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Aktivlautsprecher im Wohnraum.Aktivlautsprecher im Wohnraum.

Für die meisten Musikhörerinnen und -hörer können Lautsprecher kaum klein genug sein – egal, ob High-End oder Consumer-Audio. Denn so verschwinden sie diskreter im Wohnraum. Aktivlautsprecher ermöglichen eine deutliche Reduzierung der Baugrösse von Lautsprechern und vereinfachen das Audiosystem im Wohnzimmer.

In der deutschen Sprache gilt alles als Aktivlautsprecher, was einen Verstärker ins Lautsprechergehäuse eingebaut hat. Das Englische differenziert zwischen «powered speaker» (ein Lautsprecher mit eingebautem Verstärker und passiver Frequenzweiche) und «active speaker» (der eingebaute Verstärker hat eine aktive Frequenzweiche vor der Verstärkung und somit wird jedes Lautsprecherchassis einzeln verstärkt).

Gemäss deutscher Lesart werden heutzutage fast nur noch aktive Lautsprecher verkauft: Boomboxen, Wireless-Boxen, Soundbars, Subwoofer. Nur klassisches High-End-HiFi blieb lange immun gegenüber dieser Entwicklung. Doch nun werden passive Boxen auch zunehmend verdrängt. Im Studiobereich ist diese Ablösung schon länger erfolgt.

Eine Einführung in die «aktiven Grundlagen» liefert der von Daniel Weiss im avguide.ch publizierte Artikel. Weiterhin aktuell ist ein über 20-jähriger Artikel von Daniel Schmid sowie ein neuerer Kaufratgeber.

It’s all about the bass!

Ein Lautsprecherchassis muss Luft bewegen. Je tiefer der Ton, desto grösser ist die dazu erforderliche Energie. Deshalb ist ein Basschassis gross und ein Hochtöner klein. Folglich wird die Grösse eines Gehäuses praktisch nur durch das Basschassis bestimmt, egal, ob Boombox oder High-End-Box.

Wünscht man einen linearen Frequenzgang im Bass, müssen die elektrisch-mechanischen Parameter eines Basschassis (die sogenannten Thiele-Small-Parameter) in einem bestimmten Verhältnis zum Gehäusevolumen stehen. Dieses Verhältnis ändert sich, ob das Chassis in ein geschlossenes oder ein Bassreflexgehäuse oder eine Sonderform eingebaut ist. Vereinfacht lässt sich aber lapidar festhalten: Je grösser die Membranfläche, desto grösser das Gehäuse. Erhöht man das Gewicht der jeweiligen Membran inklusive Schwingspule (die bewegte Masse), so wird das Gehäuse kleiner, jedoch sinkt der Wirkungsgrad.

Schallpegel zweier 20cm Basschassis (A und B) in diversen Gehäusen.Schallpegel zweier 20cm Basschassis (A und B) in diversen Gehäusen.
Maximaler Schallpegel derselben Chassis in diesen Gehäusen.Maximaler Schallpegel derselben Chassis in diesen Gehäusen.
  • Chassis A: 20cm, 8Ohm, 32g bewegte Masse, +/-5.5mm Hub
  • Chassis B: 20cm, 8Ohm, 89g bewegte Masse, +/-11mm Hub
  • Schwarz – Chassis A, Bassreflex 66 Liter
  • Rot – Chassis A, Geschlossen 44 Liter
  • Blau – Chassis A, Geschlossen 22 Liter
  • Grün – Chassis B, Geschlossen, 22 Liter

Die erzielbare Schallenergie wird aus dem Verhältnis von Membranfläche und Membranhub (Auslenkung) definiert. Der Schallpegel ist derselbe, ob er von einer grossen Membran mit wenig Hub oder umgekehrt einer kleinen Membran mit viel Hub erzeugt wird. Nur klingt es jeweils anders! Die grosse Membran ist näher beim Originalton. Das leuchtet ein, wenn man sich vorstellt, wie der Klang des fein schwingenden Fells einer grossen Pauke reproduziert werden soll – etwa so wie der schwingende Resonanzboden eines grossen Konzertflügels.

Bei elektronischer Musik fällt dies aber bedeutend weniger auf und es gilt Masse statt Klasse. Pumpende Beats aus einem vorbeifahrenden Auto sind dazu ein passendes Klischee-Bild. Sie dröhnen lange nach.

Soll nun ein maximaler Basspegel aus einem minimalen Gehäuse erzeugt werden, so wählt man mit Vorteil eine schwere Membran mit grossem Hub. Und nun kommt die Aktivtechnik ins Spiel: Schrumpft man das Gehäuse weiter und akzeptiert einen abfallenden Frequenzgang im Bass, so lässt sich der fehlende Bass einfach elektronisch anheben. Solange das nun stärker geforderte Chassis belastbar genug bleibt und die Auslenkungen mitmacht, geht die Rechnung auf. Derart sind die meisten Subwoofer konzipiert.

