Wie wirkt sich ein geschlossener Raum auf die Musikwiedergabe aus? Nebst den schon vielfach diskutierten Raummoden gibt es einen in der Praxis vielfach unterschätzten Effekt, den sogenannten Room Gain.
Situation in Automobilen
Zugegeben, die Überschrift tönt ein wenig sonderbar, aber auffällige Titel sollen ja schliesslich die Aufmerksamkeit erhöhen. Und da dies ein wenig diskutiertes Thema ist, kann ja ein bisschen Aufmerksamkeit nicht schaden. Zum ersten Mal ist mir dieses Phänomen aufgefallen, als ich für die damalige Zeitschrift «CarSound» Tests schrieb und Messungen machte. Auffällig war, dass schon kleine Basstreiber es schafften, im Fahrzeuginnern 20 Hz ohne grossen Pegelverlust abzustrahlen. Ich habe das Phänomen in einem Artikel mit dem Titel «Autoakustik, Teil 1» untersucht und messtechnisch festgestellt, dass der relativ kleine und einigermassen dichte Innenraum des Fahrzeuges den Schalldruck zu tiefen Frequenzen hin immer mehr verstärkt. Die Messungen bei drei unterschiedlichen Fahrzeugtypen hat die Verstärkung zu ganz tiefen Tönen hin mit fast 30 dB gezeigt.
Und zuhause?
Mag sich manch einer nun fragen, was das mobile Entertainment mit dem Musikhören zuhause zu tun hat. Die Frage ist durchaus verständlich, da dieses Thema wie oben schon angemerkt in gängigen Kreisen ziemlich selten besprochen wird. Jeder Raum, in dem Musik abgespielt wird, zumindest hierzulande, besitzt ebenfalls wie ein Fahrzeuginnenraum ein mehr oder weniger geschlossenes Volumen – wenn auch mit deutlich grösserem Inhalt.
Das heisst aber nicht, dass dieser Effekt darum nicht vorhanden ist, es verschiebt sich lediglich die Wirkung zu tieferen Frequenzen hin, bzw. der Effekt beginnt sich erst bei ganz tiefen Tönen bemerkbar zu machen. Wer sich mit Simulationsprogrammen auskennt, kann diesen Effekt simulieren. Man wird auf eine Anhebung von rund 12 dB pro Oktave kommen, unterhalb der Eckfrequenz, d.h., ab der Frequenz, ab welcher der Effekt zu wirken beginnt.
Die Eckfrequenz ist wiederum abhängig von der Grösse des Raumes. In der Praxis ist allerdings der Anstieg etwas flacher als die 12 dB pro Oktave. Werte von etwa 8 bis 10 dB pro Oktave sind realistisch, ich sehe das so in der Praxis oft. Die ungefähre Eckfrequenz dieses Effekts ist raumgrössenabhängig bei etwa 50 bis 80 Hz anzutreffen. Mit einer einfachen Messung lässt sich dieser Effekt gut feststellen.
Eine Messung im Nahfeld des Basstreibers und eine anschliessende Messung im Raum zeigt diesen Effekt sehr schön. In dem Zusammenhang ist es wichtig, zwischen dem Room Gain und den Raum-Moden zu unterscheiden. Die Wirkung von Raum-Moden sind schmalbandig und zeigen sich als schmale Spitzen oder Senken im Frequenzschrieb. Der Room Gain ist ein sanfter, gleichmässiger Anstieg hin zu tiefen Frequenzen.
Auswirkung auf die Praxis
Einfach ausgedrückt, sollte ein Lautsprecher nicht einen bis 20 Hz oder noch tiefer hinunter linearen Übertragungsbereich aufweisen, sondern einen leicht abfallenden Verlauf zu tiefen Frequenzen hin. Geschlossene Gehäuse kommen diesem Verhalten am nächsten. Je nach Qts (=Gesamtdämpfung) fällt der Pegel in Gehäusen langsam (Qts = 0.5) bis schneller (Qts =1.0) ab und nähert sich einer 12 dB/Okt-Asymptote.
Das heisst, wenn die Eckfrequenz des Room Gains und die Eigenfrequenz des Basstreibers im geschlossenen Gehäuse ungefähr im gleichen Bereich sind, kompensieren sich Room Gain und natürlicher Rolloff des Lautsprechers. Klassische Bassreflex-Lautsprecher weisen je nach Abstimmung einen Rolloff von 20–36 dB pro Oktave auf. So kommt es, dass vielfach in einem Bereich eine Überhöhung auftritt, aber unterhalb dann nahezu kein Schallpegel mehr vorhanden ist. Ausnahmen bilden hier die nicht auf möglichst linearen Pegelverlauf abgestimmten Konstruktionen mit sehr tiefen Tuningfrequenzen, die daher ebenfalls einen sehr sanften Rolloff aufweisen.
Fazit
Aufgrund dieses kurzen Beitrags wird klar, warum Boxenschieben fast zu einem Hobby geworden ist. Sehr selten kompensiert der Room Gain den abfallenden Verlauf eines Lautsprechers gerade perfekt. Meistens kommt es zu Überhöhungen im Bassbereich und trotz des Room Gains bei ganz tiefen Frequenzen zu einem Abfall. Je flacher allerdings der Rolloff ist, desto eher besteht die Chance auf einen ausgewogenen Bassverlauf. Bei dieser Betrachtung wurden die Raum-Moden bewusst ausser Acht gelassen. Ein Beitrag zu Raum-Moden finden Sie hier.