Reisen, Sport, Wildlife, Selfies
Im Test hatte ich die EOS R7 mit dem Kit-Objektiv RF-S 18–150 mm F3.5-6.3 IS STM sowie die zweite zurzeit erhältliche RF-S Optik, das Objektiv RF-S 18–45 mm F4.5-6.3 IS STM. Zusammen mit dem Kit-Objektiv wiegt die R7 gut 930 Gramm, mit der 18–45-mm-Brennweite knapp 750 Gramm.
Beim Canon APS-C-System verändert sich der Blickwinkel um den Faktor 1,6 gegenüber einer Vollformatkamera. Das RF-S 18–150 mm hat somit auf Kleinbildformat umgerechnet einen Zoombereich von 29–240 mm, das RF-S 18–45 mm entspricht 29–72 mm.
Dieses mehr an Brennweite im Telebereich ist ideal beim Fotografieren von Wildlife, bei Veranstaltungen wie Luftfahrtschauen, Autorennen oder für Action-Aufnahmen vom Spielfeldrand aus. Als Nachteil handelt man sich einen entsprechend «schmaleren» Weitwinkelbereich im Vergleich zu Vollformat ein.
Zusätzlich flanschte ich via EF-RF-Adapter noch meine «uralten» EF-Objektive an. Diese funktionierten an der R7 bestens, wenn man vom etwas gemächlicheren und gegenüber RF-Objektiven vor allem lauteren Fokussieren absieht.
Gewohnte Bedienung
Die EOS R7 ist trotz ihrer kompakten Masse gleich gut zu handhaben wie die übrigen, etwas grösseren R-Modelle. Der Griff der Kamera ist sehr gut ausgeformt und bei durchschnittlich grossen Händen bleibt der kleine Finger noch am Gehäuse und rutscht nicht unten durch. Leider wurde bisher noch kein optionaler Batteriegriff für die R7 angekündigt, damit auch sehr grosse Hände noch besseren Halt finden können.
Auf der Vorderseite der Kamera befindet sich neben dem Bajonett der Fokuswahl-Schalter mit einer Taste in der Mitte. Diese dient im Fotobetrieb standardmässig als Abblendtaste, lässt sich jedoch mit anderen Funktionen belegen.
Die Anordnung der übrigen Bedienungselemente orientiert sich von zwei Ausnahmen abgesehen an der gewohnten Canon-Norm. Dadurch kommen Besitzer von Canon-Spiegelreflexkameras mit der Neuen sofort klar. Aber auch Einsteiger ins spiegellose EOS-R-System von Canon finden sich dank der aufgeräumten Oberfläche und ergonomisch angeordneten Tasten, Knöpfen und Drehrädchen schnell zurecht.
Dennoch lohnt sich ein Blick in das «Erweiterte Benutzerhandbuch», das als PDF-Datei von der Canon-Website heruntergeladen werden kann. Sein Umfang von über 1000(!) Seiten macht deutlich, dass es an der EOS R7 sehr viel einzustellen gibt.
Ein/Aus, Foto oder Video
Die Oberseite der R7 gleicht der einer R6, nur befindet sich – erste Ausnahme – der Ein/Ausschalter statt links auf der rechten Seite. Neu und eine Premiere bei den R-Kameras ist das getrennte Einschalten in den Foto- oder Video-Betrieb. Als Vorteil lassen sich dadurch auch für Videoaufnahmen sämtliche Modi am Einstellrad nutzen, das nun logischerweise über kein Filmkamera-Symbol mehr verfügt.
Nachteilig ist anfangs, dass man aus alter Gewohnheit an dieser Stelle ein Drehrad vermutet. Bei der «blinden» Bedienung mit dem Daumen schaltet die Kamera in den Video- oder Fotobetrieb oder schaltet sich ab.
Joystick im Drehrad
Die zweite Ausnahme bei der Platzierung der Bedienungselemente findet man gleich rechts vom Sucher. Das Canon-typische gerändelte Drehrad mit der SET-Taste in der Mitte ist von seiner ursprünglichen Position rechts unten neu bei der EOS R7 oben neben dem Sucher zu finden. Mit einem Joystick in der Mitte statt der SET-Taste.
Hier dauerte für mich die «Umgewöhnungszeit» am längsten. Bald konnte die Kombination von Drehrad und mittigem Joystick jedoch überzeugen und ich habe die Kamera vor allem darüber bedient. Sei es, um durchs Menü zu scrollen, schnell das AF-Feld zu verschieben oder den Blendenwert anzupassen. Dabei steht meiner Meinung nach der Joystick für grössere Daumen etwas zu wenig vor. Wenn man nicht sehr genau zielt, bewegt man oft Joystick und Rädchen zusammen.
