Im letzten Herbst wagte Canon mit der EOS R den ersten Schritt in die Welt der spiegellosen digitalen Vollformatfotografie. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Neben vielen typischen Canon-Qualitäten fanden sich auch einige unverständliche Mankos bei der Ausstattung.
Sportfotografen, Hochzeits- und Event-Spezialisten sowie Filmemacher warteten deshalb auf eine professionellere Variante der EOS R – und Canon überraschte in diesem Februar mit einer kostengünstigen Kamera für die Masse. Die EOS RP, das P steht für populär, soll Ein- und Umsteiger ins spiegellose EOS-Vollformatlager von Canon bringen.
Während sich die EOS R mit der Canon-Spiegelreflexkamera EOS 5D Mark IV vergleichen lässt – in ihr arbeitet ein sehr ähnlicher Sensor mit einer Auflösung von über 30 Millionen effektiven Pixeln – hat die neue EOS RP vieles von der EOS 6D Mark II, einer beliebten Canon-Spiegelreflexkamera, übernommen. Sie ist um einiges kleiner als diese und gut 280 Gramm leichter, doch die inneren Werte sind bis auf den fehlenden Spiegel vergleichbar.
So ist der CMOS-Bildsensor der EOS RP mit 35,9 x 24,0 mm genau gleich gross wie bei der 6D II. Darauf befinden sich ebenfalls 26,2 Millionen effektive Pixel, und die grösste Bildauflösung beträgt genau gleiche 6240 x 4160 Pixel. Auch die ISO-Werte und die kürzeste Belichtungszeit sind mit der Spiegelreflexkamera identisch. Dafür unterstützt die EOS RP dank des leistungsstärkeren Prozessors neben UHS-I- auch UHS-II-Speicherkarten, was die 6D II nicht kann. Und statt nur tonloser 4K/UHD-Zeitlupe wie bei der 6D II gibt es jetzt richtiges 4K/UHD-Video mit bis zu 25 Bildern pro Sekunde.
Abmagerungskur
Um die laut Canon kleinste und leichteste und nicht zuletzt preiswerteste digitale Vollformatkamera mit Wechselobjektiven zu konstruieren, mussten gegenüber einer EOS R nicht nur das Gehäuse verkleinert und Bedienungselemente weggelassen werden, sondern auch Sucher, Display und Akku wurden bei der EOS RP abgespeckt.
Am offensichtlichsten erkennt man dies am fehlenden EOS-R-«Sucherhöcker» auf der Canon EOS RP, die dadurch um einiges niedriger und auch weniger tief wurde. Der elektronische Sucher in OLED-Technik besitzt mit 2,36 Millionen Bildpunkten rund 1,33 Millionen weniger als die EOS R. Ähnlich sieht es beim TFT-LCD-Monitor aus, der ebenfalls kleiner wurde und mit 1,04 Millionen Bildpunkten nur die Hälfte der Auflösung einer EOS R besitzt.
Auf die neuartige «MODE»-Taste und das Zusatzdisplay auf der Oberseite der EOS R sowie die Multifunktions-Touchleiste an der Rückseite wurde bei der EOS RP ganz verzichtet. Dadurch sind die oberen drei Tasten an der rechten Kante der EOS RP etwas nach innen gerückt. Die automatische Schutzvorrichtung für den Sensor, der bei der EOS R in Aktion tritt, sobald die Kamera zum Beispiel für einen Objektivwechsel ausgeschaltet wird, fehlt bei der EOS RP ebenfalls. Ob sich die Kamera nach so vielen Einschränkungen und Weglassungen überhaupt noch richtig bedienen lässt, steht auf den nächsten Seiten.
Einsteigerfreundlich
Eine Kamera für Einsteiger und Umsteiger sollte einfach zu bedienen sein und gleichzeitig die Fortgeschrittenen nicht unnötig einschränken. Canons jahrelange Erfahrung bei der Umsetzung von Bedienungskonzepten spürt man bei der EOS RP deutlich. Mit der Kamera fotografieren auch EOS-Neulinge in kürzester Zeit ohne Probleme. Einschalten, Wahlrad auf «Vollautomatik» drehen und loslegen. Die Motiverkennung der Kamera analysiert das Sujet und legt die optimalen Einstellungen dafür automatisch fest.