Passiv ist dies nicht möglich, weshalb passive Lautsprecher immer eine gewisse Grösse haben müssen, entsprechend den eingebauten Chassis und dem Bauprinzip. Passiv sind Wirkungsgrad und Bauform für die Linearität und den Tiefgang der Wiedergabe entscheidend. Geschlossene Gehäuse sind dabei im Nachteil gegenüber Reflexgehäusen, denn Wirkungsgrad und Tiefgang sind niedriger.

Folgender Artikel beleuchtet die Unterschiede. Passive Standlautsprecher sind deshalb deutlich voluminöser als aktive Subwoofer derselben Leistungsklasse, obwohl diese sogar tiefere Töne übertragen.

Zaubermittel Class-D-Verstärker

Das elektronische Nachregeln, um genügend Bass aus eigentlich zu kleinen Gehäusen herauszuquetschen, hat einen Preis: Der schlechte Wirkungsgrad erfordert Leistung, viel Leistung. Weil bei einem aktiven Bass die Lautsprecherchassis direkt an den Endstufen hängen, wird die Endstufe weniger belastet als bei passiven Lautsprechern.

Dank moderner, hocheffizienter Class-D-Verstärkertechnik, die aus kompakten Modulen mit geringer Abwärme irre Leistungen erlaubt, geht die Rechnung pegelmässig bestens auf. Und hohe Leistungen in den Specs verkauften sich schon immer gut im HiFi. So sind eine Reihe äusserst kompakter Aktivboxen mit extremem Tiefgang im High-End auf den Markt gekommen, welche mit Leistungen im Kilowatt-Bereich punkten. Bestes Beispiel: Devialet Phantom.

Bei Subwoofern ist diese Entwicklung schon lange im Gang. Und die verblüffenden Bässe aus kleinen Boomboxen wären ohne diese Technik undenkbar. Grosse Leistung bedeutet aber nicht nur die gewünschten hohen Auslenkungen, sondern auch hohe Temperaturen in den Schwingspulen, womit unweigerlich Verzerrungen ansteigen. Den durchschnittlichen Musikhörer muss dies kaum kümmern, denn lieber etwas stärker verzerrten Bass als gar keinen! Zudem bleiben diese bis zur gehobenen Zimmerlautstärke von 70 bis 80 dB moderat.

Avantgarde dieser Entwicklung war Bang&Olufsen. Ab den 1980er-Jahren bauten sie konsequent aktive Lautsprecher, um elegantes Design in kompakten Gehäusen umzusetzen, inklusive der Steuergeräte. Wer kennt nicht die ikonische «Orgelpfeife», die Beolab 8000, ein grosser kommerzieller Erfolg. Von HiFi-Freaks wurde sie verschmäht, vom Design-Publikum aber geliebt und über fast zwei Dekaden hergestellt. Diese Basswiedergabe aus dem 5-Liter-Reflex-Gehäuse ist noch heute verblüffend. Konsequenterweise entwickelte B&O später mit ICE-Power hochwertige Class-D-Endstufenmodule, die nun auch in sehr vielen Geräten anderer Hersteller eingesetzt werden. Damit konnte der Ansatz weiter perfektioniert werden. B&O bleibt bis heute der wichtigste Hersteller von Aktivlautsprechern im HiFi-Segment und hat auch innovative High-End-Modelle wie die Beolab 90 entwickelt.

Avantgarde in der Entwicklung von Aktivlautsprechern fürs Wohnzimmer war Bang&Olufsen. Die Beolab 8000 war ein grosser kommerzieller Erfolg.Avantgarde in der Entwicklung von Aktivlautsprechern fürs Wohnzimmer war Bang&Olufsen. Die Beolab 8000 war ein grosser kommerzieller Erfolg.

«Früher war alles besser»

Voluminöse Lautsprecher haben ihre Bedeutung als Statussymbole beim grossen Publikum weitgehend eingebüsst. Die Gebraucht-Börsen sind voll von (passiven) Standlautsprechern zum kleinen Preis. Vintage-Modelle, gerade mit grosskalibrigen Tieftönern, bleiben gesucht und gerne auch, um sie mit Röhrenverstärkern anzusteuern. Dies nicht ohne Grund, denn sie zeigen, wie grossflächige Tieftöner mit hohem Wirkungsgrad in grossen Reflex- oder Horngehäusen mit wenig Leistung klingen können. Es gibt auch eine Reihe von Herstellern, die mit neuen Konstruktionen diese Tradition beleben – ein Beispiel sind die Hornlautsprecher von Blumenhofer.

