Moderne Fernseher sind smart. Wenigstens theoretisch. Wenn es aber darum geht, beispielsweise Fotos und Filme von Handy auf den grossen Bildschirm darzustellen, stellen sich noch immer viele TV-Geräte zickig an. Denn sie verlangen, dass ihr Besitzer smart ist. Er muss sich mit TV-Apps, Handy-Apps und Vernetzungsfragen herumschlagen. Dabei unterscheidet sich die Bedienung von Hersteller zu Hersteller und oftmals benötigen sogar verschiedene TV-Modelle einer Marke unterschiedliche Tricks.
Lösungen von Google und Apple
Apple und Google haben deshalb massgeschneiderte Lösungen entwickelt, um Fernsehgeräte fit für Mobilgeräte und Internetinhalte zu machen. Apple feiert mit ihrem Apple TV nun bald das 10-jährige Jubiläum. Im Frühling 2007 wurden die ersten Fernseherweiterungsboxen von Apple ausgeliefert. Die eher voluminöse Box kostete damals noch über 300 Franken und beinhaltete eine 40-Gigabyte-Festplatte.
Inzwischen ist Apple TV bei der 4. Generation angelangt. Die Box hat die Grösse einer quadratischen Untertasse und kostet inklusive 32 oder 64 Gigabyte Speicher rund 170 beziehungsweise 230 Franken. Spezielle für Apple TV geschriebene Apps können direkt auf der Box ablaufen. Dazu gehören insbesondere Video-Streaming-Apps (Netflix und Co.), zahlreiche Games sowie Multimedia-Apps (Plex, iTunes, Kodi). Bedient wird der neuste Apple-TV mit einer kleinen Fernbedienung mit Tasten, Touch-Fläche und Bewegungssensoren.

Google hatte seinen ersten TV-Adapter im ersten Modell auf die Grösse eines Plastikfeuerzeugs geschrumpft. Die inzwischen erhältliche 2. Generation hat Grösse und Form eines Eishockey-Pucks. Der Chromecast kostet lediglich 40 Franken, enthält aber nur 0,25 Gigabyte Speicher. Eine Fernbedienung gibt es nicht, die Steuerung erfolgt zwingend über ein Mobilgerät oder den Chrome-Browser.
Das Chromecast-Konzept sieht keine komplexen Apps auf dem Adapter vor. Die Bild- und Videodaten werden meist gestreamt. Allerdings kann Chromecast die Verbindung in Heimnetz oder Internet autonom aufrechterhalten, ein gemieteter Kinofilm spielt also weiter, auch wenn das Mobilgerät ausgeschaltet wird. Witzig ist die Multiuser-Funktion von Chromecast, bei der beispielsweise mehrere Handy-Besitzer parallel Scrabble auf dem TV spielen können.
In unserem Zweikampf mussten die Adapter von Google und Apple zeigen, wie sie sich in den wichtigsten Disziplinen am TV schlagen.

1. Youtuben, netflixen und Co.

Die meisten Smart-TVs können Filme aus dem Internet mittels eigener TV-Apps direkt abspielen. Die Bedienung mittels TV-Fernbedienung ist dabei aber meist hakelig.
Einfacher ist es, beispielsweise ein YouTube-Video auf dem Mobilgerät auszuwählen und dann die Wiedergabe auf das TV-Gerät via Chromecast oder Airplay (Apple) umzuleiten. Das klappt sowohl mit Apple TV als auch mit Chromecast simpel und problemlos. Die YouTube-App auf dem Mobilgerät verfügt nämlich einfach über das passende Symbol für beide Boxen. Wird dieses angetippt, wird die Wiedergabe umgeleitet. Vor allem bei Chromecast kümmert sich dann der Stick selber um die Internetverbindung, das Mobilgerät kann dann also abgeschaltet werden.
Inzwischen gibt es Hunderte Medien-Apps, welche Apple TV und Chromecast direkt unterstützen. Dazu gehören die Mediatheken der Fernsehsender (Arte, SRF, ARD, ZDF), Live-TV-Streamingdienste (Zattoo, Teleboy, Wilmaa), Musikstreamingdienste (Spotify, Deezer, TuneIn Radio), Filmmietdienste (iTunes, Google, Netflix, Viewster) und Abspielhelfer für lokale Musik- und Filminhalte (Plex, Infuse). In der Praxis unterscheiden sich dabei die zwei Lösungen kaum. Lediglich wenn es um Markeninhalte geht, wie beispielsweise die Filmmiete via Apples iTunes oder Google, bieten die herstellereigenen Lösungen mehr Komfort.
Immer häufiger funktioniert dabei auch die Verwendung „über Kreuz“. Das heisst auf der Android-App von Spotify lässt sich problemlos auch Apple TV verwenden. Und die iOS-App von Zattoo kommt problemlos mit Chromecast zurecht.
In diesen Szenarien sind Chromecast und Apple TV ebenbürtig. Eine Ausnahme sind Apps, die direkt auf dem Apple TV installiert werden können. Hier profitiert man von der zusätzlichen Rechenleistung der Apple-TV-Box, der Bedienmöglichkeit ohne Handy. Ferner ist die Internetanbindung bei Apple TV zuverlässiger, weil eine Ethernetdose vorhanden ist.
Bei den Apps für Film- und Musikgenuss aus dem Heinmetz hat uns insbesondere Plex begeistert. Eine passende App ist für Apple TV verfügbar, unter Android kann die Abspiel-App auf den Mobilgeräten Chromcast und Apple TV ansteuern.
2. Mach mich gross

