
Unter den heutigen Verstärkertypen gibt es eine erfreuliche Vielfalt: Class-A, Class A-B, Class-D, Röhrenverstärker und zahlreiche Fantasienamen beleben das Feld. Tatsache ist, dass der gute, alte Class-A-Verstärker, trotz seines nicht gerade niedrigen Stromverbrauchs, immer noch viele Freunde unter den audiophilen Feinschmeckern hat.
Unser Test zeigt am Beispiel des Sugden A21SE, weshalb das so ist.
UK High End-Schmiede mit Tradition
Anno 1960 gründete James Edward Sugden die Research Electronics Ltd und stellte hier hochpräzise Messgeräte her. Rund sieben Jahre später begann er seine ersten transistorisierten Class A-B-Verstärker als Gegenstück zu den klassischen Röhrenverstärkern in der J E Sugden&Co Ltd zu produzieren.
Doch rasch bemerkte Sugden, dass diese Art von Verstärker einen rauen, unangenehmen Klang brachte und entwickelte seinen ersten reinen Class-A-Verstärker, den Si 402. Parallel dazu produzierte er den Si 403 Class-A-B Verstärker mit annähernd gleicher Leistung und stellte intensive klangliche Vergleiche an. Er stellte fest, dass sich die beiden Verstärkerarten bei erhöhter Lautstärke kaum unterschieden, bei leisen Pegeln jedoch drastisch. Das konnte er auch messtechnisch belegen: Die Klirrfaktoren der Geräte waren bei maximaler Leistung annähend identisch, bei leisen Pegeln stellte der Class-A-Verstärker seinen Widersacher in den tiefsten Schatten.
Aufgrund dieser Tatsachen - Klang und Messungen – beschränkte sich Sugden, mit einer späteren Ausnahme, auf Class-A-Verstärker, die er in den verschiedensten Varianten anbot. 1964 brachte Sugden unter dem Richard Allen-Label den A21 Stereo-Vollverstärker mir 2 x 10 Watt auf den Markt. Kurz darauf folgten noch leistungsfähigere Modelle. Um das Jahr 1968 herum erschien der AE21 dann unter dem Sugden Label. In den achtziger Jahren folgte der moderne A21 Series 2 Class-A-Verstärker.
Der hier getestete A21SE ist der jüngste und leistungsfähigste Spross in dieser Familie und mit 3700 CHF auch der teuerste.
Single-ended und Class-A

Der hier geprüfte Verstärker arbeitet nach dem Single-ended-Prinzip. Dies bedeutet, dass die Ausgangsstufe die ganze Signalschwingung in einem Stück verarbeitet, ganz im Gegensatz zu den heute meist anzutreffenden Push-Pull-Verstärkern, bei denen der positive und der negative Teil der Schwingung im Null-Durchgang zusammengesetzt werden. Dieses Zusammensetzen führte in der Vergangenheit oft zu den gefürchteten Übernahmeverzerrungen. Bei jedem Nulldurchgang zeigte sich eine kleine Impulsspitze, die zu hörbaren Verzerrungen führte.
Der Class-A-Betrieb bedeutet, dass immer der gleich hohe Strom durch die Endstufe fliesst, egal ob Musik gehört wird oder nicht. Das ist natürlich energietechnisch nicht gerade das Wahre, und der A21SE Verstärker entwickelt mit seinen 300 Watt Dauerkonsum zudem eine recht hohe Wärme, die über grosse Kühlkörper abgeführt werden muss.
Dadurch ergibt sich, dass auch Class-A-Verstärker mit mässiger Leistung, in unserem Falle 2 x 30 Watt an 8 Ohm und 2 x 40 Watt an 4 Ohm, immer relativ gross ein müssen. Sie eignen sich somit ganz und gar nicht als PA-Verstärker, die den ganzen Tag im Einsatz sind, viel Leistung verbraten und Hitze ausströmen. Es sind Geräte für audiophile Feinschmecker, die zur abendlichen Stunde ein paar Stündchen herrliche Musik in gemässigten Lautstärken geniessen wollen.
Unvergleichlich?
Doch Class-A-Freaks sehen genau in diesem hohen Dauerstrom einen grossen Vorteil: Die volle Leistung liegt immer direkt (!) an den Endtransistoren und muss nur noch zu den Boxen umgeleitet werden.
Beim Class-A-B Verstärker wartet die Leistung im etwas entfernten und über ein Kabel verbundenen Netzteil, bis sie abgerufen wird. Das könnte dann zu folgender, witzig gemeinten Story führen: Die Endtransistoren rufen zum Netzteil: „Haben von der Vorstufe den Auftrag erhalten, einen 20 Watt Impuls zu den Lautsprechern zu leiten. Sende uns so rasch als möglich den verlangten 20 Watt Impuls“. Das Netzteil antwortet darauf hin: „Verstanden! Gebe sofort den verlangten Impuls auf die Leitung - dauert halt etwas, bis er bei euch ankommt!“ So behaupten die Class-A-Freaks, man könne Class-A-Leistung eben nicht mit derjenigen eines konventionellen Class A-B oder gar Class-D-Verstärkers vergleichen.
Das Ganze hat natürlich auch recht viel mit Glauben und Religion zu tun. Doch warten wir ab, was der Hörtest bringt.
Handmade in UK

