Toller Surroundklang
Der Marantz CINEMA 50 durfte im Zusammenspiel mit den Lautsprechern aus der ebenfalls brandneuen 700 S3 Serie von Bowers & Wilkins beweisen, was er klanglich alles draufhat. Unser Augenmerk galt dabei bevorzugt der Musikwiedergabe: Denn wir wollten wissen, ob die Vorbehalte vieler audiophiler Musikliebhaber gegenüber Surround Sound heutzutage noch berechtigt sind. So gibt es auch puristische Zweifel am Einsatz digitaler Raumeinmesssysteme, und besonders die virtuelle Erweiterung stereofoner Musik auf «Rundumklang» geniesst bei vielen Zeitgenossen einen zweifelhaften Ruf.
Die Akzeptanz von vielen Lautsprechern in einem Hörraum strapaziert natürlich die wohnästhetische Toleranz. So beschieden wir uns bei diesem Hörtest mit einem 5-Kanal-Minimal-Setup: Als Frontlautsprecher kamen die Topmodelle aus der 700-S3-Serie zum Einsatz. Die 702 S3 von Bowers & Wilkins (Preis: CHF 6300) verfügen über drei 16,5-cm-Tieftöner mit speziellen Sandwich-Membranen und übertragen hinunter bis 28 Hz. Damit können sie (bei Verzicht auf den Einsatz eines Subwoofers) auch tieffrequente Anteile von Center- und Surround-Lautsprechern abdecken.
Eine tolle Sache ist, dass sie für Bi-Amping vorbereitet sind. So konnten wir beim CINEMA 50 vier Endstufen à je 110 Watt den beiden Frontlautsprechern zuweisen. Davon profitiert die Wiedergabequalität gerade bei den 702 S3 enorm, denn die Bi-Amping-Aufteilung liegt hier zwischen dem Tiefton- und Mittelhochtonbereich. Der sickenlose Continuum-Mitteltöner (mit neuartiger Zentrierspinne) und der Carbonpartikel-beschichtete Hochtöner wissen den eigenen Verstärkerzweig zu schätzen und danken es mit gesteigerter Klarheit bei jeder Lautstärke. Ausserdem steigert das Bi-Amping eindeutig die Souveränität bei sehr hohem Abhörpegel – dies sowohl bei der Musikwiedergabe als auch bei Heimkinoton.
Als Center-Lautsprecher kam der neue HTM71 S3 zum Einsatz, der dank Continuum-Mitteltöner sowie dem gleichen «Tweeter on Top» wie bei den Frontlautsprechern über die passende Klangcharakteristik verfügt. Dieser Center kostet zwar stolze CHF 1950; dem Autor ist jedoch kein vergleichbares Modell bekannt, das mit einer so tollen Klangqualität sowohl im Heimkino-Einsatz wie besonders auch bei der Musikwiedergabe punkten kann.
Die Verständlichkeit von Dialogen und die Authentizität des Stimmtimbres profitieren enorm von einem so hochwertigen Center. Den Surround-Part in unserem Setting übernahmen ein Paar 706 S3 (Preis: CHF 1900). Wer den Gesamtpreis der Lautsprecher von Bowers & Wilkins zusammenzählt, wird natürlich feststellen, dass er im Missverhältnis zum Einstandspreis des CINEMA 50 (CHF 2050) steht. Dennoch macht eine solche Kombination das Qualitätsniveau des Receivers sehr deutlich, denn die Lautsprecher sind im Hörtest nicht mehr ein limitierender Faktor.
Etwaige Bedenken, ob der CINEMA 50 für die edlen Boxen aus dem B&W-Stall gut genug wäre, räumte Marantz schon nach kurzem Reinhören gründlich weg. Wir hörten zunächst echte HiRes-Surroundaufnahmen ab (von einem Blu-Ray-Kombiplayer zugespielten) Mehrkanal-SACDs. Dabei interessierte uns zunächst auch die Frage, ob denn die Audyssey-Kalibrierung aus audiophiler Sicht klangliche Nachteile mit sich bringen würde. Die eindeutige Antwort: Nein! Im Gegenteil: Schaltet man die Raumkorrektur per Druck auf die «DIRECT»-Taste aus, so schrumpft nicht nur die superbe dreidimensionale Abbildung mit plastischer Ortbarkeit von Solisten und Einzelinstrumenten auf ein Mittelmass, auch die Definition und Natürlichkeit der Klangfarben nimmt im subjektiven Hörempfinden eindeutig ab. Der Zugewinn bei aktivem Audyssey war hingegen erstaunlich und wurde von allen anwesenden Testpersonen unisono als dramatisch empfunden.
