Stimmungsvoller Klang
Wir hörten die Bowers & Wilkins 804 D4 zunächst über den Michi X5 von Rotel, dem grösseren Bruder des testbewährten Michi X3 (Test: nachzulesen hier). Auch der X5 ist ein Traum von einem Vollverstärker und lässt ausstattungsmässig dank integriertem HiRes-DAC sowie Phono-MM- und MC-Stufe keine Wünsche offen. Mit 2 x 350 Watt treibt er jeden Lautsprecher zur Höchstleistung. Damit, und dank eines hohen Dämpfungsfaktors von 350 hat er auch die 804 D4 bestens im Griff. Als Lautsprecherkabel kamen LS32 Cu von Silent Wire zum Einsatz.
Jahreszeiten-gerecht durften zunächst diverse Interpreten ihren stimmungsvollen Beitrag an Weihnachtsmusik zum Besten geben. Ian Andersons charakteristische Stimme und sein unverwechselbares Flötenspiel kommen im «Christmas Song» (auf Jethro Tulls «Christmas Album») über die 804 D4 unglaublich schön zur Geltung. Sie kreiert ein charmantes Timbre mit emotionaler Ausdruckskraft – und dies bei aussergewöhnlicher Klarheit und Präzision. Die Perkussion und «Jingle Bells» offerieren in den Höhen ein ganz eigenes Hörerlebnis: Der Reichtum an feinsten, unaufdringlichen Obertönen im Track «Ring Our Solstice Bells» ist wirklich beeindruckend – ein eigentliches Fest der Sinne. Die Bassläufe kommen schlank, superschnell und bestens definiert.
Dass die Bowers & Wilkins 804 D4 ein besonderes Faible für Stimmen hat, beweist sie auch im Titel «Baby, It's Cold Outside» in der Version von James Taylor im Duett mit Natalie Cole. Beim Anhören wird es einem so warm ums Herz, dass die Winterkälte draussen keine Chance hat, die vorweihnachtliche Stimmung zu beeinträchtigen. Hierbei wird klar, dass dieser Lautsprecher sowohl den Bass- als auch den Grundtonbereich aussergewöhnlich konturiert und griffig wiedergibt. Die Mitten und die Höhen knüpfen nahtlos an und kreieren eine ganzheitlich-homogene Spielweise, in der alle Frequenzbereiche gleichermassen klar und offen wiedergegeben werden. So kann man der neuen 804 auch attestieren, dass der Diamanthochtöner weniger auffällig agiert als noch beim Vorgänger. Dies nicht etwa, weil die D4 diskreter abgestimmt wäre, sondern vielmehr, weil sie über den gesamten tonalen Bereich offener und definierter agiert.
Ganz hervorragend beherrscht die Bowers & Wilkins 804 D4 eine weitere Paradedisziplin guter High-End-Lautsprecher: Die räumliche Inszenierung des musikalischen Geschehens. Beispiel gefällig? Das in der Baselbieter Kirche Maisprach aufgenommene «Silent Night» mit Arianna Savall, Petter Udland Johansen und dem Ensemble Hirundo Maris interpretiert (selten gehörte) alte Weihnachtsmusik aus ganz Europa auf eine ganz eigene, anmutende Art und Weise. Die britische Standbox transferiert dies dermassen authentisch und atemberaubend losgelöst in den Hörraum, dass man bei geschlossenen Augen wirklich das Gefühl hat, live dabei zu sein. Eine tolle Aufnahme über einen tollen Lautsprecher inszeniert!
Die Bowers & Wilkins 804 D4 eignet sich ganz hervorragend zum Beurteilen der Aufnahmequalität. Sie ist ein Abhörmonitor allerhöchster Güte. So ist es beispielsweise sehr aufschlussreich, die verschiedenen Aufnahmen von Händels «Messiah» zu vergleichen. Unglaublich, welche Unterschiede da sowohl bezüglich der Interpretation wie auch der Tontechnik zutage treten. Die 804 D4 macht alles perfekt hörbar – auch den Qualitätssprung von 16-Bit- zu HiRes-Audio. Ihre analytischen Fähigkeiten sind aussergewöhnlich gut. Dies bedeutet einerseits, dass man sich bei guten Aufnahmen im siebten (Klang-)Himmel wähnt, bei weniger gut gelungenen hingegen auch die Defizite wahrnimmt. Die 804 D4 nivelliert in keiner Weise, sondern gibt unbestechlich wieder, wie ein musikalisches Ereignis aufgezeichnet wurde.
Schliesslich wartete auch noch das legendäre «Cantate Domino» vom Label Proprius auf der Playlist. Ebenfalls in einer Kirche (Oscarskyrhan in Stockholm) aufgenommen, ist diese (Analog-)Aufnahme immer wieder für eine Überraschung gut. Über die Bowers & Wilkins gehört, lebte der ursprüngliche Zauber der skandinavischen Weihnacht in einer Weise wieder auf, wie man es selbst als guter Kenner dieser Aufnahme nur selten erlebt. Man kann als gebannter Zuhörer mühelos in die weiträumige Kirchenakustik eintauchen und die Illusion aufbauen, über die Grenzen von Raum und Zeit hinweg bei diesem Ereignis live dabei zu sein.
Entdeckerfreude kam auch beim Hören sinfonischer Musik auf. So ertönte Tschaikowskys 2. Sinfonie ungemein spannend und herrlich dramatisch. Klangdetails wurden nicht auf dem Silbertablett serviert, sondern entfalteten sich selbst in Fortissimo-Passagen in einer schwerelosen Selbstverständlichkeit, die auch das Lauthören zum Genuss werden lassen.
Zugute kam der 804 D4, dass sie der potente Vollverstärker Michi X5 von Rotel (dank seines satt dimensioniertem Netzteils mit zwei Ringkerntransformatoren und viel Siebkapazität) nie im Stich liess, wenn kurzfristig hohe Impulskraft angefordert wurde. Die 804 D4 weist nominell zwar eine unkritische Impedanz von 8 Ohm aus. Laut Bowers & Wilkins erreicht die Impedanz stellenweise jedoch minimal 3 Ohm, sodass vom Verstärker hohe Stabilität und Stromlieferfähigkeit gefordert sind. Beides liefert der Michi X5, und der hohe Dämpfungsfaktor von 350 sorgt dafür, dass auch die Gegeninduktion vonseiten der beiden Bassschwingspulen keine Chance auf Klangminderung hat.
Das Zusammenspiel der Bowers & Wilkins 804 D4 mit dem Michi X5 kann man durchweg als Erfolgsstory beschreiben, zumal der kraftvolle Vollverstärker Rotel-typisch für eine ausgewogene Klangbalance mit konturiertem Bass/Grundton, schönen Klangfarben und unaufdringlich feinen Höhen sorgte.
Dennoch interessierte uns natürlich auch, wie die «kleine» Standbox der Briten mit noch teurerer Elektronik klingen würde. Zu diesem Zweck durfte sie an der testbewährten Vor-/Endverstärker-Kombi Classé Delta Pre und Delta Stereo zeigen, ob sie punkto Klangtransparenz noch mehr drauf hat als im Verbund mit dem Michi X5. Die Classé Delta gehört punkto Auflösung und Feinzeichnung zum Besten, was der Weltmarkt hergibt. Schon bei den ersten Takten wurde klar, dass die 804 D4 nun einem ganz anderen Klangideal huldigte. Die Steigerung in der Detailtreue und vor allem in der räumlichen Abbildung war doch dramatisch. Auch die tonale Ansprache wirkte grundsätzlich filigraner und noch direkter.