Unterschieden wird dabei hauptsächlich zwischen Personen, Natur, Landschaft, Nahaufnahmen und Dingen in Bewegung. Zusätzlich werden die Hintergrundbeleuchtung und -farbe wie etwa helles Tageslicht, blauer Himmel, Abendlicht, Gegenlicht, Punktstrahler oder Dunkelheit miteinbezogen. Trotz Vollautomatik-Modus lässt die Kamera einige Eingriffe in die Steuerung zu. So kann man den Antriebsmodus (Einzelbild oder Serienaufnahme), die Bildqualität, den Touch-Auslöser und den Kreativ-Assistenten anpassen.
Über den Kreativ-Assistenten wählt man entweder voreingestellte Effekte aus oder passt Parameter wie Hintergrundunschärfe, Helligkeit, Kontrast oder Farbsättigung dem eigenen Geschmack an. Dies erfolgt über Knöpfe und Cursor-Tasten oder direkt durch Berühren des Touch-Screens. Ideal für die nur noch «touchende» Smartphone-Generation.
Die nächste Stufe der Bedienung ist der Modus «Besondere Szene». Hier werden von der Kamera für das ausgewählte Motiv die korrekten Einstellungen automatisch vorgenommen. Dreht man das Wahlrad auf «SCN», stehen einem zwölf Motive wie zum Beispiel Porträt, Gruppenfoto, Landschaft, Sport, Kinder, Speisen oder Nahaufnahme zur Auswahl. Darunter befindet sich auch der «Leise Modus» für das lautlose Auslösen der Kamera.
Zu jedem Symbol auf dem Wahlrad und den dazugehörenden Untermenüs wird ein Beispielfoto mit Erklärungen und Tipps eingeblendet. Das gibt Einsteigern eine Hilfestellung bei der Auswahl und vermittelt gleichzeitig grundlegende Kenntnisse über das Zusammenspiel von Blende und Verschlusszeit.
Fortgeschrittene Benutzer werden diese ab Werk eingestellten Hilfeseiten sehr bald im Menü ausschalten. Denn nach einer gewissen Zeit nerven sie nur noch und verzögern die Aufnahme.
Kreative Programme und flexible Automatik
Wer die Vollautomatik und die Motiv-Programme verlässt, darf sich in der Kreativ-Abteilung austoben. Zu den bekannten P-, Tv-, Av-, M- und BULB-Modi gesellt sich der neue Fv-Modus. Die Abkürzung steht für «Flexible Automatik» und erlaubt es, die Verschlusszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit manuell oder automatisch einzustellen und diese Einstellungen mit der gewünschten Belichtungskorrektur zu kombinieren.
Canon führte den Fv-Modus erstmals bei der EOS R ein. Er sollte eigentlich bei allen Kameras zur Pflicht werden. Ich finde ihn deshalb so genial, weil er den einzelnen Modi P, Tv, Av oder M entspricht, jedoch alles in einem Menü zusammenfasst. Nach kurzer Eingewöhnung habe ich die meiste Zeit nur noch damit fotografiert.
Mit dem hinteren Drehrad wird der gewünschte Parameter ausgewählt und mit dem vorderen die Werte verändert. Damit lässt sich sehr schnell auf unterschiedliche Aufnahmesituationen reagieren, da nicht erst das Wahlrad auf einen neuen Modus gedreht werden muss.
Fotografiere ich beispielsweise ein Gesicht, stelle ich manuell eine möglichst grosse Blendenöffnung ein, um den Hintergrund verschwimmen zu lassen. Die Belichtungszeit und die ISO-Empfindlichkeit lasse ich durch die Kamera automatisch anpassen. Möchte ich nun ein vorbeifahrendes Motorrad mit möglichst kurzer Belichtungszeit «einfrieren», muss ich nicht erst das Wahlrad auf Blendenautomatik drehen, sondern kann in der Fv-Anzeige bleiben, das Blendensymbol auf «Auto» stellen und über das Belichtungssymbol die Zeit manuell anpassen.
