Das Klangschloss erarbeitete sich zu Recht den Ruf eines aussergewöhnlich sympathischen und angenehmen High End Audio Events und wurde dem auch in der neunten Ausführung gerecht. Das im sechzehnten Jahrhundert in der heutigen Form erbaute Schloss Greifensee strahlt schon für sich eine Aura der Gemütlichkeit aus und passt so perfekt für den beschaulichen Genuss von Musikanlagen, die für eine langjährige Partnerschaft im heimischen Wohnzimmer gebaut sind.
In acht Räumen voller historischer Patina präsentierten elf Aussteller Produkte für hochwertige Musikwiedergabe. Die Analog-Audio-Association stellte einen kleinen aber feinen Schallplattemarkt auf die Beine. Dies in friedlicher Kooperation mit dem CD-Studio, welches audiophile Silberscheiben zum Kauf anbot.
Als ehemaliger Lautsprecher-Selbstbauer freute ich mich ganz besonders über den Stand von Daniel Müller von Wavecontrol. Bei ihm findet man alles, um selber Lautsprecher zu bauen: Bauteile und Zubehör, aber auch vollständige Bausätze wie zum Beispiel den Starwave-Kit mit Manger Wandler.
Natürlich wurde auch fürs kulinarische Wohlbefinden gesorgt, und die drei hochklassigen Fachvorträge luden zur Vertiefung aktueller Themen ein. Thomas Flammer von voice70 demonstrierte die Unterschiede von analoger und digitaler Audiotechnik. Christof Faller, ein international ausgewiesener Spezialist für Audiobearbeitung, zeigte mit den von seiner Firma Illusonic entwickelten Algorithmen, wie selbst aus Stereoaufnahmen unglaublich authentischer Surroundsound entstehen kann. Was anfänglich an Magie erinnert, ist eine enorm vertiefte Auseinandersetzung mit Wiedergabeakustik.
Brechend voll war der Vortragssaal im Landenberghaus neben dem Schloss am Sonntagmorgen. Die Schweizer Tonmeister-Legende Jürg Jecklin führte in seiner 100 minütigen Odyssee unter dem Titel “Von Edison bis Surround” eloquent und charmant durch die Geschichte der Musikwiedergabe. Wer den Termin verpasste, sei beruhigt: avguide.ch zeichnete den gesamten Vortrag auf. Er ist in unserer Videothek oder am Ende dieses Reports in voller Länge zu sehen!
Tour durch die Musikanlagen
Im Gegensatz zur einer High End in München sah sich kein Aussteller gemüssigt, durch imposante Aufbauten auf sich aufmerksam zu machen. Die meisten Vorführungen hatten fast familiären Charakter. So kommt man sowohl mit den Ausstellern als auch anderen Musikbegeisterten über das Gehörte schnell ins Gespräch. Nachfragen war jederzeit möglich,und man erhielt so manche Hintergrundinformation zu den Geräten aus erster Hand.
Erfreulich festzustellen, dass der Mut vorhanden war, auch mal Unkonventionelles und Experimentelles zu zeigen. So demonstrierte Daniel Weiss mit seinen Wandlern und PSI-Aktivlautsprechern eine “Laborversion” eines Algorithmus, der es ermöglicht, eigentlich für Kopfhörer gemachte Kunstkopfaufnahmen auf zwei Lautsprechern zu hören. Auch normale Stereoaufnahmen profitierten von einem extrem erweiterten Sweetspot, obwohl die Lautsprecher in einer Zwillings-Anordnung fast mittig im Raum stehen. Ein verblüffendes Experiment.
Mit dem formschönen, ästhetischen 5.1 Surround-Lautsprecherset von Klangwerk führte Christof Faller seinen Illusonic Audio-Processor IAP 16 vor, der sowohl mit Surround- als auch Stereoaufnahmen eine authentische Konzertsaal-Akusitk suggerieren will. Vereinfacht gesagt, analysiert der Prozessor die in der Aufnahme enthaltene Rauminformation und fächert sie auf maximal 16 Kanäle auf!
Zugegebenermassen war ich sehr skeptisch, musste mich aber überzeugen lassen. Die Aufnahmen klangen über den Prozessor durchgehend räumlich korrekter, mit einer traumhaften Tiefenstaffelung und zudem tonal weicher. Reines Stereo wirkte im direkten Vergleich räumlich gepresst und vordergründig mit einer zu starken Betonung des Zentrums. Für 18'000 CHF für den Prozessor und 29'000 für das Lautsprecherset erhält man ein dramatisch gutes aber auch kostenintensives System, das selbst Stereoaufnahem in Surroundsound überführt.

