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Publikationsdatum
21. August 2020
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Manche Anbieter von hochwertigem HiFi, auch High-End-HiFi genannt, staunen zurzeit nicht schlecht. Bei ihren Kunden scheint ein Umdenken stattzufinden. Die Kunden investieren zwar immer noch mit Überzeugung viel Geld in besonders hochwertige HiFi-Systeme, aber wenn es um Audio-Streaming-Geräte geht, dann sind sie plötzlich misstrauisch. Warum sollen Sie über 10'000 CHF für ein Streaming-Gerät oder einen Musikserver ausgeben, der die Musik am Ende digital weitergibt? Nur, weil Sie eine High-End-Musikanlage besitzen?

Eigenes Know-how contra Glaube in den Hersteller

Sehr viele Musikliebhaber stehen heute vor der Entscheidung, wie sie Streaming-Lösungen implementieren sollen. Meistens haben sie schon alles, was sie brauchen: vom hochwertigen DA-Wandler bis hin zu den Lautsprechern, eine Kombination von Komponenten oder sogar schon ein integriertes System. Sie wollen nun als nächsten Schritt qualitativ hochwertige Musikdienste wie Qobuz oder Tidal nutzen und mit der Zeit sogar auf gespeicherte Musik oder CDs verzichten.

Braucht es dafür ein zusätzliches Gerät eines Audio-Herstellers mit Rang und Namen?

Die Antwort lautet – wenn auch vereinfacht – eher nein: Musikstreaming ist kein Thema, bei dem die klassischen, audiophilen Disziplinen vollends greifen. Es geht dabei vor allem um intelligente und schnelle Software für die Bereitstellung der Musikdaten, die Orientierung und die einfache Auswahl und Bedienung mit einem grafischen User-Interface, genannt GUI.

Um dies zu ermöglichen, braucht es Hardware, also einen Rechner. Die Aufgabe kann ein Computer mit den Betriebssystemen OSX, Windows oder Linux übernehmen. Darauf lässt sich ein geeignetes GUI installieren und schon hat man mit geringem Arbeits- und Kostenaufwand einen Streaming-Client gebaut.

Das ist nicht neu: Digitale Musikwiedergabe auf hohem Niveau begann vor über 10 Jahren mit PC/Mac plus audiophilen Player-Anwendungen wie Amarra, Pure Music, Foobar, Audirvana und weitere. Neu ist, dass man den Audio-Herstellern, die das Prinzip in edle Geräte verpacken (und dafür einen stattlichen Preis fordern), nicht mehr so recht über den Weg traut. Das ist gerade deshalb nicht verwunderlich, weil man es bisher irgendwie selbst hingekriegt hat. Das Thema ist für viele keine Blackbox mehr.

Es fehlen den Herstellern bisweilen die schlagenden Argumente auf die Frage «Warum nicht selbst konfigurieren?» Wenn man die Geräte der Hersteller öffnet, findet man zum Beispiel eine Intel-NUC-Platine, ein handelsübliches USB-Interface, mitunter noch eine handelsübliche SSD-Festplatte und vielleicht, vielleicht noch eine Stromversorgung, die tatsächlich vom Hersteller selbst stammen könnte ... Nicht selten wird sogar die gesamte Elektronik plus Software für Betriebssystem und App beim OEM-Hersteller Streaming-Umlimited eingekauft. Kenner sehen das bei einem Streamer auf den ersten Blick.

Trotzdem ist dies eine Vereinfachung: Man übersieht gerne, welchen Aufwand der Hersteller betrieben hat, um «digital noise» zu minimieren oder mittels «re-clocking» einen sehr präzisen Takt mit minimalem Jitter zu erzeugen. Das sieht man einer Platine eben nicht auf den ersten Blick an. Und wenn man den Argumenten der Hersteller misstraut, dann will man es auch gar nicht sehen oder glauben. Ein Beispiel dafür sind die Produkte von Innuos.

avguide.ch meint

Die gegenwärtige Skepsis der Anwender beruht darauf, dass «audiophiles Musikstreaming» noch neu ist – und auch, weil viele Anwender schon berufsbedingt so einiges von Computern/IT verstehen, oder es zumindest glauben zu verstehen.

