TESTBERICHT
Piega Coax 10.2Piega Coax 10.2

Bei der Piega Coax 10.2 heisst die Devise: Kompakt, aber höchstwertig! So erschienen mir diese Lautsprecher zunächst genau richtig für meine Zwecke zu sein.

Seit längerer Zeit war ich auf der Suche nach einer höchst musikalischen, eierlegenden Wollmilchsau, und damit ist ein kompakter Lautsprecher gemeint, der sowohl als wohlklingender musikalischer Freudenspender aber auch als gnadenloser Analytiker für meine Hi-Resolution Rezensionen seine Dienste leisten könnte.

Nachdem avguide.ch bereits die Master One von Piega wie auch die TC 30X mit dem koaxialen Bändchen Mittel-Hochtöner getestet und für sehr gut befunden hatte, lag es nahe, sich für die kleinste Box der Coax-Serie zu interessieren.

Swiss Made

Das coaxiale Bändchen nimmt es nicht nur mit den Impulsen sehr genau, es ist auch bezüglich der räumlichen Darstellung von unterschiedlich grossen Klangkörpern ein absolutes Präzisionsgerät.Das coaxiale Bändchen nimmt es nicht nur mit den Impulsen sehr genau, es ist auch bezüglich der räumlichen Darstellung von unterschiedlich grossen Klangkörpern ein absolutes Präzisionsgerät.

Mit einem Preis von Fr. 7900.- das Paar gehören die Piega Coax 10.2 zu den teureren, wenn nicht sogar zu den teuersten Regalboxen des heutigen Marktes, und man darf sich fragen, was man für soviel Geld erhält.

Natürlich werden nicht alle Einzelteile einer Piega Coax 10.2 in der Schweiz hergestellt. Die von Piega spezifizierten Bass-Chassis stammen von ScanSpeak, also Dänemark. Das Alu-Gehäuse wird nun in Österreich gefertigt, während die Teile wie Neodym-Magnete, Folien, Klebstoffe, die für die Bändchen benötigt werden, aus aller Welt stammen.

Was aber in der Schweiz, genauer in Horgen am Zürichsee gemacht wird, ist sehr aufwendig und übersteigt die für das Swiss Made Logo notwendigen einheimischen 50% Wertschöpfung bei weitem!

Die Konstruktion geschieht natürlich im eigenen Hause von Meister Kurt Scheuch himself. Daniel Raymann zeichnet mit seinen goldenen Ohren für die Abstimmung verantwortlich. In Horgen geschieht zudem die gesamte Montage der Boxen. Und dazu gehört die extrem aufwendige und gekonnte Bedämpfung der Aluminium Gehäuse mit Idikell, einer viskoelastischen Schwerdämpfungsfolie auf Bitumenbasis.

Markenzeichen Piega

Der grosse Stolz und auch das Markenzeichen von Piega (Piega kommt von piegare = falten - und damit war die Konstruktion der ersten, damals noch gefalteten Bändchen-Membrane gemeint) liegt natürlich bei der Herstellung der Bändchen. 

Für die besonders schwierige Herstellung der Coax-Bändchen, die rund 8 Mann/Frau-Stunden beansprucht, hat man zwei Personen spezialisiert: Mario Ballabio und Jasmin Keller.

Das neue Coax-System nennt sich nun Coax X.2 und hat zu früheren Modellen, die z.B. in der TC30 verbaut wurden, ein neues Profil. Das neue Coax X.2-Bändchen ist noch steifer, noch besser bedämpft und hat damit noch weniger Resonanzen. So darf man gespannt sein, ob Piega mit der Mark II–Version tatsächlich in Sachen Klangqualität noch einen oben drauf legen kann.

Regal oder Ständer?

Auf dem passenden und erst noch hocheleganten Ständer liefert die Piega Coax 10.2 die besten ErgebnisseAuf dem passenden und erst noch hocheleganten Ständer liefert die Piega Coax 10.2 die besten Ergebnisse

Die Platzierung kann entweder im Regal oder auf eleganten und dennoch erstaunlich stabilen Ständern (CHF 780.- / Paar) erfolgen. Im Regal sind Gummifüsschen zur Entkoppelung vom Regalbrett unbedingt empfehlenswert. Zudem sollten die Boxen vorne bündig mit dem Regal sein, um völlig frei abstrahlen zu können.

Doch Hand aufs Herz - und wir Freaks wissen es ja schon seit einer Ewigkeit: Die volle Räumlichkeit und Transparenz über den gesamten Frequenzbereich können solche High-End-Systeme nur auf hochwertigen (!) Ständern offenbaren.