Eine wichtige Funktion von Apple TV und Chromecast ist, Fotos und Filme, die sich auf dem Mobilgerät befinden, auf dem grossen TV-Bildschirm abzuspielen. Diesen Trick beherrschen beide Lösungen perfekt innerhalb ihrer Familie. Unter iOS lässt sich mit einem Fingertippen aus der Foto-App ein Bild oder Video auf den Fernseher „beamen“. Genauso simpel geht es unter Android mit dem Chromecast-Stick. Beide Lösungen unterstützen maximal Full-HD-Auflösung (1920 x 1080) und skalieren Fotos auf maximale Dimensionen.
Geht man mit seinem Mobilgerät fremd und beamt von einem Androiden auf Apple TV oder von einem iPhone auf den Chromecast, verliert man in beiden Fällen Komfort. Machbar bleibt es aber weiterhin. Dafür sorgen vor allem spezialisierte Apps wie Allcast (Android) oder Mirroring 360 (Android). Solche Apps beamen grundsätzlich alle Medieninhalte auf unterschiedlichste Geräte (Apple TV, Chromecast, DLNA).
Im Test zeigte sich Apple TV zickiger in der Zusammenarbeit mit Androiden als die iPhone-Chromecast-Kombination. Während Chromecast ein offener Standard ist, sperrt Apple immer wieder fremden Apps den Zugriff auf Airplay und Apple TV.
Eine recht witzige App auf dem neuen Apple TV ist Photowall+ (5 Franken). Wird sie gestartet, können an einer Hausparty alle Gäste eine kostenlose iOS-App installieren und dann Fotos direkt an den TV senden. Dort laufen sie als Diashow App und landen im Cloud-Speicher des TV-Besitzers. Ein ähnlicher Dienst auf Chromecast ist leider zurzeit nicht mehr verfügbar.
Fazit: Wer in einer reinen Androiden- oder iOS-Welt lebt, sollte sich für Foto- und Filmbetrachtung auch den zugehörigen Adapter kaufen. Ist ein Mischbetrieb zwingend, funktioniert das mit Chromecast eher und vor allem günstiger als mit Apple TV.

3. Spieglein, Spieglein …

Eine zweites Anwendungsszenario für die TV-Adapter ist die simple Spiegelung des Bildschirminhaltes von Tablets und Smartphones. Das funktioniert in der Praxis recht intuitiv und mit wenig Zeitverzögerung. Die Bildschirmauflösung am TV ist dabei aber subjektiv viel schlechter als auf dem Mobilgerät. Erstens wird die Auflösung auf Full-HD oder gar nur 720p reduziert und zweitens auf ein grosses Format aufgeblasen.
Ein Problem ist auch, dass die meisten Handy-Apps für hochformatige Nutzung ausgerichtet sind. Der TV ist aber ein Querformat-Gerät. Bei der Spiegelung bleibt dann vieles schwarz. Letztlich muss auch die WLAN-Verbindung ausreichendes Tempo bieten, damit es nicht ruckelt.
Sowohl unter Android als auch unter iOS lässt sich die Spielgelung einfach aktivieren. Bei Apples-Geräten klickt man im Swipe-Menü auf das Airplay-Symbol und aktiviert dann dort den leicht kryptischen Schiebeschalter „Bildschirmsynchr.“. Unter Android muss man die Chromecast-App starten und dort im Menü den Eintrag „Bildschirm/Audio streamen“.
In der Praxis können danach auch Technik-Dummies Bilder, Webseiten und Filmchen auf dem grossen TV anzeigen, weil sich die Bedienung dabei nicht von der Mobilnutzung unterscheidet. Der Modus ist allerdings ein Akku-Fresser. Unser Galaxy S6 verwandelte sich dabei sogar in einen recht heizintensiven Handwärmer.
4. Von Notebook und PC zum TV

Wer den Bildschirminhalt von Notebook oder Desktoprechner kabelfrei auf den Fernseher bringen will, kann ebenfalls die Funktionen von Chromecast und mit Windows-Bastelei auch von Apple TV nutzen.
Der Bilschirminhalt von Windows und OS-X-Rechnern lässt sich 1:1 an Chromecast streamen. Dazu muss man allerdings den Chrome-Browser und das Chromecast-Plugin installieren.
Im Normalfall wird nun einfach der Inhalt des Browserfensters auf den Fernseher übertragen. Mit einem Trick kann man aber auch den kompletten Bildschirminhalt, also den Inhalt sämtlicher Programme übertragen lassen. Dazu muss man im Chrome-Browser erst auf das Chromecast-Symbol klicken. Dann klickt man auf das versteckte kleine Dreieck und abschliessend auf „Bildschirm/Fenster übertragen“. Nun erfolgt ein komplettes Mirroring des PC-Bildschirms. Dabei kann es aber auch mal zu Abstürzen kommen.

