Sie erinnern sich? In unserem Test der Shokz-Schädelknochenkopfhörer war die wesentlichste Schwachstelle die Tonverzögerung bei Verwendung mit Video oder TV, die auch bei Verwendung der hervorragenden Bluetooth-Sender von Avantree nicht behoben werden konnte.
Nun hat eben diese Firma Avantree die Marktlücke erkannt und ein Set geschaffen, das lippensynchrone Tonübertragung auf einen Schädelknochenkopfhörer ermöglichen soll. Er soll alle Vorteile dieses Systems anbieten – also die Umgebungsgeräusche nicht ausblenden und somit beispielsweise eine Konversation ermöglichen.
Dies alles liest sich gut, doch nur ein Test in realer Umgebung kann Klarheit schaffen.
Lieferumfang
Das Medley-Air-Set wird in einer ansprechend stabilen, weissen Kartonschachtel geliefert, die mit zwei Magneten zuschnappt.
Noch geht es bei Avantree nicht ganz ohne Kunststoff, sind doch die zwei Hauptelemente, der Kopfhörer und der Bluetooth-Transmitter, in einer schwarzen Plastikform transportsicher eingelassen.
Darunter findet man in einer keilförmigen Kartonschachtel einen 5V-Netzadapter sowie sämtliche jemals notwendigen Anschlusskabel sowie die fünfsprachige Bedienungsanleitung.
Anschliessen
Je nach Fernsehgerät kommen entweder der analoge oder der digitale Anschluss zum Zug. Ideal ist die Verwendung des optischen Digitalausgangs, der jedoch stumm geschaltet sein könnte, wenn man bereits den HDMI-ARC-Anschluss verwendet. Dann muss man entweder den HDMI-ARC (ARC = Audio Return Channel) entfernen oder den analogen Ausgang verwenden.
Bei den analogen Ausgängen ist der Kopfhörerausgang (normalerweise eine 3,5-mm-Stereobuchse) dem Linienausgang (meistens zwei Cinch/RCA-Buchsen, weiss für den linken, rot für den rechten Kanal) vorzuziehen, da die Lautstärke des Kopfhörerausgangs in den meisten Fällen separat geregelt werden kann (siehe Testerfahrungen unten).
Beim optischen Ausgang muss im TV-Menü unter Sound «PCM» und «keine Verzögerung» (nicht «Auto») gewählt werden. Doch da die diversen TV-Hersteller unterschiedliche Einstellungen ermöglichen, gibt es im Avantree-User-Manual nicht nur einen Link zur Hilfe-Website, sondern gleich QR-Codes für vier verschiedene Marken/Varianten, die direkt zu den notwendigen Informationen führen. In unserem Test mit zwei Panasonic-Modellen funktionierte alles wie beschrieben auf Anhieb.
Der Transmitter ermöglicht die Verwendung eines zweiten Kopfhörers und dank der zusätzlichen Ausgänge auf der Rückseite des Medley Air ist der Anschluss eines Soundsystems oder einer Soundbar möglich.
Der Kopfhörer
Der Medley-Air-Kopfhörer ist etwas schwerer und erscheint weniger zierlich als die Konkurrenten von Shokz. Da die Bügel etwas dicker dimensioniert sind, wirken sie zwar stabiler, ihr Sitz über dem Ohr muss jedoch jedes Mal justiert werden. Die Lautstärkeregler (+ und –) befinden sich auf der Unterseite der linken Hörkapsel. In Verbindung mit einem Smartphone bewirkt ein längeres Drücken das Überspringen oder Zurückfahren des momentanen Titels.
Auf der Unterseite der rechten Hörkapsel finden wir den Power-Schalter (ein/aus 2 Sek. drücken), der diverse Zusatzfunktionen hat: Mit Phone koppeln = 5 Sek. drücken, Pause = 1 x antippen, Anruf annehmen/beenden = 1 x antippen sowie ein paar weitere Funktionen.
Der Hörer verfügt auch über einen eigenen USB-C-Port, damit er auch ohne die Basis z. B. nur mit dem Smartphone eingesetzt werden kann. Sogar ein separates Ladekabel USB-A auf USB-C liegt bei, damit die Basis beim TV bleiben kann, wie sie ist. Toll.
Aufgeladen (und aufbewahrt) wird der Hörer normalerweise in der Basisstation, wo er von einem Magneten in die korrekte Position gerückt wird und auch so verbleibt.
