie und Robert Trunz, involviert sind, wurden zuerst die High End-Liebhaber im Fernen Osten aufmerksam. Japan und Südkorea wurden schon bald die wichtigsten Absatzmärkte. Ich vertrete weiterhin Vivid Audios Interessen wann immer nötig und bin als freier Berater dabei, wenn es um neue Produkte und ums Marketing geht.
Vivid Audio-Lautsprecher kann man nicht einfach so anhören, kaufen und dann mit nach Hause nehmen. Weshalb gibt es da relativ lange Wartezeiten, bis das gewünschte Produkt beim Kunden zu Hause aufspielen kann?
Bei Vivid Audio werden alle Lautsprecherchassis von Laurence Dickie in England entwickelt und in unserem Werk in der Nähe von Durban, Südafrika, gebaut. Das gleiche gilt für die Frequenzweichen. Alle Teile müssen ein rigoroses Testprozedere passieren. Die Gehäuse oder deren zwei Hälften werden auch im Hause gefertig, zusammengefügt und mit 80 Grad in einem Ofen während 48 Stunden gebacken bevor unsere Handwerker sich ans feilen und polieren der rohen Gehäuse machen. Die Gehäuse werden 48 Stunden luftgetrocknet und dann von Hand in progressiven Stufen mit feinstem Schmirgel und anschliessend mit einem flüssigen Poliermitte poliert, bis eine glatte Oberfläche entsteht.
Zurück in der Schweiz

Wie kamst Du auf die Idee, in der Schweiz ein Fachgeschäft zu eröffnen?
Bei Media Markt findest du fast alles, in einem Fachgeschäft findet man meistens eine kleinere Palette ausgewählter Produkte, hinter denen der Besitzer steht, weil die Produkte oder die Gewinnmargen so gut sind, dass man sich die Overheads und einiges mehr leisten kann.
Da man ein Lokal braucht, um diese Soundskulpturen vorzuführen, investierte meine beste Kollegin Beatrice in unsere Art & Sound Gallery in Kriens, wo wir unweit von Media Markt unseren Kunden eine Oase der Gemütlichkeit und eine Reise für Auge und Ohr präsentieren.
Welches sind für Dich die wichtigsten Produkte in Deinem Geschäft?
Da ich bei der Gründung und der bisherigen Entwicklung von Vivid Audio stark mitwirkte und mich mein Freund Laurence Dickie auch nach drei Jahrzehnten immer noch mit den feinsten Lautsprecher überrascht, sind es vor allem die B1,V1.5, GIYA G2 und G3, die mir am meisten Spass machen. Die Lautsprecher in der Demo werden mit Elektronik von Vincent, B.M.C. Audio und Devialet betrieben.
Auf welche Kundschaft ist Dein Geschäft ausgerichtet?
Bis jetzt hatten wir nur seriöse Musikliebhaber und Musiker als Kunden. Interessanterweise haben wir die Erfahrung gemacht, dass selbst Kunden mit Hörschäden besonders positiv auf die extrem niedrigen Verzerrungen und die saubere, präzise, offene und schnelle Wiedergabe der Vivid-Lautsprecher reagieren. Diese Kunden können oft nach Jahrzehnten erstmals wieder Musik als Genuss wahrnehmen.
Robert, ich wünsche Dir viel Erfolg und ganz herzlichen Dank für das hochinteressante und spannende Gespräch.