TESTBERICHT
EOS R mit RF-Objektiven: Die erste spiegellose Vollformatkamera von Canon mit neuem Bajonett und den entsprechenden Objektiven.EOS R mit RF-Objektiven: Die erste spiegellose Vollformatkamera von Canon mit neuem Bajonett und den entsprechenden Objektiven.

Mit der EOS R hat Canon den ersten Schritt in die Welt der spiegellosen digitalen Vollformatfotografie gewagt. Neben vielen typischen Canon-Qualitäten finden sich an der neuen Kamera aber auch etliche unverständliche Mankos bei der Ausstattung. Auf der einen Seite zeigt die Firma Mut, indem sie das Kamerakonzept überdacht hat und neue Bedienungselemente einführt, auf der anderen Seite hat man eher bestehende Technik aufbereitet als die Vorteile des spiegellosen Fotografierens richtig ausgenutzt.

Für das neue EOS-R-Bajonett sollen bis Ende Jahr vier RF-Objektive zur Verfügung stehen. Neben dem bereits erhältlichen Kit-Objektiv RF 24–105mm f/4 L IS USM und dem RF 50 mm f/1.2 L USM sind dies das RF 28–70 mm f/2 L USM sowie das RF 35 mm f/1.8 Macro IS STM.

Der 12-polige Anschluss des EOS-R-Bajonetts ermöglicht eine erweiterte Kommunikation zwischen Objektiv und Kameragehäuse sowie eine optimierte Datenübertragung, was laut Canon zu einer höheren Bildqualität und zu mehr Benutzerfreundlichkeit führt. Beim RF-Bajonettdurchmesser hat Canon die 54 mm des EF-Bajonetts beibehalten. Durch den Wegfall des Spiegels konnten hingegen das Auflagemasse von 44 auf 20 Millimeter reduziert werden. Dies bedeutet mehr Freiheiten beim Design von neuen Objektiven, besonders bei Lichtstärke und Weitwinkel.

Zudem erlaubt die schnellere Kommunikation zwischen Kamera und Objektiv mehr Daten in kürzerer Zeit auszuwerten und damit eine verbesserte Bildstabilisierung und Korrektur von optischen Abbildungs- und Beugungsfehler. Laut Canon stammen die Daten zur Linsen-Optimierung (DLO, Digital Lens Optimizer) neu aus den RF-Objektiven und müssen nicht mehr Kamera-intern aus einer Datenbank gelesen werden.

Dies könnte auch der Grund für das viel diskutierte Fehlen eines optischen Bildstabilisators im Gehäuse (IBIS) der EOS R sein. Darauf angesprochen verweist der Hersteller auf seine Objektive mit eingebautem Stabilisator. Doch besitzt nur die Hälfte der bisher angekündigten RF-Objektive einen solchen. Vor allem bei wenig Licht wäre er eine grosse Hilfe. Der Verzicht darauf mag für Canon seine Gründe haben, für den Anwender ist es einfach nur unverständlich, vor allem dann, wenn man sich bei den Kameras der Mitbewerber umsieht.

Etwas geschrumpft, aber Ähnlichkeiten sind noch vorhanden: Links das Canon-Schlachtschiff EOS 5D IV, daneben die neue EOS R.Etwas geschrumpft, aber Ähnlichkeiten sind noch vorhanden: Links das Canon-Schlachtschiff EOS 5D IV, daneben die neue EOS R.

Passt in die Hand

Wer die Canon-Spiegelreflexkamera EOS 5D IV kennt, könnte die EOS R für deren kleine Schwester halten. Schliesslich arbeitet in ihr ein sehr ähnlicher Sensor mit über 30 Millionen effektiven Pixeln. Sie verfügt jedoch über den neusten Digic-8-Bildprozessor, was zusätzliche Möglichkeiten eröffnet.

Während andere Hersteller den Wegfall des Spiegels konsequent ausnutzen und Kameras mit viel kleineren Abmessungen bauen, beharren Nikon und Canon weiter auf «Gehäuse-Boliden». Zwar ist die EOS R gegenüber einer 5D IV beinahe 2 cm niedriger, 15 mm kürzer und wiegt mit 660 Gramm ganze 230 Gramm weniger, aber unterschätzen sollte man ihre Abmessungen und das Gewicht dennoch nicht, vor allem nicht beim Einsatz mit grossen Optiken. EOS-R-Kamera und Kit-Objektiv RF 24–105 mm wiegen zusammen 1350 Gramm.

Mir lag die EOS R ausgezeichnet in der Hand, der Griff ist tief und sehr gut ausgeformt, kurz gesagt, er hat einfach das richtige Mass. Bei Händen durchschnittlicher Grösse bleibt auch der kleine Finger noch am Gehäuse und rutscht nicht unten durch. Ein Detail, auf das erstaunlich viele Fotografen grossen Wert legen und nur dafür in einen Batterie- oder Hochformatgriff investieren. Bei der EOS R ist dies nicht nötig. Auch grössere Objektive hält man sicher fest, und das Vollformat, auch wenn es jetzt spiegellos ist, verlangt noch immer nach voluminösen Objektiven, vor allem bei lichtstarken Gläsern.

Wie den meisten Profikameras fehlt auch der EOS R ein eingebautes Blitzgerät. Sie ist jedoch mit der übrigen Canon-Welt kompatibel. EOS-Systemzubehör und Speedlite-Blitzgeräte können an ihr angeschlossen werden. Sogar eine markenfremde PocketWizard-Funkfernsteuerung für Blitzgeräte harmonierte mit meiner EOS R, wenn auch nur im Automatikmodus.

Bei der Stromversorgung bleibt Canon beim langjährigen LP-E6-Typ, der für die EOS R in der neuen Version LP-E6N erscheint und auch per USB-Anschluss in der Kamera geladen werden kann. Leider ist diese Variante sehr wählerisch, was das USB-Ladegerät angeht. Von meinen drei Geräten funktionierte kein einziges. Hier möchte Canon wohl sein eigenes (teures) USB-Ladegerät PD-E1 verkaufen. Die normalen LP-E6-Akkus können in der EOS R verwendet, aber nicht per USB geladen werden.