Mit dem vorderen Einstellrad kann ich einen Wert bis zur Position «Auto» drehen, schneller geht es jedoch mit der Cursor-Auf- oder -Rechts-Taste. Damit wird der ausgewählte Parameter sofort auf «Auto» gestellt. Mit der Cursor-Ab- oder -Links-Taste gehen alle Werte zurück auf «Auto». Wird der Auslöser halb heruntergedrückt, zeigt die EOS RP die automatisch ermittelten Werte nun unterstrichen an. Mit einem blinkenden Wert warnt die Kamera zudem vor einer Unterbelichtung oder Überbelichtung.
Die Bedienung funktioniert auch hier via Touchscreen-Tippen und verändern der Werte durch Darüberwischen. Gut und bequem, wenn man eh für die Fokussierung auf das Display tippt. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, die Werte anzupassen – per Einstellräder, Cursortasten oder über den Touchscreen – erlauben es einem, seine bevorzugte Arbeitsweise beizubehalten, mal etwas Neues auszuprobieren oder die Varianten zu kombinieren. Auch erfahrene «Nur-Tasten-Bediener» sind meist erstaunt darüber, dass ein Wert oft direkter und schneller per Fingertipp aufs Display verändert werden kann. Ein gutes Beispiel dafür sind verzweigte Einstellungen in Untermenüs.
Eine weitere Möglichkeit, schnell und übersichtlich an die wichtigsten Kamera-Parameter zu kommen, führt über die Info- und Quick-Tasten. Entweder direkt an der Kamera oder durch Antippen des Q-Symbols am Bildschirm. In dieser als Schnelleinstellung bezeichneten Darstellung werden die einzelnen Einstellungen als Symbole vertikal links und rechts und die dazugehörenden Werte horizontal unten am Bildschirm, oder in einer Gesamtübersicht angezeigt. Auswählen und verändern der Werte geschieht auch wieder mittels Einstellräder, Cursortasten oder durch direktes Antippen.
Praktischer Foto-Einsatz
Die Canon EOS RP ist kompakt und mit 485 Gramm erstaunlich leicht. Das ändert sich schnell, sobald man eines der neuen RF-Objektive, wie etwa die von mir verwendete Allround-Optik RF 24–105mm f/4 L IS USM anbringt. Dann wiegt das Gespann aus Gehäuse und Objektiv gute 1,2 Kilogramm. Da hatte ich zuerst einige Bedenken zur Bedienung und sicheren Handhabung. Der kleine Kamerabody und das im Vergleich dazu voluminöse Objektiv passten jedoch sehr gut in meine normalgrossen Hände. Ich hatte keine Mühe, die einzelnen Bedienungselemente zu erreichen.
Für grössere Pranken kann man sich den als Zubehör erhältlichen Verlängerungsgriff EG-E1 unter die Kamera schrauben. Er gibt besseren Halt für den kleinen Finger und mehr Sicherheit gegen Abrutschen. Der Griff ist so konstruiert, dass sich durch ihn hindurch immer noch Akku und Speicherkarte wechseln lassen. Einen zusätzlichen Akku kann er leider nicht aufnehmen. Er darf nicht mit einem Hochformat-Batteriehandgriff verglichen werden.
Anmerkung für ganz Pingelige: Objektive mit grossem Durchmesser schliessen ohne Verlängerungsgriff nicht bündig mit der Unterkante der EOS RP ab. Legt man die Kamera auf eine ebene Unterlage, liegt sie nicht mehr plan auf, sondern «gwaggelt», kippt hin- und her. Das kann auch bei längeren Stativplatten, wie sie oft bei Videostativen eingesetzt werden, zu Problemen führen. Lässt sich die Platte nicht genug weit nach hinten unter den Kameraboden schieben, steht sie vorne vor, drückt auf das Objektiv und blockiert die Einstellringe.
