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Publikationsdatum
26. Februar 2025
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Dies im Sinne von Hörerfahrung, verbunden mit Kenntnissen über unterschiedliche Musikarten, Stile, Interpretationen; dem Drang, genau hinzuhören, Klänge, Harmonien, Rhythmen zu geniessen und Entwicklungen innerhalb eines Musikstückes zu erkennen und zu verfolgen. Das Gesagte beschränkt sich nicht auf klassische Musik.

Wer heute im Geschäft mit klassischer Musik aktiv ist – sei es als Produzent, Betreiber eins Labels oder als Musiker – steht vor dem Dilemma, was er spielen oder aufnehmen und veröffentlichen soll. Da gibt es die sicheren Werte, Kompositionen der Klassik-Elite, wie Beethoven, Bach, Mozart, Haydn oder Brahms usw. Nur sind deren Werke nahezu alle schon mal eingespielt worden, manche hundertfach. Auch das Feld mit neuen Interpretationen historisch informierter Spielweise ist schon stark abgegrast. Und von der Klassik-Elite kommt nichts Neues nach – naheliegende Banalität. Auch mit neuen Tonträgern nochmals Geld zu generieren, ist seit dem Streaming-Zeitalter kaum mehr möglich.

Wo ist ein Ausweg?

Nun, es gibt viele unbekannte Komponisten und Werke aus den letzten 500 Jahren. Und da wäre noch die Avantgarde der zeitgenössischen Komponisten aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Oder man erschliesst neue Kundensegmente, ausserhalb der Hardcore-Klassik-Community, die sämtliche 32 Beethoven-Klaviersonaten in mehreren Einspielungen besitzt. Betrachten wir mal, was so an neuen Alben bei Qobuz im Klassik-Bereich angeboten wird und wie attraktiv diese Alben für die unterschiedlichen Gruppen von Musikliebhabern sind.

Einordnung der Vielfalt

Klassik-Alben lassen sich nach diversen Kriterien gruppieren oder kategorisieren. Die hier angewandte Systematik orientiert sich einerseits daran, welche Hörer-Zielgruppe an einem Album vornehmlich interessiert sein könnte und andrerseits an der Hörgewohnheit eines Musikliebhabers: Interessentiefe, Hörerfahrung, Art des Hörens im Sinne von bewusst oder beiläufig wahrnehmend. Dabei dürfte es klar sein, dass niemand «Sortenrein» hört. Vielmehr hat man seine Schwerpunkte und hört immer wieder auch in andere Bereiche rein, auch genreübergreifend.

A) Die Hauptgruppe: thematische Alben

Die Kerngruppe umfasst thematisch homogene Alben, die einem oder zwei Komponisten oder einer Werkgattung gewidmet sind. Für diese Kategorie interessieren sich primär Hörer, die sich intensiv mit dem Thema befassen (= hohe Affinität für Klassik). Für den Programmentscheid haben die Akteure mehrere Varianten:

  • Neuaufnahmen bekannter Werke als Neuinterpretation mit hochauflösender Aufnahmetechnik, teils historisch informiert.
  • Einspielungen von Urfassungen bekannter, vom Komponisten überarbeiteter Werke.
  • Rekonstruktion von unvollständigen Werken (z.B. Schumanns Zwickauer Symphonie)
  • Als Gegenpool die Wiederauflage historischer Aufnahmen, die entweder unbearbeitet oder restauriert in Sammelboxen oder als reine Streaming-Alben verfügbar sind.

B) Die Leichtigkeit des Hörens

Diese Gruppe umfasst auf den ersten Blick undefinierbare Alben, die im Albumtitel nicht eine Werkgattung oder einen oder mehrere Komponisten listen. Dies sind Albentitel wie «Amour interdits», «George» oder «Exile». Dies im Gegensatz zu einem klar beschreibenden Inhalt als Albumtitel wie «Beethoven, Streichquartette Op. 18».

Typischerweise sind solche Alben themenbasierte Zusammenstellungen von Werken unterschiedlichster Komponisten und Epochen. Vielfach Einzelstücke aus grösseren Werksammlungen, kurze Stücke, einzelne Arien aus diversen Opern usw. Somit sind diverse Werke auf einem Album zusammengestellt. Klassische Komponisten haben bewusst auch leichtere Stücke für den Alltagsgebrauch komponiert: Mozart Divertimenti, Schubert Moments Musicaux, Beethoven Bagatellen, Mödlinger Tänze.

Man findet solche Kompilationen auch in der U-Musik z.B. «Kuschel Rock» Somit eher – aber nicht immer – Alben, die Stimmungen vermitteln, eingängige Titel (Charakterstücke) auch fürs beiläufige Hinhören. Mit solchen Alben lassen sich auch Hörer ansprechen, die nicht tief in der Klassik verankert sind, die ein genreübergreifendes Musikinteresse haben.

C) Die Unbekannten – Überraschung oder Langeweile

Eine grössere Gruppe sind Alben mit unbekannten oder kaum bekannten Komponisten. Ein exemplarisches Beispiel ist die beim Label Hyperion erscheinende Reihe «Das Romantische Klavierkonzert», die aktuell bei der 87. Ausgabe steht (Konzerte von Rubbra & Bliss). Eine wahre Fundgrube in dieser Kategorie ist das deutsche Label CPO (Classic Production Osnabrück). Insgesamt wurden bei CPO innerhalb von mehr als 30 Jahren über 2000 CDs veröffentlicht, die meisten davon Weltersteinspielungen.

In solchen Alben und Serien findet man beides: Trouvaillen, aber auch Stücke, bei denen man hört, warum sie in Vergessenheit gerieten. Eine Ecke, in der sich Sammler gerne umhören.

D) Die Zeitgenossen zwischen Lust und Verdruss

Und da wäre noch die kontroverseste Gruppe: die mit zeitgenössischer Klassik aus dem 20. Und 21. Jahrhundert, eine experimentelle Spielwiese, auf der man nahezu alles finden kann: absolut formloses und faszinierendes, Werke, die sich an etablierte kompositorische Regeln und Formensprache orientieren und andere, die jegliche Art von Tönen, Harmonien und Geräuschen oftmals chaotisch dem Hörer zumuten. Dünnes Eis: Hier schrecken viele Hörer zurück, weil das Risiko von Hörerlebnissen an der Grenze des Erträglichen durchaus real ist. Dennoch kann diese Gruppe viel bieten. Dank Streaming kann man neugierig reinhören und wertvolle Überraschungen erleben.

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