Adapter sei Dank: Vorhandene EF-Objektive lassen sich mittels Zwischenstück an der EOS R andocken. Im Bild der Adapter mit dem neuen Objektiv-Steuerring.Adapter sei Dank: Vorhandene EF-Objektive lassen sich mittels Zwischenstück an der EOS R andocken. Im Bild der Adapter mit dem neuen Objektiv-Steuerring.

Altglas-Verwertung

Nicht jeder Canon-Fotograf wird sich beim Erwerb einer EOS R gleich alle vier neuen Optiken zulegen wollen oder können. Dies ist auch nicht nötig, denn ein schon vorhandener Canon-Objektiv-Park lässt sich mit den EF-EOS-R-Bajonettadaptern weiterhin verwenden. Bereits erhältlich sind der normale «nackte» Adapter sowie die Version mit Objektiv-Steuerring, die ich zum Test erhielt. An beiden lassen sich EF- wie auch EF-S-Optiken anschliessen, jedoch keine EF-M-Objektive der APS-C-Kameraserie von Canon.

Die EF-EOS-R-Adapter selbst sind linsenlos. Sie überbrücken im Grunde genommen nur die unterschiedlich langen Auflagemasse von EF- und RF-Bajonett und übertragen die Anschlusskontakte.

So adaptierte ich gleich ein älteres EF 17–40 mm f/4.0 L, ein EF 24–70 mm f/2.8 L USM, ein EF 100 mm f/2.8 sowie das EF 70–200 mm f/4 L IS USM. Alle Objektive verhielten sich an der EOS R wie gewohnt und stellten beim Fotografieren ohne Murren und erstaunlich zügig scharf. Das RF 24–105 mm war jedoch klar schneller beim Fokussieren und vor allem leiser.

Dies fällt umso mehr beim Filmen auf. Da die älteren EF-Optiken noch fürs Fotografieren auf Film optimiert sind und weil von Videoaufnahmen mit Fotokameras damals noch keine Rede war, knarzten die Altgläser ziemlich laut während der kontinuierlichen Schärfenachführung beim Filmen. Sie fokussierten recht zuverlässig, nur bei längeren Brennweiten gab es ab und zu ein Schärfepumpen. In Schnelligkeit und Hörbarkeit mussten sie sich jedoch klar vom RF 24–105 mm geschlagen geben. Sobald ich auf dieses wechselte, herrschte wieder absolute Ruhe. Am besten filmt man mit älteren EF-Objektiven bei manueller Fokussierung und setzt ein externes Mikrofon oder einen separaten Audiorecorder zur Tonaufnahme ein.

Bestens kam ich auch mit dem Objektiv-Steuerring im EF-EOS-R-Bajonettadapter klar. Er erweitert die Einstellmöglichkeiten komfortabel, und damit sind wir bei den neuen Bedienungsmöglichkeiten der Canon EOS R.

Fingertipp, Steuerring und Funktionsleiste

Wisch und weg: Mit der Funktionsleiste (oben links im Bild) führt Canon eine neue Bedienungsart ein.Wisch und weg: Mit der Funktionsleiste (oben links im Bild) führt Canon eine neue Bedienungsart ein.

Wer schon mal mit Canons EOS-Kameras fotografiert hat, wird auch die neue EOS R schnell beherrschen, nachdem er sich an ihre Neuheiten und Besonderheiten gewöhnt hat. So fällt gleich auf, dass auf der Rückseite das Canon-typische, grosse Einstellrad neben dem Display fehlt. Dafür gibt es auf der rechten Oberseite ein Schnell-Kontroll-Rädchen. Auch der Autofokus-Joystick ist verschwunden, dafür hat Canon die Bedienung über den Touch-Bildschirm durchgehend umgesetzt.

Über den acht Zentimeter grossen Bildschirm lässt sich nicht nur der Schärfebereich bestimmen, man scrollt damit auch zügig durch die Menü-Register und stellt Werte ein. Je nach Grösse der Wertefelder sind dazu jedoch spitzige Finger nötig. Natürlich kann man auch wie gewohnt mit Drehrad und Pfeiltasten hantieren. Dennoch habe ich manchmal den Joystick vermisst, der für mich einfach noch etwas griffiger ist.

Der Bildschirm besitzt 2,1 Millionen Bildpunkte, lässt sich ausschwenken und nach vorne drehen. Dies ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal bei spiegellosen Vollformat-Kameras. Ideal für Selfie-Fans und Vlogger. Aber auch Fotografen und «normale» Videofilmer profitieren davon, erlaubt er doch Aufnahmen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln, ohne sich dazu allzu stark verrenken zu müssen. Und beim Transport klappt man einfach die Bildschirmseite nach innen und schützt sie so perfekt gegen Kratzer und Stösse.

Einmalig bei Vollformatkameras: Der aus- und umklappbare Touch-Bildschirm der EOS R – ideal für Selfies, Vlogger und andere Anwendungen.Einmalig bei Vollformatkameras: Der aus- und umklappbare Touch-Bildschirm der EOS R – ideal für Selfies, Vlogger und andere Anwendungen.

Nach einiger Angewöhnungszeit konnte ich den Fokuspunkt per Fingertipp auf das Display oft schneller anpassen als früher per Joystick. Um dabei das Auge nicht vom Sucher nehmen zu müssen, klappt man den Bildschirm mit Touch-Bereich nach aussen um und fährt mit dem Finger darüber. Irgendwie hat dies bei mir nicht richtig klappen wollen. Dauernd verschob sich die AF-Bereichsanzeige und befand sich nie dort, wo ich wollte. Bis ich herausfand, dass auch noch meine grosse Nase mitspielte, mit der ich unbewusst die Markierung verschob!

Zum Glück lässt sich der aktive Touch-Bereich auf dem Display selber festlegen. Nachdem ich ihn vom rechten auf den unteren Bereich geändert hatte, war mein Finger und nicht die Nase Herr über den AF-Bereich.

Die EOS R verfügt über sagenhafte 5600 Autofokus-Positionen. Das AF-Feld lässt sich tatsächlich bis an die obere und untere Bildschirmkante schieben, am rechten und linken Rand bleibt noch ein schmaler Streifen AF-frei. Somit kann man direkt auf jede beliebige Stelle im Bild scharfstellen. Man muss nicht mehr wie bisher das gewünschte Motiv zuerst in die Bildmitte, bzw. in den eingeschränkten AF-Bereich der Kamera nehmen, Auslöser zur Fokussierung halb herunterdrücken, halten und danach den Bildausschnitt neu bestimmen. Man fokussiert gleich «richtig» aufs Motiv, auch wenn es sich am Bildrand befindet.