Die Bedienungselemente an der EOS RP sind mengenmässig überschaubar und übersichtlich angeordnet. Links oben befinden sich der prominente Ein/Aus-Schalter und darunter die Menü-Taste.
Auf der rechten Seite oben wurden das Modus-Wahlrad, die Videoaufnahme-Taste, das Schnell-Wahlrad mit Sperrfunktion platziert. Auf dem Handgriff befindet sich das Haupt-Wahlrad sowie der kleine Multifunktions-Knopf. Den Auslöser drückt man ganz vorne am Handgriff.
Auf der Rückseite der Kamera befinden sich die Info-, Wiedergabe-, Lösch- und Set-Taste wie auch die Cursor-Pfeile grösstenteils an derselben Stelle wie bei der EOS R. Dessen viel diskutierte Multifunktions-Touchleiste, die der EOS RP fehlt, habe ich nie vermisst. Mit dem herkömmlichen Modus-Wahlrad der EOS RP kam ich ehrlich gesagt auch viel besser klar als mit der neuartigen «MODE»-Taste an der EOS R. Das Zusatzdisplay auf der Oberseite der EOS R hatte ich schon beim Fotografieren mit dieser Kamera nie gross beachtet. Bei der EOS RP wurde es weggelassen. Es fehlte mir auch nicht.
Hingegen benutzte ich die meiste Zeit den genialen ausklapp- und drehbaren Touchscreen, der glücklicherweise von der EOS R übernommen wurde. Nur besitzt er bei der EOS RP weniger Auflösung und eine kleinere Bildschirmdiagonale. Dasselbe gilt auch für den elektronischen Sucher.
Der schwenkbare Monitor ist ein echtes Canon-Alleinstellungsmerkmal bei spiegellosen Vollformat-Kameras. Er verhilft nicht nur zu aussergewöhnlichen Perspektiven beim Filmen und Fotografieren, sondern kann beim Transport mit der Bildschirmseite nach innen geklappt werden und ist so perfekt gegen Kratzer und Stösse geschützt.
Steuerring und Dual-Pixel-Autofokus
Die neuen Canon RF-Objektive sind ganz vorne mit einem zusätzlichen Einstellring versehen, der mit verschiedenen Steuerungsfunktionen belegt werden kann. Ich habe ihm die Belichtungskorrektur zugewiesen. Und zwar so, dass er erst bei leichtem Druck auf den Auslöser aktiv wird und sich verstellen lässt.
Damit braucht man bei der Aufnahme sein Auge nicht vom Sucher zu nehmen. Man hat mit der linken Hand Zoom-Ring, Fokus-Ring und die Belichtungskorrektur via Einstellring direkt am Objektiv im Griff, und wählt im bereits erwähnten Fv-Modus mit rechts per Daumen die Parameter aus und passt deren Werte mit dem Zeigefinger an. Clevere Lösung von Canon: Wer sich den EF-EOS-R-Adapter mit Objektiv-Steuerring zulegt, kann auch seine bereits vorhandene EF-Optiken auf diese Weise bedienen.
Das schnell reagierende Dual-Pixel-Autofokus-System der Kamera deckt mit seinen über 4700 wählbaren AF-Positionen beinahe den ganzen Bildbereich ab. Per Fingertipp aufs Display lässt sich der gewünschte Schärfepunkt rasch und präzise bestimmen. Das geht schneller als mit einem Joystick.
Es funktioniert auch, wenn man durch den Sucher schaut. Dazu klappt man den Bildschirm mit dem Touch-Bereich nach aussen und fährt mit dem Finger darüber. Der aktive Touch-Bereich auf dem Display lässt sich selber bestimmen. Das ist wichtig für Leute mit grosser Nase, die damit oft unbewusst die AF-Bereichsanzeige verschieben und sich dann ärgern, weil der AF verrückt spielt. Eine Änderung des Touch-Bereichs – und die Welt ist wieder in Ordnung.