Wer ein modernes Windows-Notebook und einen passenden Fernseher mit WiDi-Logo besitzt, kann auch die Intel-Technik Wireless Display (WiDi) oder Miracast nutzen. In der Praxis haben wir aber mit der nötigen Installation von Treibern und wackeligen Verbindungen mehr Stress als Freude gehabt.
Will man den PC-Bildschirm via Apple TV auf den Fernseher spiegeln, muss man entweder einen Mac besitzen oder basteln. Denn Apple unterstützt das Mirroring nur unter OS X. Windows-Anwender müssen Alternativen wie Mirroring360 installieren. Damit lässt sich der Windows-Bildschirm live via Apple-TV auf den Fernseher streamen. Der Fernseher lässt sich so sogar als zusätzliche Arbeitsfläche (erweiterter Desktop) nutzen.

5. Ein Spielchen zwischendurch

Grösster Vorteil des neuen Apple-TV gegenüber der Chromecast Lösung sind autonome Apps. Diese sehen ähnlich wie iOS-Apps aus, müssen aber speziell für die TV-Box erstellt und gekauft werden. Apple hat bereits über 2000 Apple-TV-Apps im Angebot.
Demgegenüber gibt es für Chromecast kaum autonome Programme, Speicher und Rechenleistung sind dafür zu knapp. Eine Liste findet sich hier. Wer mehrere Mobilgeräte mit einem Chromecast parallel verbindet, kann auf seinem TV sogar simple Multiplayer-Games, wie beispielsweise Scrabble, zocken.
Für Apple TV 4 gibt es neu auch richtige Apps für den Fernsehkonsum (Zattoo, Teleboy) und sogar erstaunlich actionreiche Spiele. Vorzeigeobjekt ist dabei das Autorennspiel Asphalt8. Bei diesem rast man mit einem Sportwagen durch eine virtuell erzeugte Landschaft. Die Bildqualität ähnelt dabei dem von Xbox und Playstation gewohnten Standards. Als Steuergerät steht normalerweise aber nur die Fernbedienung des Apple-TV zur Verfügung. Diese bietet eine Anzahl Drückknöpfe, ein kleines Trackpad und einen Lagesensor. Beim Autorennen hält man also die Fernbedienung zwischen zwei Händen. Kippt man sie nach links, kurvt der Rennwagen in dieselbe Richtung. Das Ganze hat zwar einen hohen Spass- aber einen bescheidenen Realitätsfaktor.
Wer nicht zwingend auf solche Apple-TV-Apps angewiesen ist, kann sich auch das ältere, günstigere Modell der Erweiterungsbox für rund 80 Franken kaufen. Rund 90 Prozent der Funktionen lassen sich auch darauf nutzen. Ein Vergleich der beiden Apple-TV-Modelle findet sich hier.
Neben der Fernbedienung lässt sich Apple TV auch via eine Remote-App auf iOS-Geräten steuern. Insbesondere wenn es darum geht, Login-Daten von Internetdiensten einzutippen, ist das deutlich komfortabler, als die Klick-Orgie mit der Originalfernbedienung.

Fazit:
Im mehrtägigen Praxistest haben sich sowohl die neue Apple-TV-Box als auch Chromecast bewährt. Wer in einer Apple-Welt lebt, wird sicherlich mit dem Apple-TV glücklicher. Er muss dafür aber auch recht viel Geld ausgeben. Insbesondere in Details zeigt die Apple-Lösung ihre Stärken. So lassen sich beispielsweise Fotos mit Apple-TV während der Anzeige auch mit Fingergesten zoomen. Weil Apple-TV über eine eigene Fernbedienung verfügt, muss man auch nicht immer sein Mobilgerät suchen.
Apple-TV hat ferner den Vorteil, über einen Ethernet-Anschluss zu verfügen. Bei Chromecast muss ein passender Adapter für 20 Franken gekauft werden.
Audiogeräte lassen sich bei beiden nur via HDMI einbinden. Das ältere Apple-TV (Gen. 3) verfügte noch über einen optischen Audioausgang. Google bietet mit Chromecast-Audio (40 Franken) einen speziellen Adapter für Audio-Geräte. Diese werden dann via Analog-Klinke angeschlossen.
Wer noch immer mit Kabeln zwischen Handy und Fernseher rumfummelt, sollte sich aber auf jeden Fall umbesinnen. Vor allem weil der Chromecast-Adapter weniger kostet, als ein gutes Kabel.