Der Befehl für die Autofokus-Verfolgung (AF-Tracking) ist unter der AF-Gesichts-Erkennung untergebracht, also nicht allein aufrufbar. Priorität hat das Gesicht, wählbar mit oder ohne Augenerkennung. Wird ein Gesicht und ein Auge erkannt, kann noch mit Fingertipp aufs Display oder per Pfeiltasten bestimmt werden, ob auf das linke oder rechte Auge scharfgestellt wird. Die Augenerkennung funktioniert gut, wenn beide Augen sichtbar sind. Sobald auch nur ein Auge durch einen Gegenstand etwas verdeckt war, konnte es die EOS R nicht mehr erkennen. Interessanterweise auch nicht das andere Auge mit freier Sicht darauf.

Ich habe im Selfie-Modus mein Gesicht erkennen lassen, dann ein Pelztier davor gehalten. Sofort fokussiert die Kamera darauf, ein Fingertipp aufs Tier und es wird zuverlässig beim Hin- und Herbewegen verfolgt. Ein Druck auf die Papierkorb-Taste «enttrackt» es wieder. Verschwindet das verfolgte Tier aus dem Bild und ist es für die Kamera nicht mehr sichtbar, wartet sie eine gewisse Zeit, hebt dann das Tracking von selber auf und markiert wieder das Gesicht.

Bei schnelleren Motiven hatte ich Mühe, diese manuell per Fingertipp zu markieren und verfolgen zu lassen. Hier kommt es sehr auf die Erkennbarkeit und den Kontrast des Motivs an. Erst als ich das «Servo AF-Ausgangsfeld» auf automatisch umgeschaltet hatte, wurde es besser. Die Kamera versucht auch, die Grösse des Motivs anzupassen, mit gemischten Resultaten. Ich denke, bei langsamen Motiven ist das AF-Tracking durchaus sinnvoll. Bei schnelleren bin ich mit händischer Motivverfolgung und Servo-AF besser gefahren.

Das manuelle Scharfstellen wird durch Bildvergrösserung, Fokus-Peaking oder Fokusassistenten unterstützt. Ich aktivierte das Fokus-Peaking, also die farbige Kanten-Anhebung und war wirklich positiv überrascht, wie gut damit die manuelle Scharfstellung gelang. Ich brauchte sie oft beim gezielten Freistellen von Motiven. Der Fokusassistent zeigt einem mit kleinen Pfeilsymbolen an, in welcher Richtung und wie weit man den Fokus anpassen muss. Ist die Augenerkennung aktiv, wird ein Führungsrahmen in der Nähe von erkannten Augenpaaren angezeigt und so das manuelle Scharfstellen unterstützt.

Zusätzlicher Objektivring

Ein neues Bedienungselement ist der zusätzliche Einstellring an den RF-Objektiven. Er lässt sich auf zwei unterschiedliche Arten mit Blende, Verschlusszeit, ISO oder Belichtungskorrektur belegen. Zum einen ist jederzeit der direkte Zugriff darauf möglich, oder im andern Fall erst, wenn der Auslöser halb gedrückt oder die AE-Lock-Taste betätigt wurde.

Geschickt eingesetzt, hat man so mit der linken Hand Zoom-Ring, Fokus-Ring und zum Beispiel die Belichtungskorrektur via Einstellring direkt am Objektiv im Griff, und passt mit rechts Blenden-, Verschlusszeit- oder ISO-Werte an. Clever von Canon gelöst: Über den EF-EOS-R-Adapter mit Objektiv-Steuerring lassen sich auch vorhandene EF-Optiken auf diese Weise bedienen.

Neu beringt: Das Canon-RF-Objektiv 24–105 mm mit Zoom-, Schärfe- und ganz vorne dem neuen Einstellring.Neu beringt: Das Canon-RF-Objektiv 24–105 mm mit Zoom-, Schärfe- und ganz vorne dem neuen Einstellring.

Gemischte Gefühle am Wischbalken

Ebenfalls neu ist die Multifunktions-Leiste rechts neben dem Sucher. Als Touch-Bedienungsfeld lässt sie sich mit verschiedenen Funktionen belegen. So können durch Darüberwischen die ISO-Werte eingestellt werden oder feste Werte durch Drücken auf das rechte oder linke Leistenende abgerufen werden.

Vorteil gegenüber dem bisherigen grossen Canon-SET-Drehrad: Es lässt sich damit völlig lautlos arbeiten. Zudem ist es einfacher gegen Witterungseinflüsse zu schützen.

Funktionswahl am Balken: Welcher Wert soll gewischt werden?Funktionswahl am Balken: Welcher Wert soll gewischt werden?

Leider wurde die Leiste nahe bei der Daumenauflage platziert, sodass ich oft aus Versehen darauf gedrückt habe. Canon ist sich dessen bewusst und bietet eine Sperrfunktion im Aufnahmemodus an. Ist die Funktion aktiv, die Leiste also gesperrt, drückt man rund 2 Sekunden auf das linke Ende, bis ein weisses Balken-Symbol mit «ON»-Beschriftung erscheint. Jetzt kann die Leiste bedient werden. Zur erneuten Sperrung wird wieder auf das linke Ende gehalten, bis das Symbol «OFF» die Deaktivierung der Leiste signalisiert. Ohne Bedienung der Leiste wird sie nach rund 10 Sekunden automatisch wieder gesperrt. Schliesslich kann man die Sperrung auch ganz ausschalten.

Zwei Sekunden scheinen kurz, doch bei Schnappschüssen können sie einem wie eine halbe Ewigkeit vorkommen, bis man endlich Leisten-Zugriff hat. Ich habe die Leiste beim Fotografieren schliesslich ganz ausgeschaltet und dafür beim Filmen mit der Tonaussteuerung belegt. Ohne Sperrfunktion, da ich die Kamera während Videoaufnahmen weniger oft bedienen muss. So konnte ich den Tonpegel wenn nötig direkt per Leiste nachregeln, ohne ihn erst über die Menüsteuerung aufrufen zu müssen.