Die IT-Audio-Nerds

Es gibt nun aber immer mehr Hersteller, die das Thema neu anpacken. Es geht ihnen nicht mehr darum, Geräte zu entwickeln, zu produzieren und zu verkaufen. Es sind musikbegeisterte IT-Nerds. Sie programmieren Software und stellen diese nicht selten kostenlos in einer Basisversion als Open-Source-Projekt zur Verfügung. 

Die Nutzer sind aber nicht nur die Musikliebhaber, sondern auch die Gerätehersteller. Für diese erstellt man dann angepasste OEM-Versionen in Lizenz, sogenannte White-Label-Lösungen. Inzwischen ist dies ein gängiges Geschäftsmodell.

Oder sie integrieren eine mithilfe der Nutzer-Communitys optimierte Software in Kooperation zusammen mit Partnern in eine Hardware. Im eigenen Shop oder über Handelspartner verkauft man diese an Leute, die lieber ein «fertiges» Produkt einkaufen. Ein Beispiel ist der Volumio-Primo.

avguide.ch meint

Die IT-Audio-Nerds mit ihren Selbstbau-Lösungen dürfen keinesfalls pauschal ins «Nicht-audiophile» IT-Lager abgeschoben werden. Die Leute haben mitunter sehr gute Ohren und sind eben auch HiFi-Nerds. Dazu arbeiten sie auch noch ganz zeitgemäss mit Communities = Ideen-Pools.

Roon-System selbst gebaut

Einen etwas anderen Weg geht Roon. Die «Roon-Core» ist eine multiroomfähige Server-Software für Musik, die zwar frei erhältlich ist, deren Benutzung aber in einem Abomodell als Lizenz zu erwerben ist. Der Roon-Player ist für alle gängigen Betriebssysteme genauso kostenlos wie die Roon-Bridge, eine Software für Audio-Streamer, die es erlaubt, auf den zentralen Roon-Server zuzugreifen.

Sowohl die Software vom Roon-Server als auch jene der Roon-Bridge stehen dem Selbstbauer also kostenlos bereit zum Download. Hält man sich an gewisse minimale Hardware-Voraussetzungen, kann sich jeder ein eigenes Roon-System aus handelsüblichen PC-Komponenten selber zusammenbauen. Lediglich für die Benutzung des Core-Servers – unabhängig von der Hardware – ist eine Lizenz notwendig.

Auf der Website des «Roon Optimized Core Kit», oder kurz ROCK, empfiehlt Roon gleich selber Intel-NUC-Mini-PCs, welche die Anforderungen des ROCK erfüllen, inklusive des Links zu Amazon für den Kauf der Hardware. Selbstverständlich gibt es auch eine Anleitung für die Installation des Core Kits  (keine Hexerei). Inklusive der Roon-Lizenz kostet das etwa 1000 CHF.

Roon-Architektur: Player – Core-Server – Outputs. Den Core kann man sich auf eigener Hardware installieren. Eine Bridge mit einem Raspberry Pi verbindet den Core mit externen Audiogeräten, falls diese nicht bereits ein Roon-Endpoint sind.Roon-Architektur: Player – Core-Server – Outputs. Den Core kann man sich auf eigener Hardware installieren. Eine Bridge mit einem Raspberry Pi verbindet den Core mit externen Audiogeräten, falls diese nicht bereits ein Roon-Endpoint sind.

Natürlich gibt es auch Ready-To-Go-Systeme für den Handel wie der «Nucleus» von Roon oder die Innuos-Musikserver. Als Alternative zum eher teuren Roon Nucleus gibt es die interessante und dem Vernehmen nach ebenbürtige Lösung des Schweizer Anbieters Prime Computer. Danach wird allerdings die Luft dünn. Viele Herstellerprodukte mit integriertem Roon-Core-Server gibt es nicht.

Sparfüchse installieren sich den Roon-Core auch auf einem älteren, ausgedienten Laptop oder Mac-Mini. Einen einfachen Streamer mit Roon-Bridge kann man sich mit einem Raspberry Pi plus Audioboard ab circa 100 Franken selber bauen – siehe unten. Zweifellos ist dies die günstigste Variante für ein Roon-System.

Das heisst nicht, dass es in allen genannten Varianten identisch klingt, aber es funktioniert in allen Varianten ziemlich identisch. Roon ist ein neues Business-Modell für Streaming-Applikationen in unterschiedlichen Anwendungen.

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