Intelligent automatisch oder kreativ manuell
Über das Modusrad bestimmt man die gewünschte Aufnahmeart. G9-Einsteiger fotografieren erst mal im intelligenten Plus-Automatikmodus. Hier werden die optimalen Einstellungen von der Kamera selbst gewählt. Die automatische Szenenerkennung zeigt ein entsprechendes Symbol an.
Der Fotograf hat hier stark eingeschränkte Eingriffsmöglichkeiten, da viele Tasten keine oder nur einfache Funktionen besitzen. Wird das verriegelbare Modusrad aus der Automatik herausgedreht, stehen Programm-, Blenden-, Zeit-Automatik sowie manuelle Belichtung, die Videoposition «kreative-Filme-Modus», die Benutzerspeicher und ein Kreativmodus zur Verfügung.
Mit dem Drive-Schalter direkt unter dem Modusrad wählt man zwischen Einzelaufnahme, Serienbildern, Selbstauslöser und den 6K/4K-Fotofunktionen sowie den Zeitraffer-Animationen. Die weitere Bedienung geschieht dann zügig über Direkttasten und Drehräder oder per Touchscreen.
Ein Detail am Rande: Ich habe mich daran gestört, dass über das vordere Drehrad der ISO-Limit-Wert bestimmt wird, und das hintere Drehrad die eigentliche ISO-Zahl verstellt. Umgekehrt wäre es mir lieber gewesen. Einfache Lösung: ISO-Taste drücken, Display-Taste drücken, und schon sind beiden Drehrad-Funktionen vertauscht!
Weiteres Detail: Bei der GH5 befinden sich die Videotaste wie die ISO-, Weissbalance- und Belichtungskorrektur-Tasten auf gleicher Höhe. Bei der G9 wurde die Videotaste etwas tiefergelegt. Bei beiden Kameras sind die drei Direkttasten leicht unterschiedlich geformt. Weissbalance ist kugelförmig, ISO hat zwei hervorstehende Punkte und Belichtungskorrektur ist flach. So lassen sie sich ohne hinzuschauen gut ertasten.
Schneller als die Polizei erlaubt
Bei den Serienbildern hat die DC-G9 gegenüber der GH5 zugelegt und spendiert dem Drive-Schalter auch gleich eine zweite Serienbild-Auswahl. Mit mechanischem Verschluss schiesst die Kamera im RAW-Format 9 bis 12 Bilder pro Sekunde – je nach Lichtverhältnissen und wie fokussiert wird, manuell, einzeln oder Dauer-AF. Dies ist derselbe Wert wie bei der GH5. Wird jedoch auf den elektronischen Verschluss umgeschaltet, ändert sich die Geschwindigkeit dramatisch.
Nun liefert die G9 bis zu 20 Bilder pro Sekunde mit kontinuierlichem Autofokus oder noch schnellere 60 Bilder pro Sekunde mit Einzel-AF in voller 20-Megapixel-Auflösung. Diese riesige Datenmenge muss natürlich zwischengespeichert werden, die Kamera zieht die Bildserie für 60 bis 70 RAW-Bilder und einer beinahe unbegrenzter Anzahl JPEG-Aufnahmen durch. Respekt.
Ein kurzer Blick zu den Mitbewerbern: Mit elektronischem Verschluss und kontinuierlichem AF- und AE-Tracking nimmt eine Olympus OM-D E-M1 Mark II rund 18 Bilder pro Sekunde im 20-Megapixel-RAW-Format auf. Mit AF- und AE-Lock, also ohne kontinuierliche Schärfen- und Belichtungsanpassung, steigt die Bildrate auch auf unglaubliche 60 Bilder pro Sekunde. Hier kann die Olympus gut mit der Lumix G9 mithalten.
Die 20 Bilder pro Sekunde mit kontinuierlichem Autofokus der G9 entsprechen auch der Serienbildgeschwindigkeit einer Sony A9. Da ist es sicher purer Zufall, dass Panasonics Flaggschiff auch eine Neun im Namen trägt.
Wird der Serienbildmodus auf «SH2 PRE» gestellt, was für Superhochgeschwindigkeit 2 Pre-Burst steht, können im Voraus – den Auslöser halb gedrückt – bis zu 24 Bilder aufgenommen werden, bevor die Auslösertaste vollständig heruntergedrückt wird. Ideal, um den plötzlichen Start eines Events nicht zu verpassen.
