MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
14. April 2025
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Die musikalische Basis dieses Albums liegt mit einer Ausnahme im Barock. Auch das Instrumentarium stammt primär aus dieser Epoche. Die Interpretation der kurzen ein bis fünf Minuten dauernden Stücke bleibt aber nicht im Barock hängen. Die aus Österreich stammende Christina Pluhar absolvierte in Graz das Musikstudium und entdeckte dort den Reiz Alter Musik. In einem weiterführenden Studium, unter anderem an der Schola Cantorum Basiliensis, lernte sie das Spielen von Laute, Theorbe, Barockgitarre und Harfe. Im Jahr 2000 gründete Pluhar das Ensemble L’Arpeggiata, das sich an historischer Aufführungspraxis orientiert, aber eindeutig auch einen Schwerpunkt auf Crossover legt. In Projekten mit Jazz- und Folk-Musikern legt Pluhar eigene Akzente, die gelegentlich bei Klassik-Kritikern auf wenig Gegenliebe stossen.

Christina Pluhar mit Theorbe, eine Lauten-Variante mit Resonanzsaiten.Christina Pluhar mit Theorbe, eine Lauten-Variante mit Resonanzsaiten.

Themenalbum «Mutter Erde»

Wussten Sie, dass bereits 1811 der Wissenschaftler Joseph Fourier die Theorie entwickelt hat, dass der vermehrte Ausstoss von CO2 zu einer Erwärmung der Atmosphäre und Veränderung des Klimas führen könnte? Trotzdem gibt es heute noch Zweifler, dass dem so ist. Joseph Fourier – ja, das ist der mit der Fourier-Analyse, welche HiFi-Insidern bestens bekannt ist (um zeitliche Signale in ihre Frequenzanteile zu zerlegen). 

«Terra Mater» greift das Thema Natur und Mensch auf verschiedenen Ebenen auf. Zentral ist die Vogelwelt, bieten die Vögel doch als Töne erzeugende Spezies reichhaltige Vorlagen. Frösche, Mäuse, Tierfabeln und ausgelassene Tanzvergnügen sind weitere Inspirationen für barocke Komponisten. Das Album vereint Instrumental- und Gesangsstücke. Mit von der Partie im L’Arpeggiata-Ensemble ist die schwedische Sopranistin/Mezzosopranistin Malena Ernman, übrigens die Mutter von Greta Thunberg.

Malena Ernman, schwedische Sopranistin.Malena Ernman, schwedische Sopranistin.

Instrumentarium, Künstler und eine wenig bekannte Epoche

Stichwort Alte Musik: Der Begriff kann missverständlich sein, die Abgrenzung ist unscharf. Ausserhalb der Klassik werden damit Oldies oder Rockklassiker verknüpft. Im eigentlichen Sinn werden mit Alte Musik die Musikepochen ab Mittelalter, Renaissance bis weit in den Barock hinein bezeichnet. Vereinfacht formuliert ist es Musik vor Johann Sebastian Bach, Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel. Es ist die Epoche, in der die Entwicklung der komplexen Musikformen wie Oper, Symphonie und Konzert sich langsam und zunächst in einfacher Ausprägung entwickelten. Parallel einher ging die Evolution der Instrumente. Es war weniger eine Zeit, in der viel Neues dazukam, aber eine Epoche, in der sich die Dominanz einzelner Instrumente oder Gruppen von Instrumenten verfestigte.

Das Cello verdrängte die Viola da Gamba, die Blockflöte verlor gegen die Traversflöte und diese später gegen die heutige Böhmflöte. Es war also ein Wechsel von Holz zu Metall. Im 18. Jahrhundert verschwand eine ganze Reihe von Instrumenten aus dem Musikalltag, die im 20. Jahrhundert wieder belebt wurden – eben im Verbund mit Alter Musik. Hier sind wir allerdings in einer Nische der Klassik-Nische. Zu den «vergessenen» Instrumenten gehören Theorbe und Cornetto, die auf dem «Terra Mater»-Album zu hören sind. Es sind Künstler und Künstlerinnen wie Christina Pluhar und Doron Sherwin (Cornetto) oder Jordi Savall mit Hesperion XXI (im letzten Jahrhundert noch XX), welche der Musik dieser Epoche wieder eine Plattform gegeben haben.

Doron Sherwin spielt das Cornetto, das im deutschen Sprachraum als Zink bezeichnet wird. Obwohl aus Holz, zählt das Cornetto zu den Blechblasinstrumenten (Anblasmethode).Doron Sherwin spielt das Cornetto, das im deutschen Sprachraum als Zink bezeichnet wird. Obwohl aus Holz, zählt das Cornetto zu den Blechblasinstrumenten (Anblasmethode).

Facettenreiche Musikstücke

Das Ensemble L’Arpeggiata spannt auf «Terra Mater» mit den 20 Musikstücken einen Bogen von rund 400 Jahren. Dies mit unterschiedlichem Bezug. So hauchen in «The Frog and the Mouse», «The Taylor and the Mouse» und «Wallom Green» moderne Jazzrhythmen diesen alten Kompositionen einen neuen Drive ein. Am anderen Ende steht mit «Nature Boy» ein Jazz-Standard (1948 komponiert von Eden Ahbez) auf der Playlist. Was zuerst als ein Stück aus Rob Wassermans Album «Duets» gelten könnte, bekommt mit dem Einsatz des Cornets einen barocken Touch. Die Mehrheit der Stücke ist dem Barock verpflichtet. Das Albumthema der «Mutter Erde» mit Natur und Mensch kommt plakativ in zahlreichen Titeln mit der Imitation von Tierstimmen und ausgelassenen Tanzstücken zum Ausdruck. Exemplarisch ist die von der Blockflöte nachempfundene Nachtigall in «Son rossignolo» (Pietro Torri 1650–1737). Neben traditionellen Folk-Kompositionen kommen unter anderem Stücke von Biber, Orlandini und Gasparini auf die Klangbühne, aber auch Bekanntes von Monteverdi und Händel.

TERRA MATER L’Arpeggiata – Christina Pluhar, Malena Ernman – mezzo
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