
Bereits die grössere der beiden Kompaktboxen aus der neuen Serie 600 von Bowers & Wilkins punktete im Hörtest (nachzulesen: hier) mit wirklich grossem Klang. Mit einer Gehäusetiefe von 30 cm und einer Höhe von 34 cm taugt sie allerdings nicht mehr wirklich fürs Regal.
Die eigentliche «Regalbox» innerhalb der 600er-Serie ist die B&W 607, die mit einer Tiefe von rund 23 cm deutlich einfacher zu platzieren ist. Zu berücksichtigen ist lediglich die in die Rückwand integrierte Bassreflexöffnung, die bei wandnaher Aufstellung zu viel Tieftonfundament produzieren kann. Bowers & Wilkins liefert deshalb zweiteilige Schaumstoffnoppen mit. Entweder stopft man diese vollständig in den Port oder nur ihren äusseren Teil. So lässt sich der rückwärtig abgestrahlte Bassanteil gezielt dosieren.
Technisches Sahnestück der 607 ist sicherlich ihr 13-cm-Tiefmitteltöner mit silberfarbener «Continuum»-Membran und stabilem Alu-Druckgusskorb. Einen solchen High-End-Treiber findet man in dieser Preisklasse sonst kaum: Für ausserordentlichen Tiefgang und überraschend hohe Pegelfestigkeit sorgen eine spezielle Langhubsicke zusammen mit einer thermisch wie elektrisch hoch belastbaren Schwingspule. Im Zentrum sorgt ein sogenannter Phaseplug aus Moosgummi für eine Erhöhung der bewegten Masse und eine zusätzliche Bedämpfung unerwünschter Resonanzen. Wir staunten im Hörtest nicht schlecht, zu welchen Bass-Attacken sich der zierliche 13-cm-Tiefmitteltöner hinreissen liess. So etwas ist dem Autor in dieser Preis- und Grössenklasse noch nicht untergekommen.

Continuum ist ein von Bowers & Wilkins entwickeltes und patentiertes Membranmaterial, welches wie das altbekannte Kevlar aus einem Geflecht von Aramidfasern besteht. Die Wiedergabe ist aber insbesondere im kritischen Mitteltonbereich besser, weil die Continuum-Membran hier ein unproblematischeres Partialschwingungsverhalten aufweist. Dies haben bereits die Serien 700 und 800 von B&W unter Beweis gestellt: Die Transparenz in den Mitten bei diesen Modellen ist absolut beeindruckend. Nun profitiert auch die günstige 600er-Serie von der klanglichen Offenheit.
Von der Vorgänger-Generation übernommen wurde der bewährte Hochtöner mit doppellagiger Kalotte: Ein zusätzlicher Aluminiumring stabilisiert deren Bewegung, ohne das Dynamikverhalten durch ein wesentlich höheres Gewicht zu verschlechtern. Eine sich nach hinten verengende Schallführung eliminiert die rückwärtig abgestrahlten Schallwellen. Der Hochtöner ist mittels einer Gel-Einlage vom Gehäuse schwingungsmechanisch ein Stück weit entkoppelt.

Die von Bowers & Wilkins in der 607 verwendeten Lautsprecherchassis sind bezüglich ihres Übertragungsverhaltens im Übergangsbereich so gutmütig, dass die Box mit einer einfachsten 6-dB-Frequenzweiche auskommt. Vor dem Tiefmitteltöner findet sich lediglich eine verzerrungsfreie Luftspule, vor dem Hochtöner ein hochwertiger Metallfolien-Kondensator. Puristischer geht es kaum. Diese Schaltung hat ausserdem den Vorteil eines flachen Phasengangs, was sich erfahrungsgemäss in besonders räumlichem Klang auszahlt.
Weniger Bauteile senken auch die Kosten. Wobei für die gesamte 600er-Serie gilt, dass nur an Stellen gespart wurde, die den Klang nicht entscheidend beeinträchtigen. So ist das relativ schmucklos gehaltene Gehäuse der 607 nur in mattem Schwarz oder Weiss erhältlich. Es ist ausreichend stabil konstruiert, Vibrationen halten sich in akzeptablen Grenzen. Natürlich darf man punkto Verarbeitung nicht das gleiche Niveau wie bei der teureren 700er-Serie erwarten. Insbesondere die Version der 607 in Mattweiss dürfte aber auch höheren wohnästhetischen Ansprüchen genügen, zumal die Kompaktbox im Regal optisch kaum auffällt.
Kraftvoller Spielpartner
Die B&W 607 kombiniert man am besten mit einem potenten Verstärker, denn bei einer (Kompaktboxen-typischen) Empfindlichkeit von rund 84 dB ist reichlich Leistung gefragt, will man zwischendurch auch mal Party-Pegel fahren. Als in jeder Hinsicht idealen Spielpartner machten wir den neuen Vollverstärker A11 von Rotel ausfindig. Im Unterschied zu den teureren Brüdern (Test Rotel RA-1572 hier und RA1592 hier) verzichtet der A11 auf ein integriertes Digitalboard; hingegen besitzt er die gleiche hochwertige Phono-Platine für Moving-Magnet-Tonzellen. Ebenfalls mit an Bord ist ein Bluetooth-Modul, das dank AptX-Protokoll Musik von kompatiblen Handys oder Tablets in HiFi-Qualität aufbereitet. Drei Hörzonen (zwei schaltbare Lautsprecherpaare und ein Vorverstärker-Ausgang) sowie drei Hochpegel-Eingänge erlauben vielerlei Anschluss-Szenarien. Komfortables Handling verspricht die ergonomische Vollfunktionsfernbedienung.