Ich erinnere mich an eine Vorführung an der High End München von riesigen Kino-Lautsprechern aus den 1930er-Jahren bei Silbatone Acoustics. Sie stammen aus einer Zeit, als jedes Watt an Leistung der Röhrenverstärker äusserst wertvoll war und folglich der Wirkungsgrad der (Horn-)Lautsprecher sehr hoch sein musste. Die Tieftonwiedergabe war unglaublich sauber, leichtfüssig und authentisch. Der Vorführende bemerkte süffisant: Damals hätte man mit 6 Watt 1000 Personen beschallt. Heute würde man mit 1000 Watt 6 Personen beschallen!

Western Electric Kino-Hornlautsprecher aus den 1930-Jahren mit Silbatone-Röhrenverstärkern an der High End in München.Western Electric Kino-Hornlautsprecher aus den 1930-Jahren mit Silbatone-Röhrenverstärkern an der High End in München.

Der Trend geht heute auch im High-End hin zu kompakten Modellen. Und da kommt die Aktivtechnik nun mal sehr gelegen. Weil man einem übermässig geschrumpften High-End-Lautsprecher gerne keine ordentliche Basswiedergabe zutraut, können die Entwickler die verbliebenen Pfunde für eine tiefergehende oder brachialere Wiedergabe nutzen.

Eine beliebte Variante, gerade im oberen Preissegment, sind teilaktive Modelle mit einer Aktivierung nur des Bassbereichs. Auch damit lässt sich die übliche Magerkur umsetzen, ohne dass auf das geliebte Pröbeln mit dem Verstärkerklang verzichtet werden muss. Der aktivierte Bass ist dann auch gleich Subwoofer. Leistungsmässig fährt man damit gut, denn eine Mittelhochtoneinheit benötigt viel weniger Watt und der Impedanzverlauf ist unkritischer.

Vorteil der Magerkur ist auch die geringere Resonanzanfälligkeit des Gehäuses, gemäss dem Bonmot: «Grosse Lautsprecher – grosse Probleme, kleine Lautsprecher – kleine Probleme.»

Digitale Aktivtechnik zur Raumanpassung

Was nützt die beste Basswiedergabe, wenn die ungünstige Raumakustik diese zunichtemacht? Lästige Dröhntöne vergällen einem gerne den Musikgenuss, wenn stehende Wellen über Gebühr angeregt werden. Auch diesbezüglich punktet die Aktivtechnik, denn Dröhntöne lassen sich ermitteln und bedämpfen. Das Werkzeug sind DSP (digitale Signalprozessoren), die in zahlreichen Aktivlautsprechern und Subwoofern eingebaut sind. Die komplexe Thematik erfordert jedoch einen separaten Artikel.

Magerkur für die Musikanlage

Weil vollaktive Lautsprecher mit eingebauten DSP das Signal digital verarbeiten, liegt es auf der Hand, gleich ein Streaming-Modul einzubauen; fertig ist die komplette Hifi-Anlage und verschwunden sind externe Komponenten und Kabel. Bedient wird per Smartphone oder Tablet.

Was im Consumer-Hifi mit dem Erfolg von Marken wie Sonos begonnen hat, findet immer mehr auch im oberen Preissegment statt. Die traditionellen Lautsprecherhersteller taten sich lange schwer damit. Innovative Newcomer wie Kii Audio oder brandneu Syng Cell nutzen die Lücke. Mittlerweile haben aber auch grössere Hersteller solche Modelle entwickelt, bezeichnenderweise eher in den günstigeren Preisklassen, um die teuren Referenzprodukte nicht zu konkurrenzieren. Beispiele sind die Lautsprecher von Cabasse, Piega, Nubert, Canton oder Bowers&Wilkins.

Die Botschaft: Aktivtechnik ist für preiswertes High-End und hochintegrierte Anlagen eine tolle Lösung, aber für wirklich extravagante Musikanlagen sind nach wie vor klassische Komponentenanlagen mit Passivboxen das Mass der Dinge. Nur dort würden die besten Materialien verwendet und der grösste konstruktive Aufwand getrieben. Nur dort tummeln sich Entwickler-Legenden mit originellen Konzepten.

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Zudem besteht der Vorteil der Langlebigkeit: Passive Lautsprecher gehen kaum kaputt. Baut man Elektronik ein, droht schneller ein Defekt. Ist Digitaltechnik oder gar Streaming drin, so mutiert die Musikanlage zum kleinen Computer mit unliebsamen Folgen von ständigen Updates, Fehleranfälligkeit und schneller Alterung. Es ist an den Herstellern zu beweisen, dass sie dies im Griff haben.