Canon hat auch bei der EOS R7 die Bedienung über den Touch-Bildschirm durchgehend und sehr gut umgesetzt. Im Menüsystem lassen sich die einzelnen Einstellungen mit den Wahlrädern oder via Joystick auswählen. Am schnellsten geht es durch das direkte Drauftippen und Verschieben der Werte mit dem Finger. Der zusätzliche Steuerungsring an RF-Objektiven und Bajonett-Adaptern wird auch unterstützt.
Überhaupt lässt sich die R7 in vielfältiger Weise den eigenen Bedienungswünschen anpassen. Beinahe jede Taste lässt sich konfigurieren und mit anderen Funktionen belegen, meist auch noch getrennt nach Foto- oder Videofunktion. Ebenso lassen sich die Menüpositionen, die im Quick-Menü erscheinen sollen, bestimmen, und die anzuzeigenden AF-Bereiche auf jene beschränken, die man am häufigsten verwendet.
Aktuelle Kameraeinstellungen können in den drei Speicherplätzen C1 bis C3 registriert und über das Modus-Wahlrad schnell abgerufen werden. Wem dies noch nicht reicht, erstellt seine eigenen bis zu fünf Seiten umfassenden Menüseiten mit oft benötigten Einstellungen.
Am einfachsten fotografiert man als Einsteiger mit der Canon EOS R7 in der grünen «AUTO-Plus»- oder in der Szenen-Einstellung («SCN»). Mehr Einflussmöglichkeiten bieten die kreativen Modi «P-Tv-Av-M» oder die Kombination aus automatisch und manuell, dem Canon-speziellen FV-Modus.
Die Abkürzung steht für «Flexible Automatik» bzw. «Flexible Value» und erlaubt es, die Verschlusszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit manuell oder automatisch einzustellen und diese Einstellungen mit der gewünschten Belichtungskorrektur zu kombinieren. Zu Beginn ist das etwas verwirrend, aber bald eine interessante Alternative zu den herkömmlichen kreativen Modi.
Viel, schnell, genau
32,5 Megapixel Sensorauflösung ist sehr viel im APS-C-Kamerabereich. Hier wird die EOS R7 zurzeit nur von den 40,2 Megapixel der Fujifilm X-H2 und X-T5 geschlagen. In der besten JPEG-Qualitätseinstellung und im RAW-Format ermöglicht die R7 im 3:2-Seitenverhältnis Fotos in einer Grösse von maximal 6960 x 4640 Pixel.
Diese hohe Auflösung erlaubt es auch, im Nachhinein einen kleineren Bildausschnitt auszuwählen und immer noch genügend Pixel für einen hochwertigen Ausdruck auf Papier zu haben.
Neben JPEG und RAW kann auch im modernen HEIF-Format mit 10 Bit, im speicherplatzsparenden Compact-RAW und in HDR-JPEG fotografiert werden. RAWs und HEIFs lassen sich in der Kamera bearbeiten und als JPEGs abspeichern.
Bei der Serienbildgeschwindigkeit macht der EOS R7 so schnell keiner was vor. 15 Bilder pro Sekunde mit mechanischem und bis zu 30 Bilder mit elektronischem Verschluss sind in dieser Preisklasse Spitzenwerte. Schärfe und Belichtung werden während der Serienbildaufnahme laufend nachgeführt.
Wer jedoch unbedacht «Dauerfeuer» gibt, wird von der R7 schnell ausgebremst. Ihr Pufferspeicher ist leider nicht sehr gross ausgefallen und läuft bei 30 Bildern pro Sekunde bereits nach 1,5 Sekunden voll. Dann kommt es auf die Schreibgeschwindigkeit der Speicherkarte an, wie schnell man wieder weiterfeuern kann.
Neu bei Canon-Kameras ist der RAW-Burst-Modus, der bis zu 30 RAW-Bilder pro Sekunde als Bildserie in einer Datei speichert, und aus der Einzelbilder nach Bedarf extrahiert werden können (Panasonic lässt grüssen). Entweder in der Kamera selbst oder später am Rechner mit Canons DPP-Software («Digital Photo Professional»).
Ebenfalls neu bei Canon ist die «PreRec»-Funktion. Hier nimmt die Kamera bereits 0,5 Sekunden vor Beginn der Aufnahme in einer Dauerschleife auf. Damit wird kein Startmoment eines Ereignisses mehr verpasst (Olympus, Panasonic und Nikon lassen grüssen).