Gute Unterstützung
Nicht selbstverständlich – und deshalb erwähnenswert – ist die Hilfe, die man bei Avantree erhält: Neben der sauber aufgeteilten, übersichtlichen und wie erwähnt fünfsprachigen Bedienungsanleitung (Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch), in der es zwar ein paar Ungereimtheiten gibt, wird darauf hingewiesen, dass für die Installation auch ein (engl.) Video existiert, Link und QR-Code inbegriffen.
Zudem wird man (typisch amerikanisch und wohl nur für US-Kunden gedacht) beim Öffnen der Schachtel von einem «handgeschriebenen» Kartonanhänger begrüsst, auf dem eine E-Mail-Adresse und eine USA-800-Telefonnummer zu Sara, der Support-Ansprechperson führt. Auf der Rückseite befindet sich ein weiterer QR-Code zur Registrierung des Produkts.
Im User Manual wird auch klar deklariert, dass das Medley-Air-Set von Avantronics in China hergestellt wird.
Im Test
Für den ersten Versuch kam ein älteres Panasonic-Modell zum Einsatz, das noch über keinen optischen Audioausgang verfügt. Bei der Verbindung des Medley Air über die Cinch-Buchsen (3,5 mm Jack- plus Cinch-Adapterkabel) war die Klangqualität unbefriedigend, da Verzerrungen auftraten. Anscheinend war das Ausgangssignal des TV zu gross.
Über den regelbaren Kopfhörerausgang, dessen Ausgangsleistung etwa auf ein Drittel gedämpft wurde, war das Klangresultat dann wesentlich besser, da verzerrungsfrei.
Eine Tonverzögerung war jedoch immer noch auszumachen, wenn man den Fernseher nicht stumm schaltete. Allerdings war diese Verzögerung minim und resultierte eher in einer Art Raumhall als einer Verdoppelung.
Auf der gewohnten Sehdistanz und der ebenfalls für die Mitschauer angenehmen Lautstärke aus den Lautsprechern war dieser Halleffekt vertretbar. Visuell war die Lippensynchronität absolut gewährleistet.
In der zweiten Testanordnung mit einem neuen Panasonic-Modell und der Verbindung über den optischen Digitalausgang und der oben erwähnten Einstellung war der Klang perfekt, die Tonverzögerung noch geringer. Für kritische Ohren ist sie zwar immer noch wahrnehmbar, doch im Heimeinsatz weder für den Medley-Air-Benutzer noch für die übrigen Familienmitglieder ein Problem.
Tragekomfort
Da die Medley Air speziell für den Fernsehgenuss konzipiert sind, sollten sie meines Erachtens leicht überarbeitet werden: Wie schon erwähnt dürften sie etwas leichter und schlanker sein. Zudem wäre ein klappbarer Hinterkopfbügel, der sich in den Nacken verschieben lässt, wünschenswert. In der momentanen Konstruktion ist ein bequemes Zurücklehnen im TV-Sessel nicht möglich; der Bügel ist zwar etwas flexibel, doch nicht angenehm. Auch verschieben sich beim Anlehnen die Hörer-Kontaktmuscheln.
Anwendung mit dem Smartphone
Für die Verwendung des Medley Air ist die Basis nicht zwingend notwendig. Die Hörer können mit jedem Bluetooth-Gerät verwendet werden, also z. B. auch mit Smartphones.
Der Testversuch mit einem iPhone klappte auf Anhieb und war überzeugend, da alle wesentlichen Funktionen, die man sich in Verbindung mit einem Smartphone wünscht, vorhanden sind. So etwa Anrufe entgegennehmen (oder ablehnen), Musik oder Podcasts hören, Titel überspringen oder wiederholen usw. Auch die Klangqualität war gut – allerdings mit den Einschränkungen, die ein Schädelknochenübertragungssystem nun mal hat. Doch dafür ist man nicht von der Umwelt abgeschnitten.
Fazit
Der Titel «Beinahe perfekt» drückt es eigentlich schon aus: Mit den Medley-Air-Kopfhörern hat Avantree das Versprechen des lippensynchronen Tons eingehalten – allerdings ist immer noch eine minimale Verzögerung zwischen Originalton und dem Kopfhörer hör- oder eher «fühlbar».
Die Konstruktion des Hörers ist zwar stabil, aber etwas grob, und in Sachen Tragekomfort wären Verbesserungen wünschenswert. Beim Transmitter sowie beim Lieferumfang gibt es aber wirklich nichts zu meckern.
Und da man neben dem Home-TV-Set noch die «Sport»-Kopfhörer-Funktionen in Verbindung mit einem Smartphone erhält, darf auch das Preis-Leistungs-Verhältnis positiv erwähnt werden.