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Publikationsdatum
29. Mai 2024
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MEDIEN

Wie kommt man zu einem fundierten und reproduzierbaren Qualitätsurteil über Geräte, Lautsprecher, Zubehör und Tonformate? Technische Systeme lassen sich anhand von Messkriterien einordnen, aber auch gehörmässig beurteilen. Eine banale Erkenntnis.

Anbieter von Geräten, die messtechnisch nicht so brillieren, insistieren, dass unser Gehör das massgebende Organ sei, viel mehr Auflösung habe und somit ein präziseres und letztendlich relevanteres Urteil liefere. Hoppla, das ist mal eine Ansage, die Messwerte als Grobfaktor zwar anerkennt, dem aber keine oder nur geringe Aussagekraft attestiert. Folglich: Geräte mit schlechten Messresultaten müssen nicht schlecht klingen. Wirklich?

Ist Messen oder Hören präziser? Eine Frage mit Zündstoff

Der Autor stellt hier mal die Gegenposition zur Diskussion: Ein Gerät mit schlechten Messresultaten klingt auch schlechter. Und schon sind wir mit diesem und dem obigen Beurteilungsansatz in der Sackgasse: Ein Set von Messresultaten, welche die Qualität eines Produktes belegen soll, wird mit dem Hörsystem des Menschen beurteilt.

Wenn nun aber dieses Hörsystem weniger präzis, weniger zuverlässig ist und keine objektiv reproduzierbaren Urteile liefert, dann kann das Hörsystem die Relevanz der Messung weder bestätigen noch widerlegen. Die Beurteilung wäre subjektiv, individuell, von Präferenzen beeinflusst und läge in einem grösseren Streubereich, wenn mehrere Hörer das Gleiche beurteilen. Sie sehen: Hier liegt das Minenfeld für hitzige Diskussionen, wie «die Schallplatte ist besser als die CD» – ein Evergreen seit 1983. Lässt sich die Überlegenheit der menschlichen Hörfähigkeit objektiv nachweisen und somit Messwerte als sekundär oder vernachlässigbar einstufen?

Die Ausgangslage

Um aus diesem Zirkelschluss zu kommen, müssen wir zunächst mal die Stärken und Schwächen von Mess- und Hörbeurteilung ermitteln. Beginnen wir mit dem Messen:

Ein Audiogerät lässt sich mit vier primären Messgrössen (Metadaten) beschreiben: Frequenzgang, Verzerrungen, Rauschen und zeitbasierte Fehler. Dies gilt gleichermassen für analoge wie digitale Systeme. Beispiel: Die analogen Gleichlaufschwankungen und der Jitter in der digitalen Domäne sind beides zeitbasierte Fehler. Unterschiedlich ist nur, wie die Werte gemessen werden: die Messmethode, Messgrössen und die Hörschwelle.

Messwerte sind – die korrekte Messmethode vorausgesetzt – numerische Grössen, als Zahlenreihen oder Grafiken dargestellt, die definiert und reproduzierbar sind. Ein Pegelmessgerät kann uns den momentan vorhandenen Schalldruck in einem Raum als genauen dB-Zahlenwert angeben, während der Mensch höchstens eine grobe Schätzung liefern kann.

Die Messwerte aus Frequenzgang, Verzerrungen, Rauschen und zeitbasierten Fehlern sind Zahlensammlungen ohne Emotionen, die zueinander in Beziehung gebracht und verstanden werden müssen. Für Nicht-Techniker eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Und selbst der kompetenteste Audioingenieur wird ohne Hören und Vergleichen nicht zu einem umfassenden, brauchbaren Urteil kommen.

Das menschliche Hörsystem

Das menschliche Hörsystem ist eine komplexe Angelegenheit. Die aufs Trommelfell eintreffenden Schallwellen werden über winzige Knöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) an die Hörschnecke (Cochlea) geleitet, welche über die Flimmerhärchen den Schall in Nervenimpulse umwandelt, die ins Hirn geleitet werden. Und dort entsteht unsere Hörwahrnehmung und folglich auch Emotionen. Dies ist ein äusserst komplexer Vorgang.

Sprache, Musik, Geräusche: Unsere Hörwahrnehmung wird auch durch unsere Erwartung, vorgefassten Meinungen, Fremdbeeinflussung oder Gruppendynamik verzerrt, respektive verändert.

Wir nehmen Klangdetails wahr, die in der realen physikalischen Welt nicht vorhanden sind, wir bilden sie uns ein. Hören und Hörbeurteilung sind äusserst fragile Angelegenheiten. Sie sind abhängig von der Hörerfahrung, den Kenntnissen über Musik und Instrumente. Ja selbst der kulturelle Hintergrund eines jeden spielt hinein. Und das Wichtigste: Hören ist eine individuelle, jedem Menschen eigene Angelegenheit.

Auch selektives Hören ist ein wesentlicher Aspekt bei der Klangbeurteilung. Im Gegensatz zum integralen Hören, bei dem man ein Musikstück in seiner Gesamtheit wahrnimmt, konzentriert man sich beim selektiven Hören auf ein oder zwei Teilelemente. Wenn Sie sich bei einem Hörtest auf die Basswiedergabe konzentrieren, werden sie Nuancen in der Klangfarbe einer Flöte weniger beachten. Legen Sie ihr Augenmerk auf die Räumlichkeit einer Aufnahme, fallen dadurch andere Faktoren wie die Präzision des Spiels oder Natürlichkeit des Klangbildes weniger ins Gewicht. So kann es durchaus sein, dass man nach einer Modifikation der Anlage schon immer vorhandene Details durch berusste Wahrnehmung als neu, beziehungsweise als Klangveränderung durch die Modifikation fehlinterpretiert.

Und auf altersbedingte oder durch Knalltrauma verursachte Hörschwächen – und somit veränderte Hörwahrnehmung – sei ebenfalls noch hingewiesen.

Zwischenfazit

Moderne Messinstrumente bieten eine Genauigkeit, die weit ausserhalb des menschlichen Hörvermögens liegen. Messen kann die Qualität eines Gerätes reproduzierbar beschreiben. Die Messresultate müssen als Set und in Bezug zueinander erfasst und interpretiert werden. Dies ist für Nicht-Techniker nur schwer machbar.

Unser Hörsystem ist hoch entwickelt und zu Höchstleistungen fähig, was Schallanalyse und Interpretation betrifft. Die kognitive Verarbeitung wird aber durch zahlreiche weiche Faktoren beeinflusst, bis hin zu Placeboeffekten. Eine objektive Reproduzierbarkeit eines Hörurteils ist nur sehr begrenzt möglich. Dies gilt für einen einzelnen Hörer bei in zeitlichen Abständen wiederholten Hörsitzungen, aber auch innerhalb von mehreren Hörern, die gleichzeitig an einer Hörsession teilnehmen.