Ein Detail am Rande: Ist die Sperrfunktion der Leiste beim Filmen aktiv und wechselt man wieder in den Fotomodus, wo ich die Leiste ja ganz abgeschaltet hatte, kann man sie dennoch entsperren und man wird nach 2 Sekunden mit dem Hinweis «nicht verfügbar» belohnt. Irgendwie nicht ganz logisch. Entweder sollte der Hinweis sofort nach Berühren der Leiste erscheinen oder es sollte gar nichts geschehen.

Hauptmenü der Leiste: Funktionen während Aufnahme und Wiedergabe wählen sowie Sicherheitsstufe auswählen.Hauptmenü der Leiste: Funktionen während Aufnahme und Wiedergabe wählen sowie Sicherheitsstufe auswählen.

Anpassungsfähig

Individuell: Tasten und Rädchen lassen sich anpassen, ganze Kamera-Setups in den drei Speicherplätzen C1-C3 ablegen.Individuell: Tasten und Rädchen lassen sich anpassen, ganze Kamera-Setups in den drei Speicherplätzen C1-C3 ablegen.

Die EOS R lässt sich wie sonst keine andere Canon-Kamera beinahe komplett seinen Vorlieben anpassen und so optimal auf die eigene Arbeitsweise ausrichten. Die Tasten und Wahlrädchen sind mit vielen von der Standardeinstellung abweichenden Funktionen belegbar, getrennt nach Foto- oder Video-Einsatz.

Wem diese Anpassungen zu wenig weit gehen, kann auf den drei Speicherplätzen «Individual-Aufnahmemodus C1 – C3» auch die gesamte aktuelle Kameraeinstellung ablegen und bei Bedarf schnell darauf zugreifen. Und schliesslich lassen sich auf der Registerkarte «My Menu» Menüoptionen und Individualfunktionen für das ganz persönliche Menü zusammenstellen. Man kann sogar bestimmen, ob es als erstes erscheinen soll, sobald die Menü-Taste gedrückt wird.

Sehr gut hat Canon bei der EOS R das Problem der unterschiedlichen Einstellungen zwischen Fotografieren und Videofilmen gelöst. Bei manchen Einsätzen muss heute immer öfter kurzfristig zwischen den beiden umgeschaltet werden. Drückt man im Foto-Modus den separaten Videoauslöser, startet eine Videoaufnahme, entweder im Vollautomatikmodus, wenn man vorher damit fotografiert hat, oder in allen anderen Fällen mit den Movie-Voreinstellungen im Anwender-Menü C3.

Beendet man das Filmen, befindet man sich wieder im Foto-Modus und kann sofort mit den vorherigen Foto-Einstellungen weitermachen. Den eigentlichen Video-Modus erreicht man nach Drücken der Mode-Taste im Menü «Aufnahmemodus». Dort gelangt man per Info-Taste oder -Symbol an alle Filmeinstellungen und hat Zugriff auf die Menüs für die Videoaufnahme. Während des Filmens ist kein Fotografieren möglich. Schaltet man den Foto-Modus zurück, stehen einem wieder alle Foto-Einstellungen unverändert zur Verfügung.

Aufnahme-Modi per Touchscreen wählen. Neben der grünen Vollautomatik die flexible Automatik «Fv», darunter die Speicherplätze C1 – C3.
Aufnahme-Modi per Touchscreen wählen. Neben der grünen Vollautomatik die flexible Automatik «Fv», darunter die Speicherplätze C1 – C3.
Bestimmen der aktiven Berührungsfläche des Bildschirms.
Bestimmen der aktiven Berührungsfläche des Bildschirms.
Funktions-Anpassung der oberen Tasten.
Funktions-Anpassung der oberen Tasten.
Funktions-Anpassung der hinteren Tasten.
Funktions-Anpassung der hinteren Tasten.
Funktions-Anpassung der Wahlräder.
Funktions-Anpassung der Wahlräder.
Funktionsauswahl für den Steuerungsring am Objektiv oder EOS-R-Adapter.
Funktionsauswahl für den Steuerungsring am Objektiv oder EOS-R-Adapter.

Aufgefallen ist zudem, dass sich die Canon-Bedienungsphilosophie immer mehr an der Smartphone- und Tablet-Generation orientiert. So gibt es kein mechanisches Haupteinstellungsrad mit eingravierten Symbolen mehr. Der Aufnahmemodus wird über die «MODE»-Taste oder direkt per Touchscreen ausgewählt.

Neben den Canon-bekannten P-Tv-Av-M- und BULB-Modi gibt es auch einen Fv-Modus. Die Abkürzung steht für «Flexible Automatik» und erlaubt es, die Verschlusszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit manuell oder automatisch einzustellen und diese Einstellungen mit der gewünschten Belichtungskorrektur zu kombinieren. Zu Beginn etwas verwirrend, aber bald eine interessante Alternative zu den herkömmlichen P-Tv-Av-M-Modi.

Das Info-Panel auf der Kamera-Oberseite ist gut ablesbar und lässt sich invers darstellen. Es ist im Vergleich zur 5D IV jedoch etwas klein geraten. Alle Einstellungen darauf werden auch auf dem Bildschirm oder im Sucher angezeigt. Ich habe deshalb fast nie darauf geschaut.

Übersichtliche Oberseite: Einschalter links, Schulter-LC-Panel und fünf Tasten plus Auslöser rechts. Die «MODE»-Taste ersetzt das klassische Haupteinstellungsrad.Übersichtliche Oberseite: Einschalter links, Schulter-LC-Panel und fünf Tasten plus Auslöser rechts. Die «MODE»-Taste ersetzt das klassische Haupteinstellungsrad.

Gleich oberhalb des Auslösers befindet sich eine sehr kleine Multifunktionstaste. Ich würde sie eher als Knopf bezeichnen. Dennoch lässt sie sich gut ertasten und man kann in Kombination mit dem hinteren Wahlrad beispielsweise ISO-Empfindlichkeit, Weissabgleich oder Blitzbelichtungskorrektur einstellen. Natürlich lässt sich auch diese Taste mit anderen Funktionen programmieren.