Das äusserlich mit massiver Alufront und Vollmetallgehäuse topverarbeitete Gerät punktet auch beim Innenaufbau: Rotel-typisch sorgen ein satt dimensionierter Ringkerntrafo aus eigener Fertigung und zweimal 10'000 µF Siebkapazität für hohe Stromreserven. So ist auch die Leistungsangabe von zwei Mal 50 Watt (RMS an 8 Ohm) eher als konservativ zu verstehen. 2 x 80 Watt Sinus an 4 Ohm darf man in der Praxis gut und gerne erwarten.
Der hohe Dämpfungsfaktor von 140 verspricht einen konturierten Bass, sofern man verlustarme Lautsprecherkabel verwendet. Bi-Wiring (interessanter Blog zum Thema: hier) empfiehlt sich auch in dieser Preisklasse. Wem ein fertig konfektioniertes Kabel zu teuer ist, der kann sich für wenig Geld zwei gleich lange Stereo-Litzenkabel (empfehlenswert: 2 x 4 mm²) besorgen und parallel die beiden Lautsprecheranschlüsse am Verstärker verwenden. Wichtig in diesem Fall: Am Bi-Wiring-Anschlussterminal der 607 die beiden Brücken entfernen.
In Action
Der 100-Watt-Vollverstärker von Rotel bringt die B&W 607 dermassen auf Touren, dass man bei einer «Blind Audition» niemals eine Kompaktbox vermuten würde. Die 607 zeichnet sich wie schon die kürzlich getestete 606 durch eine leichte Loudness-Charakteristik aus, dank der man schon bei ziviler Lautstärke eine ansprechende Klangfülle geboten bekommt. Im direkten Vergleich zur grösseren Schwester besitzt die 607 noch einen Schuss mehr Brillanz, und das Klangbild löst sich noch besser von den Boxen. Tatsächlich bekommt man selbst bei paralleler Aufstellung im Regal noch eine breit aufgefächerte Stereoperspektive ohne ortbares «Mittenloch» präsentiert.

Die 607 kann auch richtig laut, selbst Pegel-Attacken in tieferen Basslagen bringen sie nicht so schnell aus dem Konzept. Die Disco-Party zu Hause sollte überhaupt kein Problem sein, zumal der Rotel A11 dabei absolut standfest bleibt. Absolut erstaunlich ist, bis zu welchen Auslenkungen die zierliche 12-cm-Continuum-Membran klaglos mitagiert.
Diese Kombi ist für geschmackvollen Musikgenuss ausgelegt: Akustischer Jazz swingt wunderbar, Schlagzeugbecken kommen ausnehmend definiert. Und auch der Kontrabass zeigt Druck und Konturen bis in tiefe Lagen. Selbst bei grossen Instrumenten wie einem Konzertflügel gibt die B&W 607 nicht klein bei.
«Raumwunder» hiess es dann auch bei der Wiedergabe barocker Vokalwerke. Stimmen erklingen richtiggehend süss, alte Instrumente mit dem genau richtigen Timbre. Das musikalische Geschehen breitet sich wundervoll losgelöst im Hörraum aus.

Der Rotel A11 besitzt keine Digitaleingänge. Immerhin kann man dank eingebauter Bluetooth-Antenne ganz gut Musik direkt ab Handy oder Tablet hören. Bei Unterhaltungsmusik gefiel die Wiedergabe ab AptX-kompatiblem Handy durchaus mit anspringendem, vitalem Sound. Erst bei anspruchsvoller klassischer Musik zeigte sich, dass ein separater CD-Spieler wie der zum A11 passende CD11 von Rotel mit stabilerem Klangbild und besserer Feinzeichnung aufwartet.
Richtig toll klang die Kombi beim Anschluss des Plattenspielers Thorens TD 190-2. Legendäre Aufnahmen aus den 80er-Jahren hat man genauso in Erinnerung, wie sie hier tönen. Schöner Groove, feine runde Höhen und eine durchaus vitale Gangart zeigen, dass die Schallplatte nach wie vor nichts von ihrer nostalgischen Faszination eingebüsst hat. Klar gibt es Vinyldreher und Tonzellen mit noch mehr Transparenz, aber für gut 600 Franken ergänzt der Thorens die B&W-/Rotel-Kombination ideal. Zumal der mit Riemenantrieb und recht schwerem Plattenteller ausgestattete Spieler auch noch mit dem Komfort einer Vollautomatik aufwarten kann.

Fazit
Die preisgünstige Regalbox 607 von B&W ist ein echter Geheimtipp: Punkto Preis-Klang-Verhältnis toppt sie gar die grössere Schwester 606 (Test hier). Dank ihrer quirligen und losgelösten Wiedergabe mit leichter Loudness-Charakteristik punktet sie bei allen Musikarten. Die Pegelreserven reichen problemlos auch für mittelgrosse Räume und für gelegentliche Partys. Der Preis von gerade mal 590 Franken ist unverschämt günstig.

Der Vollverstärker A11 punktet mit einer Klangqualität, die auch einem 1000-Franken-Gerät noch gut anstehen würde. Wer auf Digitaleingänge verzichten kann, findet hier einen ansonsten sehr gut ausgestatten, vorzüglich verarbeiteten Spielpartner für wenig Geld.
Bei einem Gesamtpreis der Kombi von weniger als CHF 1400.- bleibt noch genügend Budget für eine adäquate Quelle: Von Rotel gibt es den im Design passenden CD-Spieler CD11 für CHF 595.- oder den sehr empfehlenswerten Universal-Tuner/Netzwerkspieler T14 für CHF 920.-. Auch Vinylliebhaber werden die Kombination B&W 607 / Rotel A11 sehr zu schätzen wissen, wie das rundum erfreuliche Zusammenspiel mit einem Thorens TD 190-2 (Preis: CHF 640) beweist.