Action mit 4K-Crop
Die EOS R speichert Videoaufnahmen als MP4-Dateien im MPEG-4 AVC/H.264 Codec ab. Bei der Kompressionsmethode kann zwischen bidirektional (IPB) oder ALL-I gewählt werden. Bei ALL-I werden alle Videobilder als sogenannte Intraframes abgelegt, die sämtliche Informationen in allen Einzelbildern enthalten. Dies benötigt weniger Leistung bei Wiedergabe oder Videoschnitt, kostet jedoch mehr Speicherplatz gegenüber IPB, wo nach einem sogenannten I-Frame nur noch die Unterschiede der folgenden Frames gespeichert werden.
Bei der Videogrösse bietet die Kamera HD (1280 x 720 Pixel), Full HD (1920 x 1080) und 4K/UHD (3840 x 2160) an. Die Cinema-Grösse DCI-4K (4096 x 2160) wie bei der 5D Mark IV gibt es nicht. Bei 4K/UHD sind Bildraten bis zu 30, bei Full HD und HD bis zu 60 Bilder pro Sekunde möglich (NTSC-Einstellung). Die maximale ununterbrochene Aufnahmezeit für eine Videosequenz beträgt generell 29 Minuten und 59 Sekunden, danach muss der Video-Auslöser erneut betätigt werden.
Die EOS R beherrscht ebenfalls Zeitlupen-Aufnahmen. Doch auch hier fragt man sich, was sich Canon dabei gedacht hat. Die Aufnahme erfolgt mit maximal 120 Bildern pro Sekunde für längstens 7 Min. 29 Sek., was dann eine Zeitlupen-Wiedergabe mit 1/4 der Geschwindigkeit ergibt. Die Aufnahmen sind jedoch nur in HD-Auflösung (1280 x 720 Pixel), ohne Ton, ohne digitale Bildstabilisierung und ohne Autofokus möglich! Also eigentlich unbrauchbar.
Noch unverständlicher und ebenfalls viel zu diskutieren gibt der Crop-Faktor bei 4K/UHD-Aufnahmen. Im Handbuch heisst es dazu lapidar: «Mit RF- oder EF-Objektiven können Movies im Bereich der Bildmitte zugeschnitten werden. So als würden Sie ein Teleobjektiv verwenden ... 4K-Movies werden immer mit zugeschnittener Mitte des Aufnahmebildschirms aufgenommen ...»
In der Praxis bedeutet dies, dass einem beim Umschalten vom Foto- in den 4K/UHD-Videomodus der Bildausschnitt um Faktor 1,83 vergrössert zufliegt. Dieser erweiterte Telebereich mag für Tierfilmer von Vorteil sein, ist für alle anderen, die 4K-Vollformat-Weitwinkel erwarten, vor allem Youtuber und Vlogger, eine ziemlich starke Einschränkung und trübt die ansonsten recht professionellen Videofähigkeiten der EOS R sehr. Ein 24-mm-Weitwinkel wird so zur 45-mm-Normalbrennweite.
Dieser 4K-Crop scheint mehr politisch denn technisch bedingt zu sein und liegt in Canons Tradition, Produkte absichtlich zu «kastrieren», um die eigenen Profi-Modelle der Cinema-Reihe, oder die 5D IV oder den neuen Camcorder XF705 zu schützen. Ähnliche Einschränkungen gibt es zum Beispiel bei der 6D Mark II oder bei der EOS M50. Ob diese Politik nicht gerade das Gegenteil bewirkt und noch mehr Kunden zu Mitbewerbern abwandern lässt, sei hier mal offen gelassen.
Die EOS R führt die Schärfe auch bei Video mit dem Canon-typischen Dual-Pixel-Autofokus sehr schnell und genau nach. Die auch in den professionellen EOS-Cinema-Produkten eingesetzte Technik ordnet jedem Bildpunkt auf dem Sensor noch zwei Subpixel zu und erlaubt damit eine AF-Phasenmessung direkt auf dem Aufnahmechip.
Standardmässig ist beim Filmen der Servo-Autofokus eingeschaltet, sodass die EOS R dauernd scharfstellt. Wird der Foto-Auslöser während des Filmens halb durchgedrückt, erfolgt eine neue Scharfeinstellung mit der aktuell gewählten AF-Methode.
Die Schärfenachführung funktionierte bei den Testaufnahmen sehr gut. Die Autofokus-Reaktion und -Geschwindigkeit kann der Aufnahmesituation angepasst werden und ermöglicht sanfte Schärfeübergänge.
