Konzertsaal im Landenberghaus
Jürg Jecklin war auch dabei. Er bemerkte trocken: «Der Saal hat eine ausgezeichnete Akustik, vielleicht fehlt ihm etwas der Charme». Für Aufnahmen sei er jedoch perfekt geeignet. Vor einem Jahr haben wir Probeaufnahmen im Saal mit dem Ensemble Fratres & Hanspeter Oggier gemacht. Nach einem halben Tag Positionswechsel von Mikrofonen und Musiker fanden wir schliesslich das optimale Setup.
Die Musiker hatten sichtlich Spass daran und waren ausdauernd. Durch die im Saal aufgestellten Monitore konnten sie nach dem Spiel das Stück gleich anhören – die Debatte über das Ergebnis konnte losgehen. Auffallend war, dass kleinste Änderungen der Position hörbar wurden. Wie eine Lupe zoomte die Scheibe die Musik heran. Verblüffend wenig änderte sich jedoch der Raumeindruck, wenn man sich vor den Monitoren hin und her bewegte.
Auch bei stark seitlichen Hörpositionen blieb dieser stabil, ganz anders als bei Multimikrofonieaufnahmen. Jecklin erläuterte dies mit der exakten Kombination von Laufzeit- und Intensitätsstereofonie, die für eine echte Stereofonie wesentlich ist, die aber nur mit puristischen Aufnahmemethoden gelingt. Mischpulte sind nicht eingerichtet, um Laufzeitdifferenzen auszugleichen.
Jecklin war bei den Testaufnahmen pandemiebedingt per Video zugeschaltet und erhielt die Files der Proben zugesendet. Rasch war er mit Ratschlägen zur Stelle, welche für das Ergebnis wesentlich waren. Die beiden eingespielten Stücke können übrigens kostenlos aus dem Klangschloss-Shop heruntergeladen werden. So können alle Interessierten nachvollziehen, wie gute Scheibenaufnahmen klingen. Jecklin erteilte den Segen. Der Saal sei für solche Aufnahmen ideal geeignet und wäre er noch berufstätig, so würde er fortan den Saal immer für Aufnahmen buchen!
Ensemble Fratres & Hanspeter Oggier.
Johann Pachelbel, Kanon in D-Dur, P.37.
Rein zweikanalige Aufnahmen sind aktuell wieder im Trend, vor allem durch die Binaural-Technik, also optimale Aufnahmen für Kopfhörer. Diese bieten aber auch für Lautsprecher ähnliche Vorteile wie die Scheibe. Ein grosser Freund der Binaural-Technik ist David Chesky. Mit seinem Label Chesky Records vertrat er seit der Gründung vor 35 Jahren die Idee einer minimalistischen Aufnahmetechnik, um ein maximales Gefühl des Dabeiseins zu vermitteln.
Spitzentechnik für analoge Perfektion
Um die Qualität auf die Spitze zu treiben, wird das verwendete Equipment bei den Sessions erstklassig sein. Wenige, aber beste Zutaten sollen die Basis für klangliche Perfektion werden. Die Mikrofone wurden von Jecklin spezifiziert: Es müssen die Bruel&Kjaer-Kondensatormikrofone Typ 4003 sein, mit Diffusfeldaufsatz.
Pawel Acoustics spendet eine vor längerer Zeit entwickelte Röhren-Mikrofonvorstufe der Spitzenklasse. Aufgenommen wird mit der legendären Bandmaschine Nagra IV-S mit QGB-Adapter, ein Präzisionsinstrument und Kleinod.
Nagra stellt auch das Gerät für die parallel dazu laufenden Digitalaufnahmen, das Nagra Digital 6. Verkabelt wird alles mit den exklusiven «Klangleitern» von Vovox in Solid-Core-Technik. Für die Stromaufbereitung steht ein Trenntrafo von Torus Power zur Verfügung.
Auf dieser Basis darf man sehr gespannt sein auf die «straight2tape»-Doppel-LP, welche im Klangschloss 2023 vorgestellt wird. Geduld ist leider gefragt, denn die Presswerke sind im Moment komplett überlastet, die Wartezeiten riesig.
Handgemachte Musik aus Klassik, Folk und Jazz
Bei allen aufnahmetechnischen Feinheiten bleibt das Wichtigste die Musik. Den Auftakt am Freitag macht das Streichertrio Ensemble Fratres, ergänzt vom Panflötisten Hanspeter Oggier. Die exotische Kombination lässt bekannte Werke von Barock bis Filmmusik in neuem Licht erscheinen.
Am Samstag folgt das Trio Anderscht aus dem Appenzellerland mit zwei präparierten Hackbrettern und jazzigem Kontrabass. Urige Schweizer Volksmusik darf man bei dem programmatischen Namen nicht erwarten, jedoch eine musikalische Reise durch Klassik, Tango bis zu Rock. Ergänzt wird das Trio durch die Zürcher Violonistin Bettina Boller. Sie überrascht uns zudem mit einem raumgreifenden Solostück.
Am Sonntag fetzt die Saxophonistin Nicole Johänntgen mit ihrer Projektband Henry los. Ihr jazzy New Orleans Style Sound wird den Saal ganz schön zum Beben bringen. Mit nur zwei Mikrofonen aufgenommen zu werden, ist für alle Bands Neuland und sorgt bestimmt für Hochspannung.
Nicole Johänntgen testet die Akustik des Konzertsaals im Landenberghaus.
Auseinandersetzung über Musikaufnahme und -wiedergabe
Zwei der jeweils fünf 20 Minuten dauernden Sessions pro Tag werden live über sämtliche ausgestellten Musikanlagen der Messe wiedergegeben. Die Übertragung erfolgt digital in HiRes ins Schloss und analog im Landenberghaus. Damit kann unmittelbar beurteilt werden, wie gut ein musikalisches Ereignis eingefangen und wiedergegeben werden kann.
Es wird auch hörbar, wie stark die Wiedergabe von den unterschiedlichen Räumen und Anlagen geprägt wird. Die puristische 2-Kanaltechnik ist auch diesbezüglich optimal, denn sie suggeriert, dass die Lautsprecher quasi wie Periskope einen direkten Blick in den Konzertsaal erlauben. Die Debatte, die Jürg Jecklin mit der Erfindung seiner Scheibe anstossen wollte, wird im Klangschloss um ein Kapitel erweitert.
Live Recording Sessions à 20 Minuten:
Freitag, 8. April: 14/15/16/17/18 Uhr
Samstag, 9. April: 13/14/15/16/17 Uhr
Sonntag, 10. April: 12/13/14/15/16 Uhr
Live Broadcast à 20 Minuten:
Freitag, 8. April: 15/17 Uhr
Samstag, 9. April: 14/16 Uhr
Sonntag, 10. April: 13/15 Uhr
Session-Tickets:
https://www.klangschloss.ch/tickets
Gratis-Download und Doppel-LP-Vorbestellung:
https://www.klangschloss.ch/shop