In München wurde mir schnell bewusst: Deutschland ist wirklich der «grosse Bruder» der Schweiz – alles ist grösser, voller, weiter. Zu Fuss geht hier wenig, U-Bahn oder Uber sind Pflicht, besonders zum MOC im Norden, wo die High End stattfindet – das sollte man wissen, sonst steht man schnell mal «mit den Rollschuhen auf dem Kies …» (Blues Max).
Auch auf dem Messegelände selbst braucht man Orientierungssinn und gute Planung. Ich habe mich im Vorfeld mit dem Ausstellerverzeichnis auseinandergesetzt, mir Notizen gemacht – ähnlich wie damals bei einer Weinmesse in Zürich, wo ich mir vorher markiert habe, welche Tropfen ich unbedingt probieren wollte. Aber wie das so ist: Schon zu Beginn lief alles anders als geplant. Statt wie vorgesehen in Halle 1 zu starten, stand ich plötzlich mit hunderten anderen Besuchern vor Halle 4 – in einer dichten Menschentraube, aus der es kein Entrinnen gab. Mein Presseausweis half da wenig – ich war nur einer von 580 weiteren Medienmenschen.

Trotz allem war die Messe eindrucksvoll. Ich liess mich treiben, oft fern meines Plans. Wie beim Wein denkt man sich: «Nur noch dieses eine Set-up hören …», und plötzlich sind sechs Stunden vorbei, der Kopf voll, die Sinne müde. War das nun besser – oder einfach nur anders? Eine fantastische Erfahrung war es allemal.
Jetzt will ich meine Eindrücke ordnen – denn trotz der Orientierungslosigkeit habe ich viele Highlights entdeckt, die ich gern teilen möchte.
Grosses Kino!
Wenn schon «Big», dann aber mit Sicherheit an der High End München! Wobei, die ganz riesigen Trichter-Lautsprecher aus den 90ern habe ich nicht mehr gesehen – die wären wohl aufgefallen. Dennoch gab es wortwörtlich «grosses Kino» zu sehen und zu hören.

Vor dem Auditorium 4.1 empfängt die Besuchenden ein ästhetisches Kunstwerk an Lautsprecherbau – quasi eine Skulptur von Martin, die «Supreme extreme». Das 5-Wege-Lautsprecher-Flaggschiff kostet, je nach Ausführung, zwischen 500'000 und einer Million Euro. Da wäre mein bisheriger Lieblingslautsprecher von Martin, die Coltrane Quintet mit 150’000 bis 200'000 Euro schon fast ein Schnäppchen.

Zwei «Flächenstrahler» – Sie merken, es wird von Fläche gesprochen, müssen auch erwähnt sein: Die Magnepan 1.7 überzeugen ästhetisch und klanglich. Für die untersten Oktaven (die LRS+ geht bis 50 Hertz runter) braucht es dann doch noch ein «Subi».

Die Zweiten, die ich ansprechen will, sind die «Bändchen-Lautsprecher» von Clarisys Audio aus Florida. Mit ihren immensen Flächen haben sie keine Mühe mit dem Bassbereich. Die Lautsprecher gibt’s übrigens nicht nur in XXL, sondern auch in europäischen Grössen, und alle, die ich kenne, die den Lautsprecher gehört haben, sind dessen Klang-Faszination erlegen.

Ein Plattenspieler vom deutschen Hersteller Acoustical Systems, war so gross, dass man dafür einen separaten Erker am Haus anbauen müsste.

Transrotor Tourbillon steht mit seiner Chrom-Plexiglas-Plattenspieler-Konstruktion nicht weit hinten an, wirkt aber wegen des Plexiglases erheblich luftiger.

Der asiatische Hersteller ESD mit seinen überdimensionierten Hornlautsprechern versprühte trotz der Grösse der Halle einen füllenden und stimmigen Klang. Und trotz des Schallpegels nervt es mich, als hinter mir die «Kollegen» ihre bisherigen Erfahrungen von der High End lauthals resümierten und ich mir ein schweizerisches «Pssst!» nicht verkneifen konnte. Erstaunt stellte ich fest, dass diese leicht bissige Geste wohl auch in Deutschland verstanden wird.

Und ja, die Plasma-Lautsprecher MBL 101 X-Trem MK 2 durften auch dieses Jahr nicht fehlen. Bei stündlichen Vorführungen lauschten wohl zu viele Ohrenpaare mit, sodass für mich gegen Messe-Ende kein Wohlklang mehr übrig war.

Die Hornlautsprecher von Anima, die aussehen wie eine Kreuzung aus einem italienischen Zingali-Lautsprecher und einer überdimensionierten Schachfigur (Turm). Und genau so klingen sie: Holz und Stein, Wärme und Monumentalität.

Die etwas wie schwarze Särge anmutenden Enigma-Lautsprecher erweckten mich mit ihrem dynamischen, farbigen, druckvollen Sound erstaunlicherweise dann eher zu neuem Leben.

Auch die Avalons sind bekannt für ihren Hang zu einem gewissen «morbiden» Design.

Die seit 30 Jahren im deutschen Rosenheim angesiedelte Firma Audiaz trumpfte mit der weltweit grössten Diamantmembran (90 mm) und einem sehr feinsinnigen Klangbild ihrer Opera Grandezza auf.
Bekanntes neu arrangiert

Der Harbeth P3ESR-XD2 ist der überarbeitete Nachfolger der beliebten P3ESR-XD. Kompakt, natürlich im Klang und mit feiner Detailauflösung – typisch Harbeth.

M2 ist für ihre herausragende Klangklarheit, Tiefenstaffelung und Authentizität bekannt – mittlerweile kein Geheimtipp mehr. Mit einem Preis von 175'000 Euro bleibt sie jedoch hierzulande eher ein Nischenprodukt.

Die dCS-Streamer Vivaldi und Rossini zeigten an den legendären Wilson Watt/Puppy ihr volles Können. Technisch wie klanglich High-end pur: detailreich, dynamisch und absolut präzise – ein beeindruckendes Zusammenspiel zweier Spitzenmarken.

Die Grimm LS 1c – ich mag sie noch immer – unaufgeregt, aber absolut zeitrichtig und daher mit einem stimmigen Klangbild. Die LS1c überzeugten durch ihre Kohärenz.

Die japanischen Verstärker Esoteric SO5 kombiniert mit TEAC-Elektronik aus dem gleichen Hause, an kleinen Marten-Lautsprechern – würde ich sofort nehmen (leider aber nicht kaufen können …). Joe Cockers «Cocaine» auf dieser Kombi: Droge pur.
Subjektiv Langweiliges
Es wurden eine ganze Menge Kabel angeboten. Von ganz einfachen «Strippen» bis hin zu kunstvoll geflochtenen Modellen, die preislich ganz in einer ähnlich exklusiven Liga spielten. Auf Messen fällt es mir immer schwer, damit etwas anzufangen. Ein Kabel für 10'000 Franken kann ich kaum antesten, um herauszufinden, wie gut es wirklich ist und ob es diesen Preis tatsächlich rechtfertigt – was eher unwahrscheinlich scheint. Dennoch gibt es wohl Käufer, die sich damit trösten, dass zumindest ihr Lautsprecherkabel nicht der Schwachpunkt in ihrer geliebten HiFi-Anlage ist – sei es drum.



Plattenwaschmaschinen so weit das Auge reicht. Solche, die mit Ultraschall reinigen, andere, die zuerst einen Lack auftragen, um diesen in einem zweiten «Waschgang» wieder gründlich, zusammen mit allen Fusseln, zu entfernen.