Zuspieler und Kraftpakete

Als Zuspieler und Software kam ein MacBook Pro mit Audirvana Plus-Player sowie abwechslungsweise zwei DACs vom Typ KingRex UD 384 (mit Akku-Speisung) und dem brandneuen, DSD-tüchtigen ami DS5 zum Einsatz.

Als Software diente eine grosse Sammlung an Hi-Resolution-Aufnahmen in allen musikalischen Stilrichtungen. Es sei hier erwähnt, dass die neue, hochaufgelöste Software ab Notebook eine wesentlich genauere Beurteilung von High-End-Komponenten ermöglicht als die bisherigen Aufnahmen ab CD und SACD.

Befeuert wurden die Coax 10.2 vom Sugden A21SE Class-A-Verstärker (2 x 30 Watt an 8 Ohm, 2 x 40 Watt an 4 Ohm) wie auch von der legendären Forte Audio Vor- und Endstufe F44/Model6 (200 Watt an 8 Ohm, 350 Watt an 4 Ohm) sowie aus reinem „Gwunder“ auch an preisgünstigen analogen Amps (keine Class-D-Verstärker!) wie dem legendären NAD 3020 (20 Watt an 8 Ohm, 35 Watt an 4 Ohm)) oder gar einem NAD C315BEE (2 x 100 Watt Impulsleistung, 2 x 40 Watt Sinusleistung an 8 Ohm). Die klanglichen Resultate sind im Hörtest zu erfahren.

Leistungsbedarf

Kontaktfreudige und erst noch sehr stromtüchtige WBT-Anschlüsse mit der Möglichkeit des Bi-Wirings.Kontaktfreudige und erst noch sehr stromtüchtige WBT-Anschlüsse mit der Möglichkeit des Bi-Wirings.

Um festzustellen, mit wievielen Watts in unserem eher kleinen (!) Abhörraum Musik gehört wird, wurden Leistungs-Impuls-Messungen durchgeführt. Die Resultate waren bemerkenswert: Streichquartette beanspruchten gerade mal kurzzeitig 5 Watt bei so genannt „normaler“ Lautstärke. Ein Konzertflügel hingegen benötigte bei markanten, aber noch lange nicht lautstarken Passagen gelegentlich 10 Watt-Impulse.

Bei klassischen Orgelaufnahmen mit sehr tiefen Bässen und sogar gemässigtem Jazz stand es für entspanntes Hören über längere Zeit nicht anders: Rund 10 Watt Impulsleistung reichten völlig aus.

Erst bei lautstarkem Abhören von sogenannten Teststücken mit unlimitierter Dynamik, aggressiven Bässen und brisanten Drum-Solos stieg der Leistungshunger der Coax 10.2 ganz tüchtig an, und ab und zu wurden sogar 30 Watt Peak benötigt. Wer natürlich ein Schlagzeug so richtig knallen lassen und auch die Nachbarn am Klangspektakel teilhaben lassen will, der kann gut und gerne mal 100 Watt-Impulse, oder gar noch höhere Impulspakete zur Coax 10.2 leiten. Doch Hand aufs Herz: eine kompakte High-End-Regalbox ist keine PA-Box! Und deshalb sollte man sich Pegel- und Bass-Orgien mit anderen Systemen zu Gemüte führen.

Klassenunterschiede

Verstärker teilt man heute bekanntlich grob in die Klassen A-Verstärker, A-B-Verstärker und Class-D Verstärker (fälschlicherweise auch Digitalverstärker genannt) ein. Zu diesem Thema sei hier erwähnt, dass die neuen Class-D Verstärker in der Regel gegenüber den guten alten und konventionellen Class-A und Class-A-B Verstärkern positiv ausgedrückt knackiger, spritziger, brillanter, im negativen Sinne jedoch härter, ja sogar greller klingen. Damit erscheinen sie mir rein persönlich eher für Boxen mit leicht schöngeistigem Charakter geeignet zu sein als für sehr genau und analytisch zeichnende Schallwandler, zu denen ich das Piega Coax-Bändchen zähle. Der Hörtest wurde denn auch mehrheitlich mit dem Sugden A21SE Class-A-Verstärker durchgeführt.

Wenn schon, denn schon

Um die fast unerträgliche Spannung etwas zu lindern, sei gleich hier schon erwähnt, dass der Sugden Class-A-Verstärker und die Forte-Audio Legenden den Klang ganz anders anpackten als die preisgünstigen Vergleichsverstärker, die sich aber auch ganz ordentlich schlugen. Gerade bei leisen und mittleren Pegeln zeigte sich der Sugden A21SE als wahrer Meister und bot ein fantastisches klangliches Feuerwerk mit einer unglaublichen Vielfalt an Klangfarben und absolut meisterhafter Feinzeichnung. Zudem war er in der Lage, im eher kleinen Abhörraum auch höhere Pegel ohne die geringsten Probleme zu erzeugen.