Bei Porträtaufnahmen habe ich die automatische Gesichts- und Augenerkennung der EOS RP natürlich ausgiebig getestet. In den allermeisten Fällen wurde das Gesicht des Modells erkannt und bei aktivierter Augenerkennung auf die Augen scharfgestellt. Über die AF-Messfeldtaste liess sich dann noch das bevorzugte Auge auswählen. Man darf das gewünschte Gesicht auch per Tippen auf das Display bestimmen.
Da die Gesichtserkennung mit der Verfolgungsfunktion gekoppelt ist, wandert das AF-Feld entsprechend mit, wenn sich die Person, bzw. das Gesicht, bewegt. Wendet sich die Person zu stark ab, verliert die Kamera auch das Gesichts-Tracking.
Die meisten Gesichtshaltungen bereiteten der automatischen Erkennung keinerlei Probleme. Nur als sich ein Modell mit dem Kinn auf dem Daumen abstützte und den Zeigefinger über den Mund legte, konnte die EOS RP kein Gesicht mehr erkennen, obwohl ein grosser Teil davon noch sichtbar war. Hier ist die Gesichts- und Augenerkennung eines Mitbewerbers noch etwas zuverlässiger, dennoch sind auch bei der EOS RP die Ergebnisse absolut zufriedenstellend und die Schärfe der Augen auf den Fotos ist ausgezeichnet.
Wird der Autofokus-Betrieb von Einzelaufnahme (One-Shot-AF) auf kontinuierlich gestellt (Servo-AF), versucht die Kamera, das anvisierte Objekt dauernd im Fokus zu halten. Je nach Grösse des AF-Feldes sowie Richtung und Geschwindigkeit des Motivs klappt dies mehr oder weniger zuverlässig. Dabei spielt auch noch der Kontrast des Hintergrundes eine wichtige Rolle. Zur Wahl stehen beim Fotografieren sechs AF-Messmethoden: Gesichtserkennung und Verfolgung, Spot-AF, Einzelfeld-AF, AF-Bereich erweitern, AF-Bereich erweitern auf Umgebung und AF-Messfeldwahl in Zone.
Im Menü «Individualfunktionen für Autofokus» lässt sich die Empfindlichkeit der Servo-AF-Reaktion auf störende Objekte, die sich über AF-Messfelder bewegen, in groben Stufen anpassen, ebenso die Reaktion auf plötzliches Bewegen oder Anhalten des Motivs. Ausprobieren ist hier angesagt.
Bei kleinen und langsamen Motiven, die sich in unvorhersehbarer Richtung bewegten, wie etwa schwimmende Enten, kam der Autofokus gut mit. Bei grösseren und schnelleren Motiven wie startende Flugzeuge gab der Kontrastunterschied im Hintergrund oft den Ausschlag, ob der AF auf dem Flieger blieb oder auf Himmel oder Hangar wechselte. Da die Bewegungsrichtung hier in der Regel klar ist, half auch ein Mitziehen der Kamera, um den Fokus auf dem Flugzeug zu halten. Das AF-Feld passt sich beim Verfolgen in der Grösse den Motivumrissen an – oder versucht es wenigstens.
Das kleinste AF-Feld, der Spot-AF, eignete sich sehr gut für Schärfeverlagerungen zwischen Blättern hindurch oder zur Fokussierung kleinster Motive. Leider kann dieses Feld beim 4K/UHD-Filmen nicht angewählt werden – ausgerechnet dort, wo Unschärfen besonders deutlich auffallen.
Das manuelle Scharfstellen wird durch Bildvergrösserung und Fokus-Peaking unterstützt. Ich aktivierte das Fokus-Peaking, also die farbige Kanten-Anhebung, und war positiv überrascht, wie gut damit die manuelle Scharfstellung gelang. Ich brauchte sie oft beim gezielten Freistellen von Motiven. Empfindlichkeit und Farbe des Peakings sind einstellbar.