Aktivtechnik aus dem professionellen Bereich

In Tonstudios hat sich die Aktivtechnik schon länger durchgesetzt. Auch dort sind kompakte Lautsprecher willkommen, da man sie öfters herumtragen muss. Jedoch sind die Ansprüche an die Wiedergabequalität andere als zuhause. Ein Studiomonitor muss höhere Pegel anstandslos verkraften, betriebssicher sein und eine hohe Genauigkeit der Wiedergabe leisten. Als Werkzeug stehen Kosten/Nutzen und Robustheit im Vordergrund. Schönklang ist nicht das Thema, und trotzdem darf stundenlanges Musikhören nicht nerven. Die Optik ist schnörkellos, meist ein Quader, der auf einen hohen Ständer gestellt wird. Sex-Appeal geht anders.

Weil sowohl die Nahfeld- wie die grossen Hauptmonitore in den stark bedämpften Studios hohe Pegel liefern müssen, sind Verzerrungsarmut, Energiemanagement und damit der Wirkungsgrad wesentliche Kriterien. Dies favorisiert die effizienteren Bassreflexkonstruktionen. Deren schlechtere Impulsantwort verglichen mit geschlossenen Systemen wird durch die deutlich niedrigeren Verzerrungen wegen niedrigeren Auslenkungen der Chassis aufgewogen.

Mit einer aktiven Hochpassfilterung lassen sich die drohenden Auslenkungen im subsonischen Bereich unterhalb der Abstimmfrequenz des Reflexkanals eliminieren. Dies im Unterschied zu passiven Reflexkonstruktionen. Soll das Reflexsystem auch hohe Pegel bis in tiefste Lagen liefern, sind der Magerkur aber Grenzen gesetzt. Denn in unterdimensionierten Reflexkanälen drohen Strömungsgeräusche. Mehr Spielraum bieten passive Membranen.

Aktive Schweizer Studiomonitore von PSI Audio, die sich auch fürs Wohnzimmer eignen.Aktive Schweizer Studiomonitore von PSI Audio, die sich auch fürs Wohnzimmer eignen.

Auch bei Studiomonitoren haben sich Class-D-Endstufen und DSP als Frequenzweichen und zur Raumanpassung etabliert. Die digitale Frequenzweiche erlaubt eine flexible Filterung und die zeitrichtige Perfektionierung der Wiedergabe. Der Aufwand zum Ertrag ist hervorragend. Renommierte Firmen wie Genelec, PMC oder Adam-Audio sind auch bei HiFi-Hörern beliebt. Nicht von ungefähr orientieren sich innovative High-End-Newcomer wie die schon erwähnten Kii Audio oder Airplain Acoustics an diesem Ansatz, verfeinern ihn aber mit eigenen Konzepten.

Unter den Herstellern von Studiomonitoren gibt es auch Traditionalisten, die der Analogtechnik die Treue halten und mit analogen Aktivfiltern und Class-A/B-Endstufen arbeiten. Die Möglichkeiten der Signalbearbeitung sind eingeschränkter, aber ein analoges Eingangssignal muss nicht digitalisiert werden und die schnelllebigere Digitaltechnik bleibt draussen.

In renommierten Studios weltweit findet man etwa den englischen Hersteller ATC, der auch High-End-Angebote führt. Ebenfalls analoge aktive Studiomonitore baut PSI Audio seit dreissig Jahren in der Westschweiz, neu auch eine Standbox fürs Wohnzimmer. Auch analog gelingt eine saubere Impulsantwort durch die Kombination aus phasenlinearer Filterung mit spezieller Regeltechnik für sämtliche Membranen. Ich selbst darf seit zwanzig Jahren auf die Dienste von PSI Audio für die extravagante Aktivbox Ella zählen.

Die Aktivlautsprecher «Ella» von Klangwerk bilden mit der Classé Vorstufe das komplette AudiosystemDie Aktivlautsprecher «Ella» von Klangwerk bilden mit der Classé Vorstufe das komplette Audiosystem

Studiomonitore wirken nicht unbedingt mager, doch sind die meisten Monitore bezüglich ihrer Grösse ziemlich basspotent. Sie nutzen also auch Kniffs, um aus kleinen Gehäusen einen grossen Klang zu zaubern – wenn auch in einer anderen Grössenklasse. Kombiniert werden Monitore mit (Streaming-/DAC-) Vorverstärkern, was ebenfalls die Musikanlage schrumpfen lässt.

Es bleibt spannend zu beobachten, wie die traditionellen High-End-Hersteller mit diesem Trend umgehen bzw. welchen Nutzen sie aus der Aktivtechnik ziehen werden. Das gut moderierte und nerdige «Forum für aktives Hören» ist eine Fundgrube, um sich mit dem Thema weiterführend zu beschäftigen.

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