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Aktuelle Beispiele

Mozart – Serenata: Münchner Kammerorchester, Isabelle Faust, Enrico Onofri.Mozart – Serenata: Münchner Kammerorchester, Isabelle Faust, Enrico Onofri.

Die «kleine Nachtmusik» – zumindest der Titel und der Anfang des ersten Satzes – ist auch ausserhalb der Klassik-Hörerschaft bekannt. Und auch die weiteren Serenaden (Posthorn, Haffner) auf diesem Album sind innerhalb dieser Werkgattung Top-Titel. Qobuz listet über 40 Alben mit der Posthorn-Serenade auf, bei der Haffner-Serenade sieht es ähnlich aus.

Was kann das Münchener Kammerorchester hier noch bieten, was nicht schon vorhanden ist? Nun, die Interpretation der Münchener ist auf hohem Niveau, aber kein Neuzugang und keine Neuinterpretation dieser Werke. Dennoch lohnt sich diese Einspielung, dank eines äusserst präzisen, prägnanten Spiels und einer Aufnahmetechnik, die alle Orchesterstimmen sehr transparent auf der virtuellen Bühne aufreiht. Dieses Herausarbeiten und ausgewogene Hörbarmachen der Stimmen, die je nach Satz eine andere Gewichtung haben, machen den Reiz der Aufnahme aus. Kleinste Einwürfe, Phrasierungen oder Kontrapunkte der Nebenstimmen sind wahrnehmbar.

Harmonia Mundi, 31.1.2025, Aufnahme 24 Bit/192 kHz, Bavaria Musikstudios Juli 2023 und April, August 2024. Tonmeister Jean-Daniel Noir.

Das Münchener Kammerorchester begeistert durch ein facettenreiches Spiel. Foto: Daniel Delang.Das Münchener Kammerorchester begeistert durch ein facettenreiches Spiel. Foto: Daniel Delang.

Amours interdites – Diverse Komponisten, David Kadouch

  

Solo- und Kammermusik-Pianist David Kadouch stellt die Frage, «was hat Musik zu sagen?». Mit dem persönlichen Programm auf diesem Album lädt David Kadouch ein, die Stimme in der Musik zu hören, Stimmen von beiden, von Mann und Frau. Somit wird die Stückwahl dieses Albums aus einer Programmidee abgeleitet. 10 Komponisten, 20 Stücke von meist eher kurzer Spieldauer sind typisch für diese Art von Alben. Stimmungen, Emotionen, eher eng gefasste Klangwelten sind hier charakteristisch und das Klavier mit seinen enormen Ausdrucksmöglichkeiten das ideale Instrument. Die Aufnahme des Mirare-Labels ist gelungen. Klanglich entlockt Kadouch dem Steinway-Flügel das ganze Ausdrucksspektrum, sein rundes Spiel lädt zum sinnlichen Hinhören ein.

Mirare, 24.1.2025, Aufnahme: 24 Bit/96 kHz, Théâtre Auditorium de Poitiers 23-26.9.2024, Tonmeister Martin Sauer.

David Kadouch – Solist und Kammermusiker mit einem Repertoire von Bach bis Massenet und einem Fokus auf vergessene Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts.David Kadouch – Solist und Kammermusiker mit einem Repertoire von Bach bis Massenet und einem Fokus auf vergessene Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts.

War Silence – rare italienische Klavierkonzerte

  

Das «War Silence»-Album entlehnt seinen Namen von Cristian Carraras Stück «War Silence», komponiert 2015. Das Album erfüllt die Kriterien «unbekannte Komponisten» und «klassische Musik aus dem 20. Und 21. Jahrhundert – Spannweite von 1900 bis 2015». Mit Werken aus den Jahren 1900, 1939/41, 1960 und 2015 wird ein Spannungsbogen geschaffen, welche ein immer weiteres Loslösen von der Formsprache der vorhergehenden zwei Jahrhunderten aufzeigt.