Die Superhochgeschwindigkeitsfotos werden in einer Bildergruppe zusammengefasst. Dort können sie entweder durchgehend oder einzeln wiedergegeben, bearbeitet oder gelöscht werden.
Der Steigerung der Geschwindigkeit zeigt deutlich, wohin Panasonic mit der Lumix DC-G9 zielt: Engagierte Foto-Enthusiasten und Profis aus dem Bereich Sport, Action und Wildlife: alles traditionelle Spiegelreflexkamera-Gebiete.
Galoppierende Pferde am Strand und wagemutige Surfer in den Wellen boten ideale Motive, um den Autofokus und die Serienbild-Funktion der Lumix G9 auf die Probe zu stellen. Die Ergebnisse waren überraschend gut und erstaunten umso mehr, da bei der G9 anstelle eines Phasen-AF-Systems eine Kombination von Kontrast-AF und DFD-Technologie zum Einsatz kommt.
Laut Panasonic berechnet die DFD-Technologie (Depth From Defocus) die Entfernung zum Motiv, indem sie zwei Bilder mit unterschiedlicher Defokussierung auswertet und zugleich die optischen Kenndaten des aktuellen Objektivs abruft. Zusammen mit einer beschleunigten Sensorauslesung kommt die Lumix G9 so auf eine AF-Reaktionszeit von nur zirka 0,04 Sekunden.
Dank der starken Prozessorleistung der Venus-Engine beherrscht die G9 eine «Deep Learning»-Technologie, die nicht nur Gesichter und Augen erkennen kann, sondern auch eine menschliche Gestalt.
Für eine präzise Fokussierung sind 225 Fokusfelder vorhanden. Man kann eine Gruppe davon passend zum Motiv definieren und sie mit dem Joystick über den rechten Daumen einfach steuern, ohne das Motiv aus den Augen zu lassen.
Beim Fotografieren arbeitet der AF schnell und präzise, wenn das Motiv gut beleuchtet und einigermassen kontrastreich ist. Im Automatikbetrieb ist die Auswahl der AF-Möglichkeiten eingeschränkt. Man kann per Fingertipp aufs Display den Fokus und die Belichtung einstellen. Auch die Grösse des Fokusfeldes lässt sich verändern. Je nach Lichtverhältnissen und Sujet verschiebt sich der Fokus mehr oder weniger gemütlich an die angetippte Stelle.
Im übrigen Betrieb stehen sechs verschiedene AF-Modi zur Auswahl. Neben der Gesichtserkennung wird vor allem die AF-Fläche passend zum jeweiligen Motiv bestimmt. Im AF-Verfolgungsbetrieb versucht die Kamera, bei einem sich bewegenden Motiv Schärfe und Belichtung nachzuführen. Dafür muss zuerst mit dem AF-Feld das gewünschte Motiv «gesperrt» werden, indem es anvisiert und der Auslöser halb heruntergedrückt wird. Oder man sperrt es direkt per Fingerzeig auf das Display.
Bei den Testaufnahmen habe ich so die Schärfe auf dem galoppierenden Pferd nachführen lassen, während ich die Kamera mitschwenkte. Wählt man nun noch eine passende individuelle AF-Empfindlichkeit, bleibt die Schärfe weiter auf dem Pferd, auch wenn zwischen ihm und der Kamera plötzlich andere Motive auftauchen.
Das Sperren des gewünschten Motivs ist dabei etwas trickreich, besonders wenn es unerwartet heranprescht oder anhand der Form nicht optimal erkannt wird. Dann hilft nur noch der Druck auf die Menü/Set-Taste, um es nochmals zu versuchen. Im obigen Beispiel blieben so auch mal die Wellen knackscharf, während der Reiter davor ziemlich verschwommen vorbeigaloppierte. Übung macht den Meister.
Die vier individuellen AF-Einstellungen stehen nur zur Verfügung, wenn «AF flexibel» oder kontinuierlicher Autofokus (AF-C) gewählt ist. Hier kombiniert man die AF-Empfindlichkeit mit der Bereichswechselempfindlichkeit und der Voraussage beweglicher Objekte. Wenn nötig, kann man die Parameter noch auf seine eigenen Fotomotive feintunen.