Die Erprobung der Coax 10.2 zeigte folgendes: Obwohl die Lautsprecher nicht schwierig anzutreiben sind, bringen sie doch die klanglichen Qualitäten der angeschlossenen Verstärker sehr genau zur Geltung. Während die Coax 10.2 mit preisgünstigen Verstärkern bereits beachtlich gut klingen, spielen sie an einem Sugden A21SE absolut grossartig und in einer ganz anderen Liga zum Konzert auf. Somit heisst die Devise „Wenn schon, denn schon – es lohnt sich, auch bei den Verstärkern gebührend zu investieren, von guten Kabeln ganz zu schweigen.

Aggressiv und steril

Und nun endlich - zum eigentlichen Hör-Test.

Mit grellem, aggressivem Klang und ohne jegliche Feinzeichnung peinigen die Streicherklänge des neusten Hi-Resolution Albums „Birth of the symphony - Handel to Haydn“ - trotz des Class-A-Antriebes -  mein Gehör. Von räumlicher Tiefe des Klangbildes ist nichts, aber rein gar nichts zu spüren. Der Klang klebt an den Boxen. „Nein sooo nicht...“, denke ich und muss dieser Klangwiedergabe lediglich ein miserabel zugestehen.

Nun kommt es zur Gretchenfrage: Ist die Aufnahme mies, oder sind die Boxen schlecht? Also wird dieselbe Aufnahme auf einem Paar Vergleichsboxen und einem sehr guten Kopfhörer angehört. Das Resultat ist dasselbe. Nun gilt: Aufnahme schlecht!

Klanglicher Höhenflug

Die Hi-Res-Aufnahme mit Andreas Ottensamer und dem Rotterdam Philharmonic Orchestra klingt über die Piega Coax 10.2 absolut traumhaftDie Hi-Res-Aufnahme mit Andreas Ottensamer und dem Rotterdam Philharmonic Orchestra klingt über die Piega Coax 10.2 absolut traumhaft

In der Folge wird zu einer bekannten und sehr guten Hi-Resolution-Aufnahme gewechselt. Dese wurde bei avguide.ch in der Rezension „Klarinettissimo“ bereits besprochen. Nun entkrampfen sich meine Gehörnerven, und der hier gebotene Klang ist eine Offenbarung: Herrlich schöne, warme und dennoch feinstgezeichnete Streicher, ein grossräumiger, von den Boxen gelöster Orchesterklang und eine Klarinette, die ich noch nie mit so vielen klanglichen Schattierung (ab Konserve!) gehört habe, erheben mein Gemüt.

Warm und feingezeichnet

Und weiter geht's mit den Rokoko-Variationen für Cello und Orchester von Tchaikovsky. Aus der avguide.ch Rezension „Gütesiegel BBC“, bei der die Coax 10.2 als Abhörmonitor verwendet wurde, entnehme ich folgende Sätze: Der Wiederhall an den Wänden des grossen Konzertsaales des nun folgenden Waldhornsolos, ermöglichen dem Gehör eine eindeutige Positionierung des klar im Hintergrund sitzenden Musikers. Die Tiefenstaffelung der Klangbühne ist schlicht umwerfend. Der Klang ist völlig von den Boxen gelöst und steht dreidimensional und in scheinbar voller Grösse bei mir im Abhörraum.

Grossräumig - grossartig

Der sehr schnelle Basstreiber fügt sein Klangspektrum homogen an dasjenige des Bändchens. Bei extrem tiefen Sub-Bässen muss er im relativ kleinen Gehäuse der Coax 10.2 allerdings passen.Der sehr schnelle Basstreiber fügt sein Klangspektrum homogen an dasjenige des Bändchens. Bei extrem tiefen Sub-Bässen muss er im relativ kleinen Gehäuse der Coax 10.2 allerdings passen.

Nun gehts zu grossräumigen Chorwerken. Und hier verblüfft, auch ohne 5.1–Surround und dergleichen, wiederum die unglaubliche Tiefe und Breite des Klangbildes. Schon fast nicht mehr Konzertsaal gerecht ist die Durchsichtigkeit des Gesamtklanges und die Art, wie hier die Sopran-, Alt-, Tenor- und Bass-Stimmen voneinander fein säuberlich getrennt erscheinen und bei Bedarf aber auch zu einer homogenen Einheit verschmelzen können. Dies ist ganz gewiss charakteristisch für die fantastischen Feinzeichnung des Piega Coax-Bändchens.

