
Auf den ersten Blick ist die neue Oberon 5 von Dali einfach ein sehr schöner und übersichtlicher Standlautsprecher mit schönem Design und nordischem Flair. Da ist nichts Aussergewöhnliches dabei, als ein gut gestalteter Lautsprecher für eine moderne Wohnatmosphäre.
Bei näherer Inspektion fällt aber der Soft-Dome-Kalottenhochtöner auf. Er hat einen sehr grossen Durchmesser von 29 mm. Dazu gesellen sich zwei Bass-Mitteltontreiber, wie man sie von Dali gut kennt. Die Membrane besteht aus einem bräunlichen Holzfaser-Material. Was man nicht sieht, ist das neue SMC-Material, aus dem die Permanentmagneten der Tief-Mitteltöner hergestellt wurden.
SMC bedeutet Soft Magnetic Compound. Ein von Dali akribisch entwickeltes Magnetmaterial geheimer Rezeptur. Es hat im Vergleich zu den üblicherweise verwendeten magnetisierbaren Metallen ein stark verringertes Verzerrungsverhalten und bewirkt eine – aus Sicht des Verstärkers – unproblematische Last. Die Lautsprechertreiber reagieren deutlich weniger empfindlich auf unterschiedliche Verstärker.
Das Besondere ist nun, dass man SMC in der Oberon-Modellreihe vorfindet, denn Oberon sind günstige Lautsprecher. Die hier getestete Oberon 5 kostet nur 998 Franken das Paar. Es ist sehr lobenswert, dass Dali eine proprietäre Materialtechnologie in einem Lautsprecher verwendet, welcher der sogenannten Einsteigerklasse zuzuordnen ist.
Zurück zu der Hochtonkalotte: Das sehr weiche Material, aus dem diese besteht, ist extrem leicht, und die Grösse bewirkt ein für Hochtonverhältnisse (in diesem Fall oberhalb von 2400 Hz) breites Abstrahlverhalten. Dali verspricht sich dank dieser Eigenschaft ein optimales räumliches Klangbild, ohne dass die beiden Lautsprecher auf den Hörplatz eingewinkelt werden müssen.
Das hat nun auch wieder Vorteile, sofern es so uneingeschränkt zutrifft. Lautsprecher, die parallel zur Rückwand stehen, wirken unauffälliger und schöner im Wohnraum als solche, die man einwinkelt. Über dermassen druckempfindlichen Kalotten-Hochtönern hängt allerdings das Damoklesschwert der Kleinkinder, auf die solche Schallwandler-Preziosen eine unkontrollierbare Anziehungskraft ausüben.
Dali hat auch dafür gesorgt: Die abnehmbare, stoffbespannte Abdeckung ist nämlich ein sehr stabiles Kunststoffgitter, wogegen «Kinderfingerchen» nichts ausrichten können. Damit ist die Regel klar: Dali Oberon + Kinder = mit Abdeckung.
Stilbildend und durchdacht

Die Frontplatte besteht aus Kunststoff und ist auf ein schön verarbeitetes MDF-Holzgehäuse aufgesetzt. Sie ist weiss im optischen Zusammenspiel mit dem weissen Gehäuse, sowie auch mit dem hellen Holzfinish (beziehungsweise in Schwarz beim Walnuss-Finish mit schwarzem Gehäuse). Die Stoffbespannung ist entweder grau oder schwarz, je nach Farbvariante. In jedem Fall ergibt sich eine schön abgestimmte und modern wirkende Optik mit einem Schuss nordischer Nüchternheit.

Die zwei Tief-Mitteltontreiber haben einen Durchmesser von 5 1/4 Zoll (13,3cm). Die Holzfasermembran ist nicht nur optisch lecker, sie weist ähnlich wie Papiermembranen ein ideales Gewichts-Steifigkeits-Verhältnis auf und kennt keine spitzen Resonanzen. Man spricht von einer hohen inneren Dämpfung. Angetrieben werden die Systeme mit besagten SMC-Magneten.
Besonderes Lob verdient der Alu-Standfuss. Er verleiht dem Lautsprecher eine gewisse Leichtigkeit über dem Boden. Wenn man sich überlegt, wie viel ein Produktionswerkzeug für diesen Standfuss kostet, dann darf man sehr beeindruckt sein. Der grössere Standlautsprecher Oberon 7 kommt mit einem entsprechend grösseren Standfuss gleicher Machart.
Ob Teppiche (eher selten), Steinboden oder Parkett – man stellt sie einfach hin. Das ist praktisch und für genügende Entkopplung ist gesorgt. Dazu gibt es auch die passenden Spikes oder Gummiplättchen.
Dali (Danish Audiophile Loudspeaker Industries) sparen auch bei kostengünstigen Lautsprechern nicht am falschen Ort.


Was sagt die Technik?