Belegt man den neuen Objektiveinstellring mit der Belichtungskorrektur, hat man zusammen mit Multifunktionstaste und Wahlrädern die wichtigsten Parameter wie Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert immer im direkten Zugriff, ohne den Blick vom Sucher zu nehmen. Dasselbe gilt für die Bildwiedergabe, wenn man sich die Position der Play-Taste gemerkt hat. Dank elektronischem Sucher erhält man auch unter hellstem Umgebungslicht eine zuverlässige Kontrolle über die Bildschärfe.

Eine weitere und ebenso bequeme Bedienungsart läuft über die Schnelleinstellungstaste, kurz mit «Q» für «Quick» bezeichnet. Sie dient gleichzeitig als «SET»-Taste für Menübestätigungen. Nach Drücken von «Q» wählt und ändert man je nach Anzeige-Voreinstellung per Pfeiltasten und Wahlrädern die gewünschten Werte.

Schotten dicht: Damit während eines Objektivwechsels der Sensor sauber bleibt, macht der Verschlussvorhang ganz zu.Schotten dicht: Damit während eines Objektivwechsels der Sensor sauber bleibt, macht der Verschlussvorhang ganz zu.

Gut gefallen hat auch die automatische Schutzvorrichtung für den Sensor. Sehr praxisbezogen macht der Verschlussvorhang dicht, sobald die Kamera zum Beispiel für einen Objektivwechsel ausgeschaltet wird. Dadurch fällt kein Schmutz und Staub auf den Bildsensor.

Weniger überzeugen konnte die Serienbildgeschwindigkeit der EOS R. Sie ist mit knappen 5 Bildern pro Sekunde und AF-Nachführung definitiv keine Sportskanone. Ohne Schärfenachführung sind es immerhin schnellere 7–8 Bilder pro Sekunde, die dank UHS-II-Standard sehr rasch auf der SD-Karte liegen.

Ein weiterer Diskussionspunkt ist der fehlende zweite Speicherkartenplatz der EOS R. Für alle, die ihren Datenverlust durch Kartenfehler bereits hinter sich haben oder zwingend auf zwei Slots angewiesen sind, wie etwa sicherheitsliebende Event- und Hochzeitsfotografen, ist die Canon EOS R deshalb aus dem Rennen.

Der lautlose Aufnahme-Modus gefiel dagegen sehr und wäre auch für die vorhin erwähnte Zielgruppe ideal. Damit entfiele endlich das nervige Spiegelgeklappere bei der Ringübergabe in der Kirche. Die EOS R signalisiert mit einem weissen Rahmen ums Bild, dass auch tatsächlich fotografiert wurde, denn jetzt hört man ja nichts mehr!

Leider herrscht nur beim Einzelbild absolute Stille. Dort wo es besonders sinnvoll wäre, bei Serienbildern etwa, kann die Lautlos-Funktion nicht eingesetzt werden. Hier zeigen alle übrigen Mitbewerber, wie es funktioniert. Wieso nicht auch du, Canon?

Dies ist wieder ein typisches Beispiel dafür, wie Canon gute Ideen zwar umsetzt, aber leider nicht zu Ende denkt. Mögen es technische oder finanzielle Gründe gewesen sein, es erinnert mich irgendwie an einen Schritt vor und zwei zurück.

Robustes Standardzoom: Das Canon-Objektiv RF 24–105 mm f/4 L IS USM ist ein typisches Kit-Objektiv und ideal auf Reisen.Robustes Standardzoom: Das Canon-Objektiv RF 24–105 mm f/4 L IS USM ist ein typisches Kit-Objektiv und ideal auf Reisen.

Objektiv betrachtet

In London konnte ich mich bereits von den Fähigkeiten der EOS R bei wenig bis wirklich sehr wenig Licht überzeugen. Hier trumpfte vor allem das lichtstarke 50-mm-f/1.2-RF-Objektiv auf. Bereits bei Offenblende ist es erstaunlich scharf, wenn man damit sehr sorgfältig fokussiert hat, denn der Schärfebereich ist durch Vollformat und bei Blende f/1.2 sehr, sehr klein. Hinzu kommt, dass es keinen eingebauten Bildstabilisator besitzt und dabei trotzdem erstaunlich scharfe Bilder entstehen. Gut, eine ruhige Hand und etwas Atemtechnik oder eine aktive Mitgliedschaft in einem Schiessverein sind dafür immer noch nötig.

In der Schweiz stellte mir Canon eine EOS R mit dem Kit-Objektiv RF 24–105 mm f/4 L IS USM zur Verfügung. Es besitzt einen eingebauten Bildstabilisator, ist wettergeschützt und fokussiert sehr schnell und leise. Durch den zusätzlichen Steuerring lassen sich Blenden-, Verschluss- oder ISO-Werte sehr schnell und direkt anpassen. Trotz relativ hoher Anfangsblende von f/4.0 zeigt diese Zoom-Optik eine sehr gute Abbildungsleistung und ist schon bei Offenblende erstaunlich scharf. In extremer Weitwinkelstellung sind jedoch auch bei stärkerer Abblendung Vignettierungen sichtbar.

Dieses Objektiv verblüffte auch in London unter den schwierigen Lichtverhältnissen. Bei der Künstlerin im rot-weiss-schwarzen Oberteil (siehe Bild in der Fotostrecke) liegt der Fokus perfekt auf dem Gesicht. Einzelne Härchen wie auch die blonden Zöpfchen werden knackscharf abgebildet. Rundherum herrscht sattes Schwarz, Hautton und übrige Farben kommen natürlich daher. Ein Bildrauschen ist kaum wahrnehmbar, und dies bei einem ISO-Wert von 12'800!

Die Qualität der RAW-Bilder der EOS R ist mit denen einer EOS 5D Mark IV vergleichbar, was nicht weiter erstaunt, da ja ein sehr ähnlicher Sensor verwendet wird. Bei den JPEG-Aufnahmen im Standard-Profil schärft die EOS R etwas mehr nach und einige Farben wirken kräftiger als bei der 5D IV. Dies kann auch auf die neuen RF-Objektive zurückzuführen sein. Sonst zeigen die Fotos den für mich angenehmen Canon-Look mit neutralen Farben, hohem Kontrastumfang und guter Detailschärfe.

Farbstörungen an Rändern, die chromatischen Aberrationen, sind auch bei extremen Kontrasten kein Thema und werden perfekt herausgerechnet. Das Bildrauschen hält sich selbst bei höheren Werten in Grenzen, Aufnahmen sind je nach Motiv auch mit ISO 12'800 noch brauchbar. Wer in RAW aufnimmt, hat wie immer noch mehr Spielraum bei einer späteren Bildoptimierung.

