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Publikationsdatum
21. März 2024
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«Dreh mal am Herd» rückwärts gelesen ergibt den gleichen Wortlaut und Sinn: ein Palindrom. Der dritte Satz in Haydns Symphonie Nr. 47 ist ein musikalisches Palindrom. Im Gegensatz zur schriftlichen Form ist das Musik-Palindrom nicht so offensichtlich erkennbar.

Der Kalifornier Stephen Malinowski, Musiker und Software-Entwickler, kreierte in den frühen 1970er-Jahren ein Programm, um Musik zu visualisieren: dem Gehörten ein grafisches Element beizufügen. Damit soll man Musik auch in ihrer inneren Struktur verstehen können, die dem Nicht-Musiker in der Regel verborgen bleibt.

Die Music Animation Machine wurde stetig weiterentwickelt und liefert heute faszinierende Resultate. So können die Visualisierungen die zentralen Elemente der Musik – etwa Rhythmus, Tonhöhe, Melodie, Intensität oder Intervalle – darstellen, aber auch kompositorische Linien und das Zusammenspiel von Instrumenten-Registern veranschaulichen. So wird eine Komposition auch für einen Musikliebhaber und Nicht-Musiker fassbarer, die eine Partitur nicht lesen können.

Haydn und das Palindrom

Joseph Haydn (1732–1809) und sein symphonisches Schaffen sind ein Füllhorn musikalischer Inspiration und sich kontinuierlich entwickelnder Kompositionstechnik. Seine über 100 Symphonien zeigen die Entwicklung der Symphonie von der Frühklassik bis an die Schwelle zu Beethoven.

Trotz seiner langen Abgeschiedenheit vom pulsierenden Wien durch den Dienst am Esterhazy-Hof in Eisenstadt – oder gerade deswegen – musste Haydn seine eigene Form finden. Er gilt als Vater der klassischen Symphonie und des Streichquartetts. Immer wieder verblüfft Haydn die Zuhörer mit überraschenden Wendungen und gar musikalischen Scherzen. Bekannte Beispiele sind die Symphonien Nr. 45 «Abschied» und Nr. 94 «Paukenschlag». Weniger bekannt in dieser Hinsicht ist die Symphonie Nr. 47 in G-Dur, die den nicht vom Komponisten hinzugefügten Namen «Palindrom» trägt. Dies wegen des 3. Satzes, dem Menuetto al Roverso.

Die Musiker müssen die Noten des Menuetts in beide Richtungen lesen und spielen. Mit dem Trio zusammen ergeben sich vier Themenlinien.Die Musiker müssen die Noten des Menuetts in beide Richtungen lesen und spielen. Mit dem Trio zusammen ergeben sich vier Themenlinien.

In dem eher kurzen Menuett zeigt Haydn, welche Würze in der Kürze liegen kann. Diese wenigen Takte erzeugen eine enorme Dichte von Klangfeinheiten, Forte-Piano-Wechseln und in der Umkehrung (Palindrom) eine Verschiebung der Akzente und der Melodiewahrnehmung.

Music Animation Machine

Malinovskis Visualisierung zeigt auf Anhieb die Spiegelung respektive die Umkehrung, die Wiederholungen und die dreiteilige Menuett-Trio-Struktur.

Animiertes Haydn-Menuett
Stephen Malinowski.Stephen Malinowski.

Die Haydn-Aufnahme im Video

Die Grundlage für das Animated-Music-Machine-Video auf YouTube ist die Einspielung der Haydn-Symphonie Nr. 47 mit dem Orchester Il Gardino Armonico und dem Dirigenten Giovanni Antonini, erschienen 2015 als zweites Album der Reihe Haydn 2032. Das Projekt plant die Einspielung aller Haydn-Symphonien bis 2032, dem 300. Geburtstag von Joseph Haydn. Aktuell steht das Projekt bei Volume 15. Reinhören lohnt sich. Alternierend mit dem Kammerorchester Basel bringt Antonini mit seiner historisch informierten Spielweise einen facettenreichen Haydn – mit klar herausgearbeiteten Konturen und prickelnden Akzenten.

Haydn-Symphonie Nr. 47 mit dem Orchester Il Gardino Armonico mit dem Dirigenten Giovanni Antonini.Haydn-Symphonie Nr. 47 mit dem Orchester Il Gardino Armonico mit dem Dirigenten Giovanni Antonini.

Noch ein Beispiel

Malinowski hat weit über 300 Music-Machine-Videos auf YouTube, die ein breites Spektrum an Kompositionen mit unterschiedlichen Animationsstilen zeigen. Reinhören und schauen ermöglicht ungewohnte Einblicke.

Hier noch die Scarlatti-Sonate K135 mit Ivo Pogorelich.

Fazit

Die modernen Medien eröffnen für den interessierten Musikliebhaber durchaus nicht nur eine redundante Vielfalt, sondern auch echte Horizonterweiterungen. Der YouTube-Kanal «smalin» von Stephen Malinowski zählt zu dieser Kategorie. Wie sonst würde man Haydns Menuetto al Roverso als Nicht-Musiker in dieser Tiefe erfassen können?

Fritz Fabig Gastautor

Fritz Fabig ist passionierter Musikliebhaber mit Schwerpunkt in der Klassik-Epoche. Nach einer elektrotechnischen Ausbildung und Management/Marketing Weiterbildung erfolgte ein Wechsel in die Audio Branche. Beinahe zwei Dekaden war Fritz Fabig Geschäftsführer der B&W Group Schweiz. Seit Ende 2021 ist er als freischaffender Berater tätig.