TESTBERICHT
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Publikationsdatum
31. Januar 2005
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Sieben Jahre hat man sich bei Bowers & Wilkins Zeit gelassen, Nachfolger für die diversen Modelle der renommierten Nautilus-Serie auf den Markt zu bringen.

Nun sind sie da – und unterscheiden sich äusserlich nur wenig von den Vorgängern. Punkto Technik und Klang sind hingegen grosse Fortschritte zu verzeichnen.

Exemplarisch überprüfte avguide.ch dies am Spitzenmodell 800 D sowie an der kleinen 805 S.

Nachhaltige Detailoptimierung

Besitzer der ersten Nautilus-Modelle mag es ja freuen: In den Grundzügen unterscheiden sich die Neuen kaum von den Vorgängern. Woraus man schliessen darf, dass diese noch lange nicht zum alten Eisen gehören.

Die Devise der B&W-Entwickler lautete denn auch, anstelle einer grundlegenden Neuentwicklung lieber auf konsequente und nachhaltige Detailoptimierung zu setzen.

Die bestehenden Grundlagen der Nautilus-Technik waren offenbar so gut, dass sie mangels Alternativen gar nicht erst ersetzt werden mussten.

Bewährtes und Neues

Die neue 800 D ist das teuerste Modell innerhalb der Nautilus-Reihe.

Optisch unterscheidet sie sich nur wenig von der Vorgängerin. Rundungen beherrschen das gediegene Erscheinungsbild, welches man mit dem Design-Motto „Form follows function“ vielleicht am besten charakterisieren könnte.

Von den Abmessungen her lassen sich die 800 D selbst in mittelgrossen Räumen noch gut aufstellen, ohne dass sie allzu opulent wirken.

Auch die Vorgängerinnen konnte man ja schon problemlos in kleineren Räumen betreiben, da sie im Bass ausgesprochen trocken und dröhnfrei agierten.

Die Bassgehäuse sind noch verlustfreier ausgelegt, indem die rückseitige Rundung nun aus durchgehendem Multiplex besteht und die Matrix-Innenversteifung optimiert wurde.

Völlig neu sind die Basstreiber mit 8 mm dicken „Rohacell“- Carbonfaser-Verbundmembranen und extrem starkem Antrieb.

Sie sollen für sehr saubere und impulsstarke Bässe besorgt sein, da ihre Membranen sehr leicht sowie steif sind und sich viel weniger von rückwärtig reflektierten Schallwellen beeinträchtigen lassen.

Bis auf 32 Hz hinunter (–3 dB) soll die 800 D damit übertragen.

FST-Kevlar-Mitteltöner

Geblieben ist der neuen Nautilus das kugelförmige Merlan- Kunststeingehäuse, welches den bekannten FST-Kevlar-Mitteltöner beherbergt.

Dieser bekam ein verbessertes Chassisdesign spendiert und beruht ansonsten auf dem „Signature“-Treiber des Vorgängers mit Neodym-Magnet und Alu-Phaseplug.

Dank sickenloser Aufhängung und Kugelgehäuse findet die Kevlar- Membrane beinahe rundum ideale Abstrahlbedingungen vor.

Nach unten zum Bassgehäuse hin bedämpft eine dicke Lederauflage unerwünschte Reflexionen.

Hochtöner mit Diamantkalotte

Aufsehenerregendstes Bestandteil – und zukünftig wohl das Markenzeichen der Nautilus D-Reihe – ist der neue Hochtöner mit Diamantkalotte.

Hier gelang B&W ein echter Durchbruch, der wohl auch dringend notwendig war, wollte man – notabene mit dem Bauprinzip der Kalotte – mit den angesagten „exotischen“ Schallwandlern der Konkurrenz, sprich Bändchenhochtöner oder Heil Air Motion Transformer, weiter mithalten.

Nach intensiver Forschung kamen die B&W-Ingenieure zur Erkenntnis, dass Diamant das beste Material für eine Hochtonkalotte ist, da es sich durch optimale Verwindungssteifheit, geringste Partialschwingungen und entsprechende Impulstreue auszeichnet.

Als grundlegender Vorteil gegenüber Aluminium, Titan und Berillium erwies sich zudem, dass eine Diamantkalotte im ultrasonischen Bereich kaum aufbricht oder Überschwinger produziert.

Ihr Frequenzgang fällt oberhalb von 20 kHz sanft und kontinuierlich ab.

Die B&W-Leute stellten dann in ausgiebigen Hörversuchen fest, dass ein möglichst ideales, praktisch partialschwingungsfreies Verhalten unter 20 kHz viel wichtiger ist als ein bis 40 kHz erweiterter Frequenzgang, der mit mehr oder weniger starkem, hochfrequentem „Ringing“ erkauft wird.

Ultrasonischer „Müll“

Der Vergleich: blau - Aluminium mit ausgeprägter Resonanz bei 30 kHz. rot - Diamant fällt kontinuierlich ab.
Obwohl das menschliche Ohr Frequenzen über 20 kHz nicht bewusst wahrnehmen kann, tangiert hochfrequenter ultrasonischer „Müll“ nach diesen Erkenntnissen offenbar doch das Hörempfinden.