Getrennte Bedienung
Die Einstellungen für Foto- und Video-Betrieb lassen sich bei der EOS R völlig unabhängig voneinander anpassen und bleiben bestehen, während man hin- und herwechselt. Dies gilt auch für Blende, Verschlusszeit und ISO-Werte, die bei andern Kameras jeweils wieder neu einzustellen sind, sobald man von Foto auf Video wechselt oder umgekehrt.
Im Video-Hauptmenü ist das Filmen im Automatik-Plus-Modus, in Programm-, Blenden- und Zeit-Automatik oder mit manuellen Einstellungen wählbar. Die neue Fv-Funktion des Foto-Hauptmenüs gibt es hier leider nicht. Bei allen Automatik-Modi regelt die Kamera den ISO-Wert selbständig und lässt auch keine ISO-Limitierung zu. Man wählt deshalb am besten gleich die manuelle Einstellung, um die vollständige Kontrolle über alle Parameter zu haben.
Die meisten Foto-Objektive eignen sich nicht optimal fürs Filmen, wenn sie in Blendenautomatik eingesetzt werden, da es hier zu unschönen Helligkeitsschwankungen kommt. Dies lässt sich bei der EOS R etwas abschwächen, indem bei RF-Objektiven die Blendenwerte beim Filmen statt in 1/2- oder 1/3- in feineren 1/8-Abstufungen geändert werden können. Am besten ist es jedoch, gleich mit fester Blende zu filmen und sie halt bei jeder neuen Einstellung anzupassen.
Im Video-Modus lässt sich ein elektronischer Bildstabilisator zuschalten. Mit diesem «Movie Digital-IS» können Videobilder stabilisiert werden, auch wenn ein Objektiv ohne eingebauten Image Stabilizer genutzt wird. Leider wird dabei zwangsläufig der Bildausschnitt nochmals etwas verkleinert. Der «Movie Digital-IS» sollte deshalb vor allem bei 4K/UHD-Aufnahmen mit Bedacht eingesetzt werden und bei Schwenks ab Stativ sowieso ganz abgeschaltet werden, da er am Schwenkende noch deutlich «nachzieht».
Sonst lässt sich mit der EOS R sehr gut filmen, auch dank des variablen Bildschirms, der problemlos Überkopf- und bodennahe Aufnahmen ohne grosse Verrenkungen ermöglicht. Wie beim Fotografieren können auch beim Filmen die Canon-Farben einmal mehr überzeugen. Durch den grossen Sensor bringt die EOS R auch bei schwacher Beleuchtung noch gute Ergebnisse. Farben und Details werden präzise dargestellt, ohne im Bildrauschen unterzugehen.
Log und Ton
Durch das bereits integrierte Canon-Log ist auch ein späteres Color-Grading möglich. Via HDMI lässt sich ein 4K-4:2:2-10-bit-Signal extern aufzeichnen, etwa auf einen Atomos Ninja V Recorder. Die Log-Einstellungen dürfen noch individuell in Schärfe, Farbton und Sättigung angepasst werden.
Da bei Log-Aufnahmen ein flaches Gamma-Profil zum Tragen kommt, wirken die Bilder am Sucher und Monitor kontrastlos, sehr flau und milchig. Um eine bessere Detailansicht und ein ungefähres Bild vom Endprodukt zu erhalten, lässt sich ein «Assistent» mit einem simulierten Bildstil einblenden. Auf das aufgezeichnete Videosignal wirkt er sich natürlich nicht aus.
Für die Nachbearbeitung und zur Synchronisation wird beim Filmen automatisch ein Zeitcode mit Stunden, Minuten, Sekunden und Einzelbildern mitgespeichert. Er lässt sich auch über HDMI ausgeben und erlaubt den synchronen Start und Stopp eines angeschlossenen Recorders.
Mit der EOS R können auch HDR-Movies mit hohem Dynamikumfang aufgenommen werden, jedoch nur in Full-HD-Qualität und mit maximal 30 Bildern pro Sekunde.
Zur Tonaufnahme lässt sich ein externes Mikrofon an die EOS R anschliessen. Eine Kopfhörerbuchse für die Tonkontrolle ist ebenfalls vorhanden. Der Tonpegel lässt sich automatisch oder manuell aussteuern. Ein Windfilter kann hinzugeschaltet werden.
Eine gute Idee beim Einsatz von EF-Objektiven ist der EF-EOS-R-Adapter mit Filtereinschub für Pol- und ND-Filter. Besonders Filmemacher sind damit flexibler unterwegs, müssen sie doch weniger «riggen», also Zubehör wie Matte-Boxen oder Filterhalter installieren. Die Adapter sollen ab Februar 2019 erhältlich sein.