Die Canon EOS R7 übernimmt mit Deep-Learning und Dual Pixel CMOS AF II die sehr guten Autofokus-Algorithmen der Vollformat-R-Kameras. Dabei werden dynamische Motive wie Fahrzeuge, Tiere und Menschen erkannt und mit präziser Kopf-, Gesichts- und Augenerkennung über die gesamte Sensorfläche verfolgt. Laut Canon arbeitet der Autofokus bei Low-Light-Umgebungen bis zu -5 LW und ermöglicht auch unter schwierigen Bedingungen die Verfolgung von Vögeln im Flug oder von Sportlern in Bewegung.
In der Praxis konnte der AF der R7 überzeugen und arbeitete auch mit meinem alten EF-Objektiv 70–200 mm f/4 IS verblüffend schnell und genau. Die Kamera findet in den meisten Fällen die Motive sehr rasch und verfolgt sie zuverlässig. Wichtig dabei ist die je nach Situation unterschiedliche Anpassung der AF-Nachführung.
Wählen kann man zwischen vier Voreinstellungen (Canon spricht von «Cases») und einem Automodus. Diese Einstellungskombinationen beinhalten unterschiedliche Werte für die «Servo Autofokus Motivverfolgungsempfindlichkeit» und die Empfindlichkeit der «Nachführung bei Beschleunigung oder Verzögerung», wenn sich Motive plötzlich bewegen oder anhalten.
Durch Ausprobieren werden die Treffer mit der Zeit immer besser. Je nach Motiv brachte entweder der «Case A», der sich automatisch an die Motivbewegungen anpasst, oder eine «feingetunte» Kombination die besten Ergebnisse.
Eine weitere wichtige Einstellung ist die Wahl und Grösse des AF-Messfeldes, in dem die automatische Motiv-Erkennung erfolgen soll. Neben Spot-, Einzel- und Mehrfeld-Messfeld gibt es drei flexible AF-Zonen, deren Grösse angepasst werden kann. Und schliesslich wird beim Gesamtbereichs-AF der gesamte Bildbereich miteinbezogen. Er wird auch automatisch gewählt, sobald ein Motiv erkannt und mit der Nachführungsfunktion verfolgt wird.
Die AF-Felder lassen sich per Joystick steuern, oder, was meistens schneller geht, direkt über den Touch-Screen. Um dabei das Auge nicht vom Sucher zu nehmen, klappt man den Bildschirm mit dem Touch-Bereich nach aussen um und fährt mit dem Finger darüber.
Wer sich nun wundert, weil sich das AF-Feld scheinbar grundlos verschiebt und nicht dort bleibt, wo man hintippt, sollte den Touch-Bereich des Displays und seine Nase überprüfen. Leute mit grossem Zinken können die Markierung damit unbewusst verschieben und sollten den aktiven Touch-Bereich vom rechten auf den unteren Bereich ändern.
In den Praxistests gelang die Gesichts- und Augenerkennung auch mit den beiden RF-S-Objektiven problemlos und schnell. Die Augen wurden auch bei leichtem Wegdrehen des Kopfs zur Kamera und durch Haarsträhnen hindurch scharfgestellt. Dies ist erfreulich, wenn man bedenkt, dass diese Objektive nicht zu den lichtstärksten gehören (Anfangsblende f/3,5, bzw. f/4.5).
Wird als Motiverkennung «Tiere» gewählt, werden laut Handbuch Hunde, Katzen oder Vögel und Personen erkannt und der Schwerpunkt auf Tiere als Hauptmotive, die verfolgt werden sollen, gesetzt.
Bei Tieren versucht die Kamera, Gesichter oder Körper zu erkennen. Es erscheint ein Nachführrahmen über jedem erkannten Gesicht. Bei aktivierter Augenerkennung wird auch bei Tieren auf die Augen fokussiert. Im Test wurden neben Wauwaus, Miaus und Piepmatzen auch Enten, Gänse, Ziegen, Esel sowie Plüschtiere erkannt.
Die Motiverkennung «Fahrzeuge» erkennt zwei- oder vierrädrige Motorsportfahrzeuge und Personen und setzt den Motivschwerpunkt auf Fahrzeuge, die verfolgt werden sollen. Die Kamera versucht, Fahrzeugdetails wie Cockpit, Front oder das gesamte Fahrzeug zu erkennen. Mittels «Info»-Taste lassen sich zusätzlich wichtige Fahrzeugdetails zur Erkennung aktivieren oder deaktivieren.
Beim Velofahrer wurde auf Gesicht und Helm scharfgestellt, diese verfolgt und auch beim Mitschwenken und durch Motive im Vordergrund wie der Stange eines Schildes oder Spaziergänger weitergetrackt und im Fokus gehalten.