So erklang Pergolesis «Stabat Mater» in der DSD-5-Kanal-Aufnahme von Channels Classics so betörend schön und emotional eindringlich, wie man es selbst über hochwertigste Stereoanlagen kaum je erlebt. Wesentlichen Anteil an diesem beeindruckenden Musikerlebnis hat zweifellos der exklusive Centerlautsprecher HTM71 S3, der vom CINEMA 50 feinste HiRes-Signale zugespielt bekam.
Auch Aufnahmen von Solo-Instrumenten profitierten vom echten Surroundformat. So etwa Rachmaninovs «Piano Pieces», gespielt von Nareh Arghamanyan. Absolut verblüffend, wie grossartig und livehaftig der Flügel in den Hörraum transferiert wurde. So überzeugend hat der Autor klassische Klaviermusik schon lange nicht mehr gehört. Die gleiche Aufnahme in SACD-Zweikanal gehört, klang nicht annähernd so «echt». Bei diesen Mehrkanal-Abmischungen fällt auf, dass die Surround-Kanäle als solche gar nicht dediziert wahrgenommen werden. Erst beim Wechsel auf Zweikanal fällt der Verlust dem Ohr so richtig auf.
Auch Pop- und Jazz profitieren von HiRes-Surround. So zum Beispiel Tierney Suttons Gesang auf «Something Cool» im Zusammenspiel mit einem Piano-Trio. Wunderbar entspannter Swing und schönes Stimmentimbre verleihen dieser älteren DSD-Surround-Aufnahme über die Marantz/Bowers-&-Wilkins-Kombi gehört einen enormen Reiz. Und selbst Quadrophonie-Abmischungen wie «Out of Sight» von Poncho Sanchez, bei denen Perkussionsinstrumente über die Surround-Kanäle abgemischt sind, klingen nie billig oder aufgesetzt, sondern richtiggehend geschmackvoll und spannend.
Leider sind ja viele SACDs vergriffen, sodass man nur schwer an echtes HiRes-Surround herankommt (es sei denn über Musik-Downloads). Deshalb stellt sich natürlich die Frage, wie gut ein moderner AV-Receiver wie der CINEMA 50 Zweikanal-Format auf Mehrkanal aufpoliert – und auch, ob klangliche Nachteile damit verbunden sind. Zu diesem Zweck hörten wir diverse gut bekannte HiRes-Tracks ab USB-Stick. Per Druck auf die «SOUND MODE»-Tasten auf der Marantz-Fernbedienung kann man problemlos zwischen puristischem Zweikanalton und virtuellem Dolby Surround umschalten. Erstaunlicherweise bevorzugten auch hier alle anwesenden Testpersonen ganz klar die Wiedergabe in simuliertem Dolby-Raumklang. Nachteile bezüglich Feinzeichnung oder Definition waren nicht auszumachen. Das Gleiche gilt jedoch nicht für DTS Neural:X oder Virtual:X, die je nach Musikmaterial als zu künstlich empfunden wurden.
Zu guter Letzt durfte der CINEMA 50 anhand der Blu-Ray «Edge of Tomorrow» (Tonspur: DTS HD) zeigen, was er im anspruchsvollen Heimkino-Einsatz leistet. Auch in unserem 5-Kanal-Setup generierte er eine unglaublich spannende Szenerie mit feinem Raumklangambiente und brachialen Effekten bei Action-Szenen. Positiv fiel die Gelassenheit auf, mit welcher der Marantz sehr hohe Pegel aus dem Ärmel schüttelte. Ebenso positiv vermerkt wurde die Sauberkeit und Dröhnfreiheit der Basswiedergabe.
Höchstens im Tiefbassbereich hätte man sich noch etwas mehr Druck und Durchschlagskraft gewünscht. Wer dies möchte, kommt um den Einsatz eines Subwoofers nicht herum. Tatsächlich verfügt der Cinema 50 über vier dedizierte Subwoofer-Ausgänge. Man kann so (auch dank Audyssey-Einmessungen) das ultimative Tiefton-Erlebnis realisieren, wenn dies das Budget (und die Toleranz der Nachbarn) zulässt. Aber schon von einem einzelnen Subwoofer profitiert nicht nur der Heimkinoton; auch die Räumlichkeit der Musikwiedergabe gewinnt subtil und nachhaltig an Authentizität von einer sauber abgestimmten Tiefbass-Erweiterung.
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Marantz CINEMA 50 für die HiRes-Musikwiedergabe prädestiniert ist. Unabhängig davon, ob das Ausgangsmaterial in Zweikanal- oder Surround-Abmischung vorliegt, generiert dieser AV-Receiver der Oberklasse eine ebenso eindrückliche wie natürliche dreidimensionale Klangkulisse. Die fortschrittliche Audyssey-Raumkalibrierung überzeugt selbst Klangpuristen. Und auch punkto Ausstattung und Handling gefällt der CINEMA 50 ausnehmend gut. Der Preis von CHF 2050 kann angesichts der durchweg tollen Performance als sehr fair gelten.