Digitale Präzision
Über das Grimm 1 System und die französiche Devialet-Elektronik, zwei der innovativsten Audioprodukte der letzten Jahre, berichten wir schon an anderer Stelle.
Umso erfreulicher, dass beide am Klangschloss zu hören waren. Der Devialet - gezeigt bei voice70 - ist wohl eines der modernsten Audiosysteme auf dem Markt. Dabei bricht die französische Firma mit althergebrachten Traditionen des Metiers. Sie packten die gesammte Elektronik in ein All-In-One-Gerät. Ein Devialet integriert sowohl Wi-Fi Streamer mit Hi-Res-DAC als auch einen Phonovorverstärker, eine Signalführung in reiner Klass A bis zur leistungsfähigen, geschalteten Endstufe mit enorm hohem Wirkungsgrad.
Die gesamte Elektronik findet dann noch in einem unglaublich kompakten Gehäuse Platz. Als Zusatz gibt es eine Fernbedienung mit einem grossen, metallenen Lautstärkeregler als einzigem Bedienelement. Mehr braucht es auch nicht. Das wäre ja alles nicht so aufregend, würde man nicht noch klanglich die arrivierte Konkurrenz weitgehend in den Schatten stellen. Wer redet da noch von monströsen Endstufen US-amerikanischer Prägung?
Radikal ist auch das Konzept der von InConcert Audio vorgestellten Grimm LS1. Ein Gesamtsystem bestehend aus Vorverstärker, Wandler, Endstufe und Lautsprecher. Überwacht wird der Signalfluss zu den direkt angesteuerten Lautsprecherchassis per digitalem Signalprozessor. Das DSP beinhalted eine digitale Frequenzweiche und eine exakte Zeit/ Phasen-Linearisierung der Treiber aufgrund von Messungen bei der Herstellung. Dazu werden die Frequenzgänge linearisiert.
Das Ergebnis ist eine kompromisslos präzise Wiedergabe sowohl auf der Zeitebene als auch in der räumlichen Abstrahlung. Da laviert rein gar nichts im Klangbild: keine Härten in den Mitten, kein Überzeichnen des Klangkörpers, kein Dröhnen im Bass. Die Klangentfaltung ist fast schon beängstigend perfekt.
Als Zuspieler für Vinyl standen der Dr. Feickert Analog Blackbird 2 und als besonderes Bijou der Manley Chinook Röhren-Premap bereit. Manley ist eine Marke, die im Studiobereich mit ihren Röhren-Equalizer und Mikrofonvorverstärker Kultstatus geniesst.

Analoges Kontrastprogramm
Von der Grimm 1 bis zum Raum von Jürg Schopper waren es nur wenige Schritte. Der Kontrast hätte aber kaum grösser sein können. Jürg Schopper ist, wenn es um Vinyl-Raritäten geht, eine Koryphäe mit internationaler Ausstrahlung. Mindestens so berühmt sind seine restaurierten Thorens TD 124 Plattenspieler, die ich persönlich jedem chromglänzenden Massendreher der Zentnerklasse vorziehe. In Partnerschaft mit den Röhrenamps von Swissonor aus dem Genfer Troinex und den B.A.C.H Lautsprechern mit Vollbereichschassis fand man sich in einer komplett anderen “Audiowelt” wieder.
Die analoge Kette war sicher nicht frei von Verfärbungen (Lautsprecher), aber wenn Jürg Schopper in seinen Vinyl-Trouvaillen gräbt und eine Testpressung von ZZ-Top auflegt, ist reiner Musikgenuss hoch zehn garantiert. Das klang alles nicht gerade akademisch korrekt, die Kette spielte dafür mit grosser Emotionalität auf und machte richtig Spass. Da zu entscheiden, was man sich eigentlich in die heimische Wohnstube stellen möchte, analogen Sound oder digitale Präzision, ist gar nicht so einfach …

Dass man mit konsequente Modellpflege weit kommen kann, beweist Avantgarde, Stammgast im Klangschloss mit ihren Lautsprechern und Verstärkern. Freddy Gassman optimiert und verbessert die Komponenten seit Jahren. Das Resultat ist eine extrem saubere und geschmeidige Klangentfaltung.
Thierry Mayer entwarf mit Optimize ein abgestimmtes audiophiles Klangoptimierungssystem für höchste Ansprüche. Am Klangschloss präsentierte er eine Kombination aus Focal Aria 926 und Atoll-Verstärker für 7000 CHF. Die französische Kombi spielt sehr dynamsich, wenn auch mit einem etwas gar hellen Klangtimbre. Für mich war die Vorführung aber auch zu laut.
Neben den fantastisch klingenden Audio-Exklusiv Elektrostaten zeigte Andreas Müssig vom Hifi Studio Wil auch seine in eigener Regie entwickelten und sympathisch preiswerten AM-Lautsprecher. Sie verwenden einen Airmotion-Hochtöner und können kundenspezifisch auf den Hörgeschmack ausgelegt werden. Die AM-Lautsprecher klangen ordentlich und sehr dynamisch. Die Kombination des kleinen Designlautsprechers für 4000 CHF mit einem preiswerten externen Subwoofer gefiel mir persönlich aber nicht. Der Subbass wirkte aufgesetzt, was mich darin bestätigte, dass irgendwo im Raum platzierte Subwoofer einfach nicht funktionieren und jeweils einen Fremdkörper im Klang bilden.
Wenn schon ein Subwoofer, dann wie bei Backes&Müller gezeigt, als zweite Einheit direkt neben dem Hauptlautsprecher aufgestellt. So stimmen wenigsten die akustischen Zentren. Backes & Müller produziert Aktivlautsprecher seit Dekaden. Entsprechend ausgreift und durchdacht sind die von Andreas Kühn mit allen ihren technischen Finessen vorgestellten Lautsprecher. Die Dynamikreserven schienen unerschöpflich.
Zum Schluss muss ich sagen, dass die Tour durch das Klangschloss auch in diesem Jahr wieder unheimlich Spass machte und sehr interessante Einblicke eröffnete. Markus Thomann vom Klangwerk kann man nur gratulieren zu seiner perfekten Organisation des sympathischen Events!
Referat von Jürg Jecklin
Ein Highlight des Klangschlosses 2014 war das unter dem Titel “Von Edison bis Surround” laufende Referat zur Geschichte der Aufnahmetechnik. Für alle, die es verpassten, das Wetter zu schön oder der Sonntagmorgen zu früh war, bringen wie das Referat hier in voller Länge.