Von Pingpong zum Raumklang

Es folgen zwei komplett unterschiedlichen Jazz-Aufnahmen: Ella and Basie und Winter Night. Gnadenlos klar und analytisch bringen die Coax-Bändchen die an und für sich sterile, am Mischpult zusammgeschusterte Pingpong-Stereofonie der 60er Jahre zu Gehör. Die Big-Band fetzt jedoch ganz tüchtig und Ellas Stimme wirkt jugendlich frisch und leichtfüssig.

Die in in einer Kirche aufgenommene „Winter Night“, die mit möglichst wenigen Mikrofonen und ohne Mischpultakrobatik aufgenommen wurde, erscheint hingegen mit umwerfenden Räumlichkeit. Das Ensemble scheint tatsächlich vor mir zu stehen und von den Klangfarben der Stimmen und Instrumente kann man nicht genug schwärmen.

Knallhart

Und zu guter Letzt geht's an eher brutale, harte und sehr rockige Sounds ab diversen Tonträgern. Was die Coax 10.2 hier liefern können, erfüllt meine Anforderungen (fast) voll und ganz. Nach gebührender Einspielzeit bringen die 10.2 in meinem Abhörraum ein überzeugendes, tiefreichendes und erst noch lupenreines Bassfundament. Vital und knackig erscheinen die Becken und Snare-Drums, und sphärenartige Synthesizerklänge scheinen im Raume herum zu kreisen.

Doch halt! Da höre ich doch noch die leise Stimme meines Zwerchfelles, die mir ganz klar mitteilt, dass sie die bei ganz grossen und extrem tiefstbasstüchtigen Boxen jeweils zu geniessende Zwerchefellmassage hier doch etwas vermisst.

Zwerchfell-Massage

Nur für Bass-Fetischisten: Wer Bässe nicht nur hören, sondern auch mit dem Körper spüren will, leiste sich einen Subwoofer wie zum Beispiel den Piega Sub P1.Nur für Bass-Fetischisten: Wer Bässe nicht nur hören, sondern auch mit dem Körper spüren will, leiste sich einen Subwoofer wie zum Beispiel den Piega Sub P1.

Tatsache ist,  dass man von einer Regalbox keine abgrundtiefen Sub-Bässe erwarten darf. Genau diese Art von Bässen, die man eher spürt als hört, mag ich als aktiver Bass-Spieler und fordere sie, um meine Hi-Res-Rezensionen auch im absoluten Tiefstbassbereich beurteilen zu können.

So kam der Wunsch nach der ersehnten „Zwerchfell-Massage“ auf und der Piega PS 1 Subwoofer wurde hinzugeschaltet. Nach ausgiebigem Erproben wurde die tiefstmögliche Übernahmefrequenz zu den 10.2 gewählt. Der PS 1 setzt also keine deutlich hörbaren, sondern fast nur noch mit dem Körper spürbare Sub-Bässe hinzu. Zugegeben, diese sind bei vielen durchschnittlich guten Aufnahmen gar nicht vorhanden. Bei anderen aber bewirken solche Bässe - wenn sie absolut sauber sind - eine unglaubliche Kräftigung und Stabilisierung des gesamten Klangbildes. So gerät der Kenner bei Orgelaufnahmen erst dann in Ekstase, wenn er im Tieftsbass „gebadet“ wird. Dasselbe gilt aber auch für jazzige, rockige und ganz klar Techno-Sounds: Wenn der Sub-Bass erst mal losgelassen, gibt es für Bass-Fetischisten kein Halten mehr.

Und nun noch das Wichtigste: Der Subwoofer soll keine eigentliche Verstärkung des Basses bewirken, sondern lediglich den Sub-Bassbereich ganz tief im Frequenzkeller hinzufügen.

Fazit

Die Piega Coax 10.2 sind für kleinere Abhörräume bis zu einer ungefähren Grösse von rund 30 m2 nicht nur ideale musikalische Freudenspender, sie können auch als hochpräzise Audio-Präzisionsgeräte zum Beurteilen von Aufnahmen eingesetzt werden. Während die 10.2 puncto Bass wohl die meisten Ansprüche erfüllen kann, besteht für notorische Bass-Fetischisten die Möglichkeit, mittels eines Subwoofers wie z.B. dem Piega P1 den für sie erstrebenswerten Kick zu erleben.

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