Sugden gehört zu jenen englischen Firmen, die schon rein von Stückzahlen her weder auf Bestückungsroboter noch die Herstellung am Laufband schwören. Nein, hier gilt die gute alte und liebevolle Handarbeit. Jeder Verstärker hat einen Götti, also einen Mitarbeiter, der für das sorgfältige Entstehen des Gerätes verantwortlich ist und der ganz und gar kein Interesse hat, wenn Geräte aus seinem Bereich des öfteren zur Reparatur kommen.
Doch zur Handarbeit gehören auch hochwertige Komponenten und gerade im Falle eines gewichtigen Class-A-Verstärkers ein stabiles Chassis. Und schon der erste Anblick schafft Vertrauen: Die so genannt „durchschusssichere“ Frontplatte aus 10 mm Aluminium schafft Vertrauen. Das Design ist schlicht und schnörkellos, wie es sich für ein geschmackvolles High End-Gerät so gehört. Auf der Rückseite sind massive und vergoldetete Lautsprecherklemmen und ebenfalls vergoldete Cinch-Anschlüsse angebracht.
Ein Blick ins Innere zeigt einen tadellos sauberen Aufbau, handselektionierte Bauteile, relaisgesteuerter Eingangswähler, einen Ringkerntrafo mit ausgetüftelter Wicklung und ein motorgetriebenes Potentiometer, das via Fernsteuerung die Lautstärkeregelung vom Lehnstuhl aus erlaubt. Mit einer Bandbreite von 6 Hz bis 280 kHz gehört der A21SE zu den schnelleren Verstärkern.
Die Ausstattung ist echt spartanisch: Fünf Line-Inputs, ein Tape- und ein Preamp-Ausgang, ein Paar Lautsprecherklemmen, Lautstärkeregelung via Drehknopf und RC5-Fernsteuerung, ein grosser Drehknopf für die Eingangswahl, und schon hat es sich. Für Phono-Freunde hat Sugden spezielle Phono-Vorstufen bereit.
Das Test-Umfeld

Der AE21SE wurde während rund dreier Monate sowohl intensiv als Referenz-Verstärker für meine Hi-Resolution-Rezensionen als auch zum genüsslichen Abhören meiner Lieblingsmusik benutzt.
Das weitere Umfeld bestand aus folgenden Komponenten: MacBook Pro mit AudirvanaPlus Player, DAC KingRex UD384 mit Akkuspeisung und DAC ami DS5. Die Piega Coax 10.2 wurden gewählt, weil gerade das Coax-Bändchen die Charakteristik eines Verstärkers extrem genau darstellen und sowohl erfreuliche wie auch unerfreuliche Eigenschaften gnadenlos aufdecken kann. Hi-Resolution-Software in allen musikalischen Stilrichtungen ermöglichten eine genaue Beurteilung in Sachen Feinzeichnung, Leistung und Impulsfestigkeit.
Genuss-Verstärker
Als erstes interessiert, was man eigentlich mit einer Leistung von rund 2 x 40 Watt an 4 Ohm-Boxen mit relativ hoher Empfindlichkeit um 90 db/W/m so alles anstellen kann. Schon im Test „Swiss Audio Precision“ mit der Piega Coax 10.2 wurde untersucht, mit welchen Leistungen man in der Regel im trauten Heim Musik hört.
So zeigte es sich, dass in kleineren bis mittelgrossen Räumen - bei normalem Hören - meist mit Leistungen um 5 Watt bis 10 Watt pro Kanal gehört wird. Bei erhöhter und für normale und gesunde (!) Ohren auf die Dauer fast zu hoher Lautstärke können es aber gut und gerne schon mal 20 Watt oder gar 30 Watt sein.
Erst wenn man versucht, ein Drum-Solo mit live-gerechten Pegeln in den Abhörraum zu zaubern, steigt der Leistungsbedarf sprunghaft in Regionen von 100 W, 200 W oder noch höher an. Der Sugden Class A Verstärker ist somit ganz klar fürs genüssliche Abhören in gemässigter Lautstärke und nicht für den Dauer-Einsatz als PA-Verstärker gedacht.
Impulsiv und feinzeichnend

