Vergessen Sie Schubladen – Isfar Sarabskis Musik ist keiner solchen zuzuordnen.
Es sind Klänge und Melodien, beeinflusst von den unterschiedlichsten Kulturen und Musikstilen: Da sind orientalische Elemente mit dabei, unterstrichen in zwei Stücken durch die Verwendung der Tar, einer Langhalslaute, die typisch ist für die Musik von Aserbaidschan; dazu kommen diverse rhythmische Alternativen und symphonische Klangmalereien, unterstützt durch den Kompositionsaufbau und in einigen Stücken durch Streicher. Doch das Ganze ist auch mit einer gehörigen Portion Jazz garniert.
Isfar Sarabski
Isfar Rzayev-Sarabski wurde 1989 in Baku, Aserbaidschan geboren. Er hat musikalische Vorfahren: Sein Urgrossvater war ein gefeierter Opernsänger in Aserbaidschan.
Isfar gewann als 20-Jähriger den Solopianisten-Wettbewerb am Montreux Jazz Festival, nachdem er sein klassisches Musikstudium an der Baku Music Academy abgeschlossen hatte. Danach besuchte er das Berklee College of Music und konzertierte während des Studiums und in den folgenden Jahren in den bekanntesten Häusern weltweit.
Mit den russischen Musikern Makar Novikov (Bass) und Sasha Mashin (Drums) gründete er 2011 das Isfar Sarabski Trio und tourte in Nordamerika und Europa. Diese zwei Musiker sind auch auf der Orchesterversion von «Planet» zu hören.
Seine Vielseitigkeit beweist er, indem er unter anderem mit dem Royal Philharmonic Orchestra auftritt, mit Musikern aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen zusammenarbeitet, sich besonders seit 2017 auch für elektronische Musik interessiert und sogar als Live-DJ arbeitet.
Der Schallplattenvertrag, den er 2019 mit Warner Germany unterzeichnete, beinhaltet zwei Alben mit unterschiedlichen Musikstilen, eines akustisch und eines elektronisch. «Planet» ist nun also das erste der zwei, das akustische.
«Planet»
Schon die Eröffnungskomposition «Deja Vu» offenbart, was wir in der Folge zu hören bekommen werden: Dynamische Musik, teilweise durcharrangiert, exakt gespielt, mit Platz für persönliche Improvisationen für alle drei Hauptakteure, faszinierend-brillantes Klavierspiel, akzentuierte, ungewohnte Rhythmen, komplexe Harmoniefolgen, die das Hörerlebnis intensivieren.
Jedes der zehn Stücke überrascht, kreiert neue Bilder im Kopfkino des Zuhörers (wenn man sich die Musse nimmt, sich auf die Musik zu konzentrieren). Nach «Limping Stranger», das nach aufwühlenden Klängen versöhnlich, ja beruhigend endet, kommt plötzlich «das kenn ich doch» auf. Auch wenn Isfar nur Minimales von Tschaikowskis «Schwanensee» übernommen hat, ist der Erkennungswert zu Beginn sofort da, verschwindet dann jedoch in Jazz beeinflussten Klängen, die wie eine moderne Interpretation der Ballett-Bilder auf mich wirken.
Eigentlich versuche ich in meinen Rezensionen «auf dem Boden» zu bleiben und nicht die Kunst beschreiben und erklären zu wollen. Deshalb breche ich nun weitere persönliche Ausführungen ab, denn wir alle erleben Musik auf eine ausgesprochen persönliche Art und Weise. Nur noch eine Empfehlung: Schalten Sie alle Ablenkungsmöglichkeiten aus und gönnen Sie sich eine Stunde musikalischer Auszeit.
Fazit
Dieses Album ist nicht nur als Jazz-Album aussergewöhnlich. Es lässt keine eigentliche Einstufung zu, ist weder Symphonie, noch wilder Modern Jazz; weder orientalische Folklore, noch Klavierkonzert … und hat gleichwohl von alledem etwas. Doch wirkt diese Symbiose nie erzwungen, sondern organisch, natürlich.
«Planet» ist einer der seltenen musikalischen Leckerbissen, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
avguide.ch meint
Auf YouTube gibt es einen offiziellen Trailer zum Album, der für mich jedoch überhaupt nicht stimmt. Deshalb habe ich verzichtet, diesen hier einzubauen.