Wer bei den RAW-Aufnahmen Speicherplatz sparen möchte, darf in «CRAW» fotografieren. Dieses «Compact RAW»-Format liefert RAW-Bilder mit kleinerer Dateigrösse und soll laut Canon keine sichtbaren Qualitätseinbussen bringen.

Die 30 Megapixel grossen JPEG-Aufnahmen (6720 x 4480 Pixel) in der Fotostrecke sind wie immer nur aufs Web-Format verkleinert worden und stammen sonst unbearbeitet direkt aus der Kamera.

Canon RF 24–105 mm, Brennweite 53 mm, f/4.0, 1/320 Sek., ISO 100. Keine Kantenstörungen (chromatische Aberrationen) sichtbar.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 53 mm, f/4.0, 1/320 Sek., ISO 100. Keine Kantenstörungen (chromatische Aberrationen) sichtbar.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 80 mm, f/4.0, 1/80 Sek., ISO 5000. Ganz leichtes Bildrauschen.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 80 mm, f/4.0, 1/80 Sek., ISO 5000. Ganz leichtes Bildrauschen.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 105 mm, f/4.0, 1/100 Sek., ISO 12800. Je nach Betrachtungsabstand noch akzeptables Bildrauschen.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 105 mm, f/4.0, 1/100 Sek., ISO 12800. Je nach Betrachtungsabstand noch akzeptables Bildrauschen.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 105 mm, f/4.0, 1/160 Sek., ISO 12800. Verblüffende Schärfe im Gesicht, kaum Bildrauschen, sattes Schwarz.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 105 mm, f/4.0, 1/160 Sek., ISO 12800. Verblüffende Schärfe im Gesicht, kaum Bildrauschen, sattes Schwarz.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 91 mm, f/9.0, 1/200 Sek., ISO 100. Canons natürlich angenehme Hauttöne.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 91 mm, f/9.0, 1/200 Sek., ISO 100. Canons natürlich angenehme Hauttöne.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 103 mm, f/8.0, 1/200 Sek., ISO 100. Gesichts- und Augenerkennung aktiv: Perfekte Scharfstellung auf die Augen.
Canon RF 24–105 mm, Brennweite 103 mm, f/8.0, 1/200 Sek., ISO 100. Gesichts- und Augenerkennung aktiv: Perfekte Scharfstellung auf die Augen.
Canon EF 70–200 mm f/4 L IS USM plus 1,4x Extender plus EOS-R-Adapter. Ermöglicht dank Objektivstabilisator Aufnahmen aus der Hand mit 1/13 Sekunde, Brennweite 280 mm, f/5.6, ISO 200.
Canon EF 70–200 mm f/4 L IS USM plus 1,4x Extender plus EOS-R-Adapter. Ermöglicht dank Objektivstabilisator Aufnahmen aus der Hand mit 1/13 Sekunde, Brennweite 280 mm, f/5.6, ISO 200.

Action mit 4K-Crop

Ton ab, Kamera läuft: Die Anschlüsse für externes Mikrofon und Kopfhörer ermöglichen Filmen mit professioneller Tonaufnahme und -kontrolle.Ton ab, Kamera läuft: Die Anschlüsse für externes Mikrofon und Kopfhörer ermöglichen Filmen mit professioneller Tonaufnahme und -kontrolle.

Die EOS R speichert Videoaufnahmen als MP4-Dateien im MPEG-4 AVC/H.264 Codec ab. Bei der Kompressionsmethode kann zwischen bidirektional (IPB) oder ALL-I gewählt werden. Bei ALL-I werden alle Videobilder als sogenannte Intraframes abgelegt, die sämtliche Informationen in allen Einzelbildern enthalten. Dies benötigt weniger Leistung bei Wiedergabe oder Videoschnitt, kostet jedoch mehr Speicherplatz gegenüber IPB, wo nach einem sogenannten I-Frame nur noch die Unterschiede der folgenden Frames gespeichert werden.

Bei der Videogrösse bietet die Kamera HD (1280 x 720 Pixel), Full HD (1920 x 1080) und 4K/UHD (3840 x 2160) an. Die Cinema-Grösse DCI-4K (4096 x 2160) wie bei der 5D Mark IV gibt es nicht. Bei 4K/UHD sind Bildraten bis zu 30, bei Full HD und HD bis zu 60 Bilder pro Sekunde möglich (NTSC-Einstellung). Die maximale ununterbrochene Aufnahmezeit für eine Videosequenz beträgt generell 29 Minuten und 59 Sekunden, danach muss der Video-Auslöser erneut betätigt werden.

Die EOS R beherrscht ebenfalls Zeitlupen-Aufnahmen. Doch auch hier fragt man sich, was sich Canon dabei gedacht hat. Die Aufnahme erfolgt mit maximal 120 Bildern pro Sekunde für längstens 7 Min. 29 Sek., was dann eine Zeitlupen-Wiedergabe mit 1/4 der Geschwindigkeit ergibt. Die Aufnahmen sind jedoch nur in HD-Auflösung (1280 x 720 Pixel), ohne Ton, ohne digitale Bildstabilisierung und ohne Autofokus möglich! Also eigentlich unbrauchbar.

Noch unverständlicher und ebenfalls viel zu diskutieren gibt der Crop-Faktor bei 4K/UHD-Aufnahmen. Im Handbuch heisst es dazu lapidar: «Mit RF- oder EF-Objektiven können Movies im Bereich der Bildmitte zugeschnitten werden. So als würden Sie ein Teleobjektiv verwenden ... 4K-Movies werden immer mit zugeschnittener Mitte des Aufnahmebildschirms aufgenommen ...»

In der Praxis bedeutet dies, dass einem beim Umschalten vom Foto- in den 4K/UHD-Videomodus der Bildausschnitt um Faktor 1,83 vergrössert zufliegt. Dieser erweiterte Telebereich mag für Tierfilmer von Vorteil sein, ist für alle anderen, die 4K-Vollformat-Weitwinkel erwarten, vor allem Youtuber und Vlogger, eine ziemlich starke Einschränkung und trübt die ansonsten recht professionellen Videofähigkeiten der EOS R sehr. Ein 24-mm-Weitwinkel wird so zur 45-mm-Normalbrennweite.