In diesem 2-Weg-Lautsprecher arbeiten die beiden Tiefmitteltöner exakt parallel und geben ab 2400 Hz an den Hochtöner weiter. Das Bassreflexsystem ist auf besagte 43 Hz abgestimmt. Demnach ist dann bei 39 Hz (-3db) und darunter voraussichtlich nicht mehr viel zu hören. Nicht schlecht für einen kleinen Standlautsprecher von 83 cm Höhe. Die obere Grenzfrequenz wird bei -3dB mit 26 kHz angegeben.
Der Wirkungsgrad liegt bei 88dB/1Watt/1Meter, gemessen mit einem Sinuston von 1 kHz. Das dürfte mit der Nominalimpedanz von 6 Ohm auch für Röhrenverstärker noch ausreichend sein. Die maximal erzielbare Lautstärke (SPL) wird mit 108 dB angegeben, auch das bei 1 Meter Abstand zum Lautsprecher. Pro zusätzlichem Meter bis zum Hörplatz kann man dann noch ca. 2 dB abziehen. Mit 3 Metern Hördistanz dürften so um die 100 dB erzielt werden können.
Die Interpretation dieser Daten zielt in Richtung eines universellen Lautsprechers, der von «begleitendem» Partybetrieb bis hin zu Kammermusikalischem reichen könnte – und das mit grosser Kompatibilität zu unterschiedlichen Verstärkern, denen die Oberon 5 mit unkompliziertem Lastverhalten gegenübersteht.
Musik hören mit Oberon 5

Ich habe schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen: Das verwendete Lautsprecherkabel von Création Absolue ist teurer als ein Paar Oberon 5 – wenn auch nur geringfügig. Der Vollverstärker von Lavardin Technologies ist ca. um den Faktor 4 teurer als der Lautsprecher, und über den MAN301-Server von Weiss will ich mich nicht weiter äussern. Ich brauche halt immer Geräte, denen ich wirklich vertrauen kann ...
Man nehme es mir nicht übel, aber ich verfüge hier leider nicht über Gerätschaften, die in einem gesunden Verhältnis zur Investition dieses Lautsprechers stehen würden. Allerdings hat mich schon oft der Verdacht beschlichen, dass es mit «je teurer, desto besser» ganz und gar nicht weit her ist.
Klangcharakter
Die Oberon 5 hat einen warmen Charakter, der leicht beschönigend wirkt. Ich sehe das positiv, weil Defizite bei den Aufnahmen weniger stark ins Gewicht fallen. In der Tat hat mich die Oberon 5 bei jeder gehörten Aufnahme und bei jeder Musikstilrichtung insofern überzeugt, als dass sie sich immer von einer guten, bisweilen angenehmen Seite gezeigt hat.
Aufstellung und Klangbühne
Dali verspricht ein breites Abstrahlverhalten. Damit begründet das Unternehmen, dass es nicht erforderlich ist, die Lautsprecher auf den Hörplatz einzuwinkeln. Dem breiten Abstrahlverhalten stimme ich zu: Der Sweet Spot ist relativ breit, und die tonalen Unterschiede im Hochtonbereich sind sehr gering – ob man nun direkt einwinkelt oder ob man die Lautsprecher exakt rechtwinklig zur Frontwand ausrichtet.
Die Definition von Stimmen und Instrumenten verbessert sich allerdings merklich, wenn man die Lautsprecher einwinkelt. Die Ortungsschärfe nimmt zu und die Tiefenstaffelung ebenfalls. Wer auf eine möglichst authentische Klangbühne Wert legt, dem empfehle ich, die Lautsprecher einzuwinkeln. Wer das partout nicht will, dem empfehle ich, die Distanz zwischen den zwei Oberon 5 deutlich kürzer zu machen als die Distanz zum Hörplatz. Das geht allerdings etwas auf Kosten der Panorama-Breite, aber man kann ja nicht alles haben.
Insgesamt ist die erzielbare Klangbühne und die Loslösung der Musik von den Lautsprechern ausgezeichnet und auch wirklich überraschend.
Bass und Dynamik
Die Tiefbasseigenschaften sind verblüffend. Auch die Präzision ist sehr passabel. Elektrobass und akustischer Bass lassen ein wenig Trockenheit vermissen, aber man hört eindeutig, um was für ein Instrument es sich handelt – und das ist keineswegs immer der Fall, schon gar nicht in dieser Preisklasse.
Punkto Dynamik kann ich ebenfalls ein gutes Zeugnis ausstellen, mit der Einschränkung, dass ich mit Dynamik auch Dynamik meine. Die Big-Band-Aufnahme «88 Basie Street» von Count Basie kam sehr gut herüber. Eine wirkliche Big Band, die grandios aufspielt.
Wenn Musik nur noch laut ist und nicht mehr dynamisch (Loudness-Übertreibungen etc.) oder wenn synthetischer Bass dominiert, dann muss man mit der Lautstärke zurück. Ich würde jedenfalls die Jungmannschaft mit Elektro und Hiphop nicht unbegleitet ans Werk gehen lassen ...
Summa Summarum
Die Oberon 5 klingen musikalisch und schön. Wer beim Musikhören noch nie einen Gänsehaut-Effekt erlebte, der bekommt ihn hier zum Spartarif.
Fazit

Die Oberon 5 von Dali gehört zu den besten Lautsprechern, die für etwa 1000 Franken in ihrem trauten Heim musizieren können – und es dürfte auch relativ schwierig sein, für 1500 Franken oder vielleicht noch mehr etwas Besseres zu finden. Sie sind eine echte Kampfansage gegen die immer beliebteren One-Box-Lautsprecher mit ihrem künstlichen Raumklang und den üppigen Versprechen ihrer Protagonisten.
Gewiss braucht man dazu auch noch einen Verstärker und eine passable Quelle, so dass man unter 2000 Franken vermutlich nicht ans Ziel kommt. Aber mal ehrlich: Ist das zu viel Geld, um über vermutlich lange Zeit einfach toll Musik hören zu können? Damit meine ich eine überzeugend wirklichkeitsnahe Klangdarbietung vor Ihrer Nase oder die überzeugende Illusion der Anwesenheit von Musikern.
Wie viele andere Hersteller streckt sich Dali an die Decke, um Stereo überzeugend und wirklich zahlbar (wieder) unter die Leute zu bringen. Mit der Oberon 5 und ihren Geschwistern gelingt den Dänen ein überzeugender Steilpass vors Tor.