Unbestrittene Tatsache ist, dass mit den hoch auflösenden Tonträgern SACD oder DVD-Audio das Übertragungsverhalten eines Lautsprechers oberhalb von 20 kHz plötzlich wichtig wird.

Oder anders ausgedrückt: Im CD-Zeitalter spielte es keine grosse Rolle, wenn ein Hochtöner starke Peaks und Resonanzen zwischen 20 bis 40 kHz aufwies, da diese ja gar nicht oder kaum (wenn, dann nur über Interferenzen) angeregt wurden.

Nun gewinnt die Forderung nach einem sauberen Übertragungsverhalten auch oberhalb der menschlichen Hörgrenze plötzlich an Gewicht.

Weniger ist mehr

Ob mans glaubt oder nicht: Ein schlechter Kondensator kann den Sound vermiesen. B&W verwendet deshalb alterungsbeständige Kondensatoren vom deutschen Hersteller Mundorf (Typ M-Cap Supreme Silver/Gold)Ob mans glaubt oder nicht: Ein schlechter Kondensator kann den Sound vermiesen. B&W verwendet deshalb alterungsbeständige Kondensatoren vom deutschen Hersteller Mundorf (Typ M-Cap Supreme Silver/Gold)
In den Hörversuchen mit der neuen Diamantkalotte geriet bald auch die Wahl der Frequenzweichenbauteile ins Blickfeld der Entwickler.

Dabei kristallisierte sich heraus, dass sich mit lediglich einem extrem hochwertigen Kondensator die besten klanglichen Resultate erzielen liessen.

So kommt ein alterungsbeständiger MKP vom deutschen Hersteller Mundorf (Typ M-Cap Supreme Silver/Gold) zum Einsatz.

Dem Hochtöner reicht elektrisch ein 6-dB-Filter (akustisch resultiert eine 12-dB-Linkwitz-Charakteristik), was sich positiv auf das Impulsverhalten auswirkt.

So argumentiert B&W sicher nicht zu unrecht, wenn auch nicht unbedingt neu: Je weniger Bauteile im Signalweg liegen, umso besser.

Um einen sanften Phasenverlauf im Übergangsbereich zum Mitteltöner sicherzustellen, musste der Hochtöner im Vergleich zur Vorgängerbox weiter nach vorne wandern.

Sonst hätte man nämlich die Plus/Minus-Umpolung tauschen müssen, was aus der ganzheitlichen Sicht der Entwickler auch nicht ideal gewesen wäre.

Was der stolze Besitzer wissen muss: Die Diamantkalotte des Hochtöner ist extrem sensibel gegenüber Berührungen.

Er sollte deshalb keinesfalls auf die Idee kommen, das matt silbern glitzernde Teil mittels Abnehmen des Schutzgitters der familiären Öffentlichtkeit zugänglich zu machen.

Kraft und Feinsinn

Bi-Wiring ist auch bei der 800 D eine Selbstverständlichkeit und macht Sinn, da die Frequenzweichen für die drei Wege auf separaten Platinen aufgebaut sind.
Wir hatten Gelegenheit, ein Paar Nautilus 800 D einen Tag lang intensiv anzuhören.

Als adäquater Spielpartner kam Elektronik vom kanadischen High-End-Spezialisten Classé zum Einsatz, die Verkabelung stammte von Kimber, die laut Importeur sehr gut mit den Nautilus harmonieren soll.

Sofort viel auf, wie mühelos und absolut schlackenfrei die 800 D jegliches Musikmaterial reproduziert.

Sie agiert aberwitzig schnell – dies jedoch, ohne auch nur im mindesten aufdringlich zu werden.

Selbst helle timbrierte Streicher-Aufnahmen, die auf anderen Schallwandlern schnell einmal angestrengt rüberkommen, erklingen auf der Nautilus zwar ebenfalls brillant, bleiben aber edel, rein und ohne unnatürliche Aggressivität.

Damit werden Orchesteraufnahmen auch in Originallautstärke gehört zum Ohrenschmaus, denn insgesamt erlaubt die 800 D ein aussergewöhnlich ermüdungsfreies Langzeithören.

Wobei man natürlich betonen muss, dass langes Lauthören der Gesundheit nicht zuträglich ist.

Dieses Risiko dämpft die 800 D aber insofern, als sie – passende Elektronik vorausgesetzt – schon bei Zimmerlautstärke ein sehr vitales Hörerlebnis mit guter Feindynamik ermöglicht.

Dennoch macht es Spass, es mit der 800 D ab und zu mal richtig krachen zu lassen.

Zumal sie auch im Tieftonbereich – selbst bei sehr hohen Pegeln – „unaufdringlich“ bleibt, da gehäusebedingte Resonanzen und Überhöhungen praktisch vollständig fehlen.

