Die technischen Aspekte
Sie kennen das: Man geht an einem Haus vorbei, Musik klingt aus dem offenen Fenster, und man kann innert einer Sekunde beurteilen, ob diese Musik aus einer Konserve stammt oder live gespielt wird.
Womit hängt es zusammen, dass dieses Urteil so leicht zu fällen ist? Sind es die Raum-Resonanzen, die unterschiedlich angeregt werden? Oder ist es Lautstärke der Wiedergabe, die Verteilung der Instrumente im Raum gegenüber den «mickrigen» Lautsprecherboxen? Offenbar funktioniert die Unterscheidung sogar über Telefon: Man kann ohne Mühe beurteilen, ob die Musik am anderen Ende live oder ab Lautsprecher kommt.
Wenn man herausfinden könnte, was die Ursachen sind, könnte man bessere Wiedergabesysteme bauen. Und wohl auch bessere Aufnahmesysteme. Dies unter der Annahme, dass wir als Ziel eine möglichst Live-haftige Wiedergabe zuhause anstreben.
Mit der heutigen Musikproduktionstechnik ist dies nicht das Ziel. Die heutige Technik versucht eine «ansprechende» Wiedergabe zu erreichen. Es handelt sich um ein Kunstprodukt mit dem Tontechniker als zusätzlichem Künstler. Gemacht für die heute verwendeten Ausrüstungen der Aufnahme- und Wiedergabetechnik. Aber, wie wir am Beispiel mit der Musik am Fenster sehen, gibt es durchaus auch andere Wiedergabeziele.
Erweiterte Realität
Für die Heimunterhaltung steht eine Revolution an, in Form der virtuellen Realität (VR) und der erweiterten Realität (AR – Augmented Reality). Diese Technik steckt noch in den Kinderschuhen. Wir werden aber Heim-Systeme erleben, mit denen wir den Eindruck gewinnen, beispielsweise am Rande des Fussballfeldes den Match zu verfolgen. Mit allem Drum und Dran.
Die Audiotechnik kann nicht auf Verfahren basieren, die wir heute als Stereo- oder Surround-Systeme kennen. Dies würde gegenüber dem übertragenen Bild zu unrealistisch erscheinen. Das heisst, für die VR/AR-Industrie wird es unumgänglich sein, neue Verfahren für die Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe von Audio zu verwenden. Die Entwicklung auf diesem Gebiet ist seit geraumer Zeit im Gange.
Beim Beispiel mit dem Fussball-Match kann der Zuschauer selber bestimmen, was er sieht. Er kann zum Beispiel den einen Spieler verfolgen und den Rest des Feldes ausser Acht lassen. Entsprechend soll die Audiospur mit dem, was die Zuschauer sehen, mitgehen. Und dabei soll sie so echt wirken, wie es das 3D-Bild tut. Dies erfordert eine hohe Anforderung an die Audioaufnahme und Audiowiedergabe.
Für die Audioaufnahme muss es demzufolge ein Verfahren geben, welches es erlaubt, als Hörer verschiedene Positionen im Raum einzunehmen. Mit dem Ambisonics Verfahren ist dies möglich.
Es gibt inzwischen mehrere Firmen, die Ambisonics Mikrofone (1. Ordnung und auch höherer Ordnung) entwickelt haben und bereits verkaufen. So auch die Firma Sennheiser mit dem Ambeo-Mikrofon
Mit der Entwicklung hin zu VR- und AR-Systemen wird auch die Musikwiedergabe revolutioniert. Die neue Technologie für Aufnahme/Wiedergabe (wie oben beschrieben) wird auch für Musikproduktionen attraktiv. Man wird erreichen, dass man sich im Konzertsaal wähnt – und dabei gar im Saal herumgehen kann, den Musikern ganz nahe kommen und für sich den besten Hörplatz finden kann. Dies mag unglaublich klingen, wird aber zur Zukunft der Musikwiedergabe gehören.
Dies deutet auch darauf hin, dass die Live-Wiedergabe an Bedeutung gewinnen wird. Heute unterscheiden wir zwischen Studioproduktionen und Live-Mittschnitten. Die Zukunft wird den Live-Produktionen gehören. Diese kann man mit VR/AR auch zuhause geniessen. Mit einem hohen Grad an «Authentizität».