Trotzdem orientiert sich Silvio Omizzolos Klavierkonzert (1960) an der klassischen Dreisätzigkeit mit einem langsamen Mittelsatz. Dennoch zeigt die Tonalität des Konzerts kontemporäre Züge mit ungewohnten Harmonien, die aber nie ins Absurde abdriften. Die Stimmungen in «War Silence» sind thematisch gekonnt aufgebaut. Sie kippen innerhalb eines Satzes und nicht unerwartet zwischen den Sätzen. Der Bogen spannt sich von dunklen, furchterregenden Momenten bis hin zu wogenden, Hoffnung und Trost spendenden Passagen. Ein interessantes Album!

Hyperion 31.1.2025, Aufnahme 24 Bit/192 kHz, Henry Wood Hall, London, 26/27. 3. 2022, Tonmeister Matteo Costa.

Cristian Carrara komponierte «War Silence» im Jahr 2015 – reinhören lohnt sich.Cristian Carrara komponierte «War Silence» im Jahr 2015 – reinhören lohnt sich.

Dvořák – Nouveau Monde 2.0 (= elektronische Klassik)

  

Dvořáks 9. Symphonie «Aus der neuen Welt», komponiert während seines Aufenthaltes in Amerika, ist ein eindrückliches Werk mit vielen Anlehnungen an traditionelle Musik aus den USA und seiner Heimat Tschechien – ein beliebtes Stück im Klassik-Umfeld. Was nun die 2.0-Version dieser Symphonie soll, erschliesst sich nur schwerlich. Ist es der Drang nach einer Interpretation, die das bisherige komplettiert, provoziert, eine neue Sicht auf das Werk öffnet? Das Begleitheft zum Album erläutert:

«Faszinierende elektroakustische Neuinterpretation der Sinfonie «Aus der Neuen Welt»! Der Wunsch, die Musik zu demokratisieren, motiviert das Orchestre de Chambre de Toulouse mit seinem Dirigent Gilles Colliard Antonin Dvořáks Meisterwerk erneut aufzulegen. Einhundertdreissig Jahre später die Wiedergeburt dieser Musik in einer absolut originellen und überraschenden Form».

Man kann über diese Version diskutieren, sie mag auch Anhänger finden – wenn auch kaum viele. Aus Sicht des Autors wurde Dvořáks Werk dermassen entstellt, dass man kaum von einem Hörgenuss sprechen kann. Die komponierte Mehrstimmigkeit, die unterschiedlichen Register, wurden auf E- und Akustik-Streicher sowie Synthesizer (E-Piano) reduziert. Auch Aufnahmetechnisch überzeugt das Album nicht. Die Phasenverschiebungen sind störend, die Störgeräusche und elektronischen Effekte irritieren, das gesamte Klangbild ist eher schrill und akustisch dicht.

Fazit: Ein Album, das wohl auch aufgrund der gesättigten Marksituation so entstanden ist.

Klarthe Records, 6.12.2024, Aufnahme 24 Bit/96 kHz, Studio Elixir, 23/26 10.2021, Tonmeister Stéphane Ley.

Orchestre de Chambre de Toulouse, hier als rein akustisches Ensemble. Das können sie selbstverständlich auch.Orchestre de Chambre de Toulouse, hier als rein akustisches Ensemble. Das können sie selbstverständlich auch.

Fazit

Viele Märkte sind heute gesättigt. Aber auch in gesättigten Märkten wird konsumiert, jedoch wird es für die Anbieter schwieriger, sich im Wettbewerb zu behaupten. Mit Innovation, Andersartigkeit, dem Eröffnen neuer Perspektiven oder Erschliessen von neuen Marktsegmenten kann man als Unternehmen eine wirtschaftlich tragfähige Basis finden. Dies gilt auch für die Klassik-Branche. Dass da mal ein Experiment nicht auf fruchtbaren Boden stösst, ist keine Schande – es sind die guten Projekte, die tragen. Und davon gibt es nach wie vor zahlreiche. Freuen wir uns auf den nächsten Monat mit Neuheiten. Dank Streaming kann man ja genüsslich das Angebot durchforsten.

Fritz Fabig Gastautor

Fritz Fabig ist passionierter Musikliebhaber mit Schwerpunkt in der Klassik-Epoche. Nach einer elektrotechnischen Ausbildung und Management/Marketing Weiterbildung erfolgte ein Wechsel in die Audio Branche. Beinahe zwei Dekaden war Fritz Fabig Geschäftsführer der B&W Group Schweiz. Seit Ende 2021 ist er als freischaffender Berater tätig.
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