Impulsschneller Bass

Auch das Innenleben einer Box spielt in Sachen Bass eine grosse Rolle. Nach wie vor bewährt hat sich die bekannte Matrix-Innenversteifung,
Wie schon ihre Vorgängerin bietet die 800 D einen ultratrockenen, impulsschnellen Bass, wobei die Neue im Vergleich sogar noch mehr Druck und Tiefgang aufweisen dürfte.

Erstaunlich im Tieftonbereich ist das Differenzierungsvermögen.

So ertönt Jazzbass mit ungeahnten Timbre- und Klangnuancen. Verschiedene Bassinstrumente wie Synthesizer, Elektro- oder Akustikbass werden in ihrer jeweiligen Charakteristik präzise getroffen.

Aber auch der Flügel profitiert von der Autorität und Konturiertheit im Bass- und Grundtonbereich.

So erklingt Claudio Arraus Schubert-Interpretation unvergleichlich authentisch in einer so grandiosen Klangfülle, wie man sie über andere Lautsprecher bisher kaum je wahrgenommen hat.

Überhaupt gilt, dass man viele bekannte Aufnahmen, die man eigentlich auswendig kennt, neu entdecken kann, weil ihnen die Nautilus einen ungeahnten Detail- und Klangfarbenreichtum entlockt.

So lässt sich mit Bestimmtheit sagen, dass die britische Spitzenbox ein absolutes Maximum aus jeder Klangkonserve herausholt.

Dabei erweist sie sich aber keineswegs als gnadenlos aufdeckender und analytisch klingender Studio-Monitor.

Sie bringt Fehler der Aufnahmetechnik zwar klar zu Tage, jedoch paradoxerweise ohne solche Aufnahmen deshalb gleich ungeniessbar zu machen.

Homogenität gross geschrieben

Homogenität wird bei diesem Schallwandler extrem hochgeschrieben.

Nicht nur, dass die 800 D keinerlei hörbaren Klangverfärbungen aufweist; hinzu kommt, dass auch keine irgendwie gearteten „Sprünge“ vom Tief- zu Mittel- oder vom Mittel- zum Hochtöner erkennbar sind.

Insbesondere der Hoch- und Obertonbereich sticht trotz enormer Auflösung überhaupt nicht aus dem Gesamtklang heraus.

Somit tönt die 800 D wie aus einem Guss – übrigens eine Tugend, die man schon der Vorgängerin attestieren durfte, jedoch bei der Nachfolgerin dank Diamanthochtöner nochmals gesteigert wurde.

Damit erübrigt sich auch die Diskussion, für welche Art von Musik sich die Nautilus 800 D wohl am besten eignet.

Egal ob bei Pop, Jazz oder Klassik – überall läuft die britische Edelbox zur Höchstform auf.

Grosse Abbildung

Grosse Box mit grosser Abbildung. Aber: Die Klangkörper behalten ihre natürlichen Dimensionen.
Punkto Räumlichkeit entfaltet die Britin eine breite, grosse Abbildung, wobei sie stets die korrekten Dimensionen wahrt.

Eine Blockflöte wird nicht zur Orgel, eine Laute nicht zur Harfe.

So schafft sie auch das seltene Kunststück, Solisten plastisch aus dem orchestralen Hintergrund herauszuarbeiten und sie dennoch gesamtheitlich in den musikalischen Gesamtzusammenhang einzubetten.

Damit werden etwa Opern zum veritablen Hörgenuss.

Das Klangbild atmet und offenbart eine perfekte Durchhörbarkeit.

Unterstützt durch die aussergewöhnlich gute Fein- und Grobdynamik dieses Lautsprechers erwachen gute Aufnahmen zu pulsierendem Leben.

Fazit

Die B&W Nautilus 800 D scheint ganz nach der Devise konzipiert: „Authentischere Musikwiedergabe dank weniger Lautsprecher-Eigenklang und konsequenter Detailoptimierung.“

Damit haucht sie dem Ideal grösstmöglicher Wiedergabetreue neues Leben ein und holt gleichzeitig eine ungeahnte Klangfülle aus allen möglichen Musikkonserven.

Alles in allem ein Schallwandler, mit dem man getrost ein musikalisches Bündnis fürs Leben eingehen kann – bis hin zur diamantenen Hochzeit.
STECKBRIEF
Preis:
32'000.-
Profil:
Authentischere Musikwiedergabe dank weniger Lautsprecher-Eigenklang und konsequenter Detailoptimierung.
Pro:
höchste Wiedergabetreue,
ermüdungsfreier Klang,
straffer, ultraschneller Bass,
Top-Verarbeitung,
guter Wirkungsgrad
Contra:
hoher Preis
Ausstattung:
Ausführungen: Kirsche hell, Kirsche rot, Esche schwarz
Technische Daten:
Masse (BxHxT): 45 x 118 x 64,5 cm

Anzahl Wege: 3
Bi-Wiring: Ja
Empf. Verstärkerleistung: 50 - 1000 Watt,
Impedanz: 8 Ohm (min 3.1 Ohm)