Wird als Autofokus-Feld der gesamte Bereich gewählt und werden mehrere Motive erkannt, lässt sich mit dem Joystick das gewünschte auswählen und die Nachführung auf dieses festlegen. Ein Hineindrücken des Joysticks löst diese Fixierung wieder aus. Die Nachführung des Motivs lässt sich auch durch Berühren auf dem Touchscreen an- und abwählen.
Selbstverständlich lässt sich mit der EOS R7 auch manuell scharfstellen. Der Umschalter dazu sitzt prominent auf der Kamerafront neben dem Bajonett. Unterstützt wird die manuelle Fokussierung durch eine fünf- oder zehnfache Bildvergrösserung, Fokus-Peaking oder Fokusassistent.
Beim Fokus-Peaking, der farbigen Anhebung der schärfebestimmenden Kanten, lässt sich die Empfindlichkeit und Farbe anpassen. Damit gelingt die manuelle Scharfstellung überraschend zügig und genau.
Noch eine Stufe weiter geht der Fokusassistent, der einem mit kleinen Pfeilsymbolen anzeigt, in welche Richtung und wie weit man das Objektiv drehen muss, bis die Schärfe sitzt. Ist die Augenerkennung aktiv, wird ein Führungsrahmen in der Nähe von erkannten Augenpaaren angezeigt und so das manuelle Scharfstellen unterstützt.
Bildstile
Die Bildqualität der JPEG-Fotos aus der Canon EOS R7 ist erstaunlich gut und spricht für den neusten Digic-X-Bildprozessor der Kamera. Die Kantenschärfe sowie das Schärfe-Niveau bleiben bis ISO 1600 sehr gut. Je nach Bildinhalt (dunkle oder graue Flächen) ist jedoch der kräftige Einsatz des kamerainternen Rauschfilters oft störend zu sehen, sodass bereits ab ISO 1000 sehr feine Strukturen und Details verloren gehen können und etwas verwaschen wirken.
Dennoch sind je nach Motiv auch Fotos bis ISO 3200 und gar ISO 6400 durchaus noch brauchbar. Ein Beispiel dafür ist die schwarzweisse Katze in der Bilderstrecke, die mit ISO 6400 aufgenommen wurde.
Wer im RAW-Format fotografiert, hat wie gewohnt bei der Bildnachbearbeitung noch mehr Reserven und Spielraum als mit JPEG, muss die Bilder vorher jedoch erst konvertieren. Dasselbe gilt auch für das neue HEIF-Format, das zwar qualitativ dank 10 Bit statt 8 Bit eine etwas bessere Bildqualität und einen geringeren Speicherverbrauch gegenüber JPEG bietet, jedoch auf nur wenigen Geräten direkt angeschaut oder bearbeitet werden kann.
Die Farben haben den beliebten Canon-Look. Natur- sowie Hautfarben werden sehr getreu dargestellt. Die Farben lassen sich durch verschiedene Bildstile beeinflussen. Neben «Auto» und «Standard» stehen «Porträt», «Landschaft», «Feindetail», «Neutral», «Natürlich» und «Monochrom» zur Auswahl. Zusätzlich können drei eigene Stile erstellt werden.
Für die Bilderstrecke wurden die originalen JPEG-Dateien direkt aus der Canon EOS R7 genommen und nur auf Web-Grösse reduziert. Bemerkungen bei den Bildern: BW = Verwendete Objektiv-Brennweite (im Vollformat); Belichtungsmodus P = Programm, A = Blendenvorwahl bzw. Zeitautomatik, S = Zeitvorwahl bzw. Blendenautomatik, M = manuelle Einstellung; Blende; Verschlusszeit; ISO-Empfindlichkeit; WB = Weissabgleich; BS = Bildstil. Das Testmodell der Canon EOS R7 besass die Firmware 1.1.0.
Neben der vollautomatischen Aufnahme, den Szenen-Modi und den Kreativ-Programmen gehören auch die Langzeitbelichtung (Bulb), Belichtungsreihen inkl. Fokus-Bracketing, HDR-Aufnahmen, Mehrfachbelichtungen, Intervalltimer, leiser Verschluss sowie die automatische Begradigung von Horizonten ins Repertoire der Canon EOS R7.
Interessant bei den Szenen-Modi ist der erstmals bei der EOS R7 und R10 eingeführte Schwenkmodus. Er erkennt das Motiv, das beim Schwenken verfolgt wird und aktiviert sowohl die vertikale als auch die horizontale Bildstabilisierung. Dabei kann der Grad der Hintergrundunschärfe festgelegt werden, um ein Gefühl von Geschwindigkeit zu vermitteln. Die meisten RF- und RF-S-Objektive sind mit diesem Modus kompatibel, jedoch nur vier EF-Objektive. Eine Liste dazu sowie weitere zusätzliche Informationen findet man hier.