Die hier zur Verfügung stehende, begrenzte Leistung bedeutet aber ganz und gar nicht, dass dieser Verstärker brav oder gar müde klingen muss!
Ganz im Gegenteil: Der Hörtest zeigt sofort, dass er ein Meister der Impulswiedergabe ist. Wie der Sugden A21SE die Saiten von Gitarren, Harfen und sogar von Kontrabässen anpackt, ist atemberaubend. Schnell, knackig und traumhaft präzis erscheint das Anzupfen, und das Ausklingverhalten ist ebenso packend wie der Abgang bei einem exzellenten Wein.
Doch auch in Sachen Klangschönheit gibt sich dieser Class-A-Verstärker keine Blössen. Bei anspruchsvollsten Streicherklängen, Solo-Stimmen und Choraufnahmen gibt der A21SE einen unglaublich differenzierten Klang zum besten, der vor Obertönen nur so strotzt, aber dennoch nie grell oder gar metallisch wirkt. Absolut faszinierend ist es bei barocken Werken zu hören, wie die leisen und sehr feinen Impulse des Begleit-Cembalos exzellent definiert und klar hörbar werden, während sie von anderen Verstärkern sträflich vernachlässigt werden. Schmetternde Blechbläser verblüffen bis zu beachtlichen Schallpegeln durch hohe Dynamik und ein strahlendes Klangtimbre. Erst bei fast nervender Lautstärke beginnt der AE21SE weich und nicht schreiend grell zu clippen.
Sehr breit und abgrundtief erscheint die Klangbühne bei Orgelmusik und grossorchestralen Werken. Die räumliche Tiefenstaffelung ist exzellent. Und auf die Tonlagen bezogen stellt man hocherfreut fest, dass der AE21SE vom tiefsten Kontrabass bis zum höchsten Pikkolo alles im Griff hat.
Right-Fidelity
Einem bestimmten Kangcharakter lässt sich dieser Verstärker nicht zuordnen. Er huldigt weder dem Röhrensound, noch hat er das krispelige, nach hart tendierende Element vieler topmoderner Class-D-Verstärker. Er klingt weder betont warm, noch hell oder gar bassig, sondern ganz einfach richtig!
Bei Hard-Rock, Synthesizerklängen und Techno, so wage ich mal die Behauptung, kommen die Qualitäten dieses Gerätes kaum ganz zum Tragen, und die Unterschiede zu konventionellen Verstärkern werden deutlich geringer. Zwar bringt er alle Klang-Informationen mit gehörigem Druck, doch liegen seine Talente eher auf der Unplugged-Seite, also bei der Wiedergabe natürlicher, elektronisch unverstärkter Instrumente.
Fazit

Der Sugden AE21SE Class-A-Verstärker ist ganz klar ein Instrument für Geniesser, die täglich für einige Zeit in höhere geistige und klangliche Ebenen entschweben möchten. Für die Fans brachialer Schallpegelorgien und für den Dauer-Einsatz in Discos, Garagen und ähnlichen Gebäuden empfehlen sich ganz klar andere Verstärker-Typen. Klanglich bietet der Sugden AE21SE einen impulsfreudigen und feingezeichneten Klang, den man in dieser Charakteristik eben nur bei echten Class-A-Verstärkern findet.