Dieser 4K-Crop scheint mehr politisch denn technisch bedingt zu sein und liegt in Canons Tradition, Produkte absichtlich zu «kastrieren», um die eigenen Profi-Modelle der Cinema-Reihe, oder die 5D IV oder den neuen Camcorder XF705 zu schützen. Ähnliche Einschränkungen gibt es zum Beispiel bei der 6D Mark II oder bei der EOS M50. Ob diese Politik nicht gerade das Gegenteil bewirkt und noch mehr Kunden zu Mitbewerbern abwandern lässt, sei hier mal offen gelassen.

Video-Menü. Auswahl zwischen 25p PAL oder 24p Kinolook.
Video-Menü. Auswahl zwischen 25p PAL oder 24p Kinolook.
Video-Menü. Auswahl der Videoqualität und Bildrate im PAL-Standard.
Video-Menü. Auswahl der Videoqualität und Bildrate im PAL-Standard.
Video-Menü. Bei Zeitlupen-Aufnahmen ist so ziemlich alles deaktiviert.
Video-Menü. Bei Zeitlupen-Aufnahmen ist so ziemlich alles deaktiviert.
Video-Menü. Wahl der Autofokus-Reaktion.
Video-Menü. Wahl der Autofokus-Reaktion.
Video-Menü. Wahl der Autofokus-Geschwindigkeit.
Video-Menü. Wahl der Autofokus-Geschwindigkeit.
Video-Menü. Die Blende von RF-Objektiven kann in 1/8-Stufen geregelt werden. Menüpunkt ganz unten.
Video-Menü. Die Blende von RF-Objektiven kann in 1/8-Stufen geregelt werden. Menüpunkt ganz unten.
Video-Menü. Zeitcode-Einstellungen.
Video-Menü. Zeitcode-Einstellungen.
Video-Menü. Canon-Log-Einstellung für externe 4K-Aufzeichnung.
Video-Menü. Canon-Log-Einstellung für externe 4K-Aufzeichnung.

Die EOS R führt die Schärfe auch bei Video mit dem Canon-typischen Dual-Pixel-Autofokus sehr schnell und genau nach. Die auch in den professionellen EOS-Cinema-Produkten eingesetzte Technik ordnet jedem Bildpunkt auf dem Sensor noch zwei Subpixel zu und erlaubt damit eine AF-Phasenmessung direkt auf dem Aufnahmechip.

Standardmässig ist beim Filmen der Servo-Autofokus eingeschaltet, sodass die EOS R dauernd scharfstellt. Wird der Foto-Auslöser während des Filmens halb durchgedrückt, erfolgt eine neue Scharfeinstellung mit der aktuell gewählten AF-Methode.

Die Schärfenachführung funktionierte bei den Testaufnahmen sehr gut. Die Autofokus-Reaktion und -Geschwindigkeit kann der Aufnahmesituation angepasst werden und ermöglicht sanfte Schärfeübergänge.

Getrennte Bedienung

Die Einstellungen für Foto- und Video-Betrieb lassen sich bei der EOS R völlig unabhängig voneinander anpassen und bleiben bestehen, während man hin- und herwechselt. Dies gilt auch für Blende, Verschlusszeit und ISO-Werte, die bei andern Kameras jeweils wieder neu einzustellen sind, sobald man von Foto auf Video wechselt oder umgekehrt.

Im Video-Hauptmenü ist das Filmen im Automatik-Plus-Modus, in Programm-, Blenden- und Zeit-Automatik oder mit manuellen Einstellungen wählbar. Die neue Fv-Funktion des Foto-Hauptmenüs gibt es hier leider nicht. Bei allen Automatik-Modi regelt die Kamera den ISO-Wert selbständig und lässt auch keine ISO-Limitierung zu. Man wählt deshalb am besten gleich die manuelle Einstellung, um die vollständige Kontrolle über alle Parameter zu haben.

Video-Hauptmenü: Der neue Foto-Fv-Modus ist fürs Filmen nicht vorgesehen.Video-Hauptmenü: Der neue Foto-Fv-Modus ist fürs Filmen nicht vorgesehen.

Die meisten Foto-Objektive eignen sich nicht optimal fürs Filmen, wenn sie in Blendenautomatik eingesetzt werden, da es hier zu unschönen Helligkeitsschwankungen kommt. Dies lässt sich bei der EOS R etwas abschwächen, indem bei RF-Objektiven die Blendenwerte beim Filmen statt in 1/2- oder 1/3- in feineren 1/8-Abstufungen geändert werden können. Am besten ist es jedoch, gleich mit fester Blende zu filmen und sie halt bei jeder neuen Einstellung anzupassen.

Im Video-Modus lässt sich ein elektronischer Bildstabilisator zuschalten. Mit diesem «Movie Digital-IS» können Videobilder stabilisiert werden, auch wenn ein Objektiv ohne eingebauten Image Stabilizer genutzt wird. Leider wird dabei zwangsläufig der Bildausschnitt nochmals etwas verkleinert. Der «Movie Digital-IS» sollte deshalb vor allem bei 4K/UHD-Aufnahmen mit Bedacht eingesetzt werden und bei Schwenks ab Stativ sowieso ganz abgeschaltet werden, da er am Schwenkende noch deutlich «nachzieht».

Sonst lässt sich mit der EOS R sehr gut filmen, auch dank des variablen Bildschirms, der problemlos Überkopf- und bodennahe Aufnahmen ohne grosse Verrenkungen ermöglicht. Wie beim Fotografieren können auch beim Filmen die Canon-Farben einmal mehr überzeugen. Durch den grossen Sensor bringt die EOS R auch bei schwacher Beleuchtung noch gute Ergebnisse. Farben und Details werden präzise dargestellt, ohne im Bildrauschen unterzugehen.

Log und Ton

Durch das bereits integrierte Canon-Log ist auch ein späteres Color-Grading möglich. Via HDMI lässt sich ein 4K-4:2:2-10-bit-Signal extern aufzeichnen, etwa auf einen Atomos Ninja V Recorder. Die Log-Einstellungen dürfen noch individuell in Schärfe, Farbton und Sättigung angepasst werden.