Lautlos und gemächlich
Das lautlose Fotografieren beherrscht die EOS RP natürlich auch. Diese Funktion versteckt sich in den Motiv-Programmen unter «Leiser Modus». Dann lassen sich leider nur noch Bildqualität, Autofokus-Methode und Selbstauslöser auswählen, den Rest wie Verschlusszeit, Blende und ISO stellt die Kamera automatisch ein. Zur Bestätigung wird kurz ein weisser Rahmen beim Auslösen eingeblendet, denn jetzt hört man ja nichts mehr klicken.
Leider herrscht nur beim Einzelbild absolute Stille. Dort wo es besonders sinnvoll wäre, bei Serienbildern etwa, kann die Lautlos-Funktion nicht eingesetzt werden. Hier zeigen alle übrigen Mitbewerber, wie es funktioniert.
Apropos Serienbilder: Wird «Reihenaufnahme mit hoher Geschwindigkeit» ausgewählt, können maximal fünf Bilder pro Sekunde aufgenommen werden, ohne Schärfenachführung. Wird der Servo-AF hinzugeschaltet, sind es noch vier Bilder pro Sekunde. Bei «Reihenaufnahme mit geringer Geschwindigkeit» halbiert sich die Bildrate pro Sekunde in etwa. Eine Sportskanone ist die EOS RP somit kaum, aber für gemächlichere Motive ist die Reihenaufnahme durchaus geeignet.
Die Anzahl Bilder, die hintereinander aufgenommen werden kann, hängt vom Bildformat (JPEG, RAW, RAW+JPEG) und der Speicherkarten-Geschwindigkeit (UHS-I, UHS-II) ab. Im Idealfall lassen sich nur JPEG- oder nur RAW-Fotos speichern, bis die Karte voll ist. Bei RAW+JPEG-Bildern sind es knapp 100 Aufnahmen.
Bildstile, HDR, Fokus-Bracketing
Bei den Motiv-Programmen der EOS RP wird der Bildstil automatisch bestimmt. In den kreativen Programmen können mithilfe eines voreingestellten Stils die Bildeigenschaften ganz einfach je nach Motiv und fotografischem Ausdruck festgelegt werden. Es stehen acht vordefinierte Stile sowie drei neutrale Vorlagen für eigene Bildeinstellungen zur Verfügung.
Alle Bildstile lassen sich zudem nach eigenem Geschmack für Schärfe (Stärke, Feinheit, Schwelle), Kontrast, Farbsättigung und Farbton anpassen. Beim Monochrom-Stil kommen veränderbare Filter- und Tonungs-Effekte hinzu.
High Dynamic Range
Wird die EOS RP für HDR-Aufnahmen («High Dynamic Range», hoher Dynamikumfang) eingestellt, werden für jede Aufnahme drei Bilder mit unterschiedlichen Belichtungen (Standardbelichtung, Unterbelichtung und Überbelichtung) in Folge aufgenommen, dann automatisch zusammengeführt und in einer JPEG-Datei gespeichert.
Die Grösse des Dynamikbereichs darf genauso bestimmt werden wie gewünschte Effektstärke. Diese reicht von «Natürlich» bis hin zu «Prägung» und ist zusammen mit den verschiedenen Bildstilen eine Spielwiese für sich.
HDR eignet sich am besten für Landschaftsaufnahmen und Stillleben, bzw. für alles, was sich möglichst wenig bewegt. Es gibt zwar eine Korrekturfunktion (Auto Bildabgleich) für Aufnahmen aus der Hand, aber idealerweise fotografiert man ab Stativ.
Wichtiger Hinweis: Ich hatte als Bildformat JPEG und RAW eingestellt, einige HDR-Bilder geschossen, wieder auf normale Aufnahme umgestellt und war danach erstaunt, dass die weiteren Fotos nur noch im JPEG-Format auf der Speicherkarte lagen. Die EOS RP vergisst nach HDR-Aufnahmen, wieder zurück zum ursprünglich eingestellten Format zu schalten. Ich habe dazu keinen Hinweis im Handbuch gefunden. Dies sollte bei einem Firmware-Update von Canon korrigiert werden. Andere Funktionen wie Mehrfachbelichtungen oder Fokus-Bracketing zeigten dieses Phänomen nicht.