Da bei Log-Aufnahmen ein flaches Gamma-Profil zum Tragen kommt, wirken die Bilder am Sucher und Monitor kontrastlos, sehr flau und milchig. Um eine bessere Detailansicht und ein ungefähres Bild vom Endprodukt zu erhalten, lässt sich ein «Assistent» mit einem simulierten Bildstil einblenden. Auf das aufgezeichnete Videosignal wirkt er sich natürlich nicht aus.

Für die Nachbearbeitung und zur Synchronisation wird beim Filmen automatisch ein Zeitcode mit Stunden, Minuten, Sekunden und Einzelbildern mitgespeichert. Er lässt sich auch über HDMI ausgeben und erlaubt den synchronen Start und Stopp eines angeschlossenen Recorders.

Mit der EOS R können auch HDR-Movies mit hohem Dynamikumfang aufgenommen werden, jedoch nur in Full-HD-Qualität und mit maximal 30 Bildern pro Sekunde.

Zur Tonaufnahme lässt sich ein externes Mikrofon an die EOS R anschliessen. Eine Kopfhörerbuchse für die Tonkontrolle ist ebenfalls vorhanden. Der Tonpegel lässt sich automatisch oder manuell aussteuern. Ein Windfilter kann hinzugeschaltet werden.

Soundcheck: Die Tonaussteuerung kann automatisch oder manuell geschehen, inklusive Windfilter und Dämpfungsschaltung.Soundcheck: Die Tonaussteuerung kann automatisch oder manuell geschehen, inklusive Windfilter und Dämpfungsschaltung.

Eine gute Idee beim Einsatz von EF-Objektiven ist der EF-EOS-R-Adapter mit Filtereinschub für Pol- und ND-Filter. Besonders Filmemacher sind damit flexibler unterwegs, müssen sie doch weniger «riggen», also Zubehör wie Matte-Boxen oder Filterhalter installieren. Die Adapter sollen ab Februar 2019 erhältlich sein.

Clever polarisiert: Der Canon-EF-EOS-R-Adapter mit Filtereinschub und zirkularem Pol-Filter.Clever polarisiert: Der Canon-EF-EOS-R-Adapter mit Filtereinschub und zirkularem Pol-Filter.

Fazit

Durchzogener Einstieg: Canons erste spiegellose Vollformatkamera EOS R begeistert und ernüchtert zugleich.Durchzogener Einstieg: Canons erste spiegellose Vollformatkamera EOS R begeistert und ernüchtert zugleich.

Die Canon EOS R begeisterte mich mit ihrer guten Bildqualität, der Rauschfreiheit bei hohen ISO-Werten, dem treffsicheren Autofokus auch bei wenig Licht und den zusätzlichen Bedienungsmöglichkeiten mit den RF-Objektiven. Robustes Magnesium-Gehäuse, Handlichkeit, hoch auflösender Sucher und schwenkbarer Bildschirm sind weitere Pluspunkte.

Fotografen mit Canon-EF-Objektivpark kommt die EOS R mit gelungenen Adapterlösungen entgegen. Die neuen RF-Optiken bringen ebenfalls grossartige Abbildungsleistungen mit hoher Auflösung und ausgezeichneter Schärfe bereits bei Offenblende.

Leider stehen den Vorteilen viele Schwächen gegenüber, vor allem im 4K-Videobereich mit seinem hohen Crop-Faktor. Fehlender Bildstabilisator, kein zweiter Kartenslot, kein lautloser Serienbildmodus und wählerischer USB-Ladeanschluss sind weitere negative Punkte.

Canon-Fotografen haben im Moment keine spiegellose Vollformat-Alternative, wenn sie ihrer Marke treu bleiben möchten. Meiner Meinung nach werden jedoch viele auf ein Nachfolge-Modell der EOS R warten, bei dem dann hoffentlich alle diese Mängel beseitigt sind.

Wer neu in die spiegellose Vollformat-Fotografie einsteigen möchte, findet bei den Mitbewerbern ebenso gute und vor allem ausgereiftere Kameras vor.

avguide.ch meint

Wie schon nach meinem ersten Kurztest in London macht mir die Canon EOS R auch nach diesem ausführlicheren Test einen gesamthaft gesehen gelungenen Einstieg in die spiegellose Vollformat-Welt. Wobei die Betonung auf Einstieg liegt. Denn während Nikon bereits ein reifes, fertiges Produkt anbietet und bei manchem Feature über ihren eigenen Schatten springt, erscheint mir die EOS R eher wie eine erste Fingerübung der Canon-Ingenieure. Sie wissen zwar, was alles möglich wäre, durften es jedoch nicht realisieren, um die Profi-Produkte im eigenen Haus nicht zu kannibalisieren.

So bringt die EOS R viele professionelle Features wie Dual-Pixel-AF, Zeitcode, manueller Tonpegel, externe 10-Bit-Ausgabe oder Canon-Log mit, um auf der anderen Seite mit völlig unverständlichen Limitierungen wie fehlendem Bildstabilisator, nur einem Karteneinschub, keine lautlosen Serienbilder oder Zeitlupe nur in HD und ohne Autofokus das Ganze wieder in Frage zu stellen. Dass kein Cinema 4K (DCI) und 4K/UHD-60p-Video vorhanden ist, lässt sich mit Canons eigenen Cinema-Kameras und Camcordern noch erklären, den grossen 1,83-fachen Crop-Faktor bei 4K/UHD-Video jedoch weniger.

Der mitgelieferte EF-EOS-R-Adapter zeigt auch, wen Canon mit der EOS R in erster Linie ansprechen möchte. Doch das übrige Zielpublikum bleibt unklar. Für Sportfotografen ist sie zu langsam, für Hochzeits- und Event-Spezialisten zu unsicher und Filmemacher müssen mittels extremen Weitwinkel-Objektiven den 4K-Crop überbrücken.

Bleiben noch die anspruchsvollen Hobbyfotografen, die sich einen Auf- oder Umstieg ins spiegellose Vollformat überlegen. Mit Canon steht ihnen nun neben Sony und Nikon ein dritter Anbieter zur Auswahl, zu dem sich mit Panasonic nächstes Jahr noch ein vierter hinzugesellen wird.

Wenn das R in EOS R für «Revolution» steht, dann ist die Canon EOS R eine Revolution mit angezogener Handbremse.

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