Fokus-Bracketing und Stacking
Um den Schärfentiefenbereich deutlich zu erweitern, zum Beispiel bei Makroaufnahmen, kann die EOS RP mehrere Aufnahmen mit unterschiedlicher Fokussierung automatisch erstellen. Dieses «Fokus-Bracketing» ist mit der Canon EOS R noch nicht möglich.
Wie schon bei HDR-Aufnahmen arbeitet man hier am besten auch ab Stativ und mit Blenden zwischen 5,6 und 11. Auf Grund der Blende errechnet die Kamera die Fokusabstände. Vor der ersten Aufnahme muss beim Motiv auf den Punkt fokussiert werden, den man scharf haben möchte (meist der vorderste) und der am nächsten zur Kamera liegt. Die folgenden Aufnahmen verschieben den Fokus kontinuierlich und automatisch nach hinten bis zum Hintergrund.
Das Zusammenrechnen der gespeicherten Aufnahmen, das «Stacking», erfordert viel Rechenleistung und ist direkt in der Kamera nicht möglich. Hier greift man zu Spezialprogrammen wie Focus Pojects, Helicon Focus oder einer Bildbearbeitungssoftware, die eine Stacking-Funktion besitzt, z. B. Photoshop oder Canons Digital Photo Professional.
Konfiguration und Information
Die Canon EOS RP lässt sich für eine Einsteigerkamera erstaunlich umfangreich anpassen. Im Menüregister «Individualfunktionen» können viele Voreinstellungen zu Belichtung, Autofokus, Bedienung und weiteren Funktionen belegt und für die eigene Arbeitsweise optimiert werden. EOS-Neulinge werden von den vielen Möglichkeiten beinahe erschlagen und tun gut daran, sich im über 600 Seiten starken Handbuch einen Überblick zu verschaffen.
Die wichtigsten Tasten, Wahlrädchen und der Steuerungsring bei RF-Objektiven und Bajonett-Adaptern sind mit vielen von der Standardeinstellung abweichenden Funktionen belegbar, getrennt nach Foto- oder Video-Einsatz. Wem diese Anpassungen zu wenig weit gehen, kann auf den drei Speicherplätzen «Individual-Aufnahmemodus C1 – C3» auch die gesamte aktuelle Kameraeinstellung ablegen und bei Bedarf schnell darauf zugreifen.
Und schliesslich lassen sich auf der Registerkarte «My Menu» Menüoptionen und Individualfunktionen für das ganz persönliche Menü zusammenstellen. Man kann sogar bestimmen, ob es als erstes erscheinen soll, sobald die Menü-Taste gedrückt wird.
Die Symbole und Details, die auf den Informationsbildschirmen während der Aufnahme oder der Wiedergabe angezeigt werden, sind auch wählbar. Man kann sie sogar getrennt nach Touchscreen und Sucher an- oder abhaken.
Drahtlose Steuerung
Mit der intelligenten Bluetooth- und WLAN-Verbindungsoption für das Aufnehmen und Teilen kann die EOS RP von kompatiblen Mobilgeräten aus bedient werden, um Bilder oder Videos kabellos ferngesteuert aufzunehmen. Nach dem Herunterladen und Installieren bietet die kostenlose Canon-App «Camera Connect» die volle Kontrolle über die Kameraeinstellungen, eine Livebildanzeige und die Möglichkeit, die Bereitschaft der Kamera aus der Ferne über Bluetooth zu aktivieren.
Camera Connect ist für Android- und iOS-Geräte erhältlich. Eine Anleitung zur einfachen Verbindung hilft, Kamera und Mobilgerät zu synchronisieren, was mit meinem Android-Tablet zügig gelang. Nur bei der stromsparenden Nur-Bluetooth-Steuerung hakte es zu Beginn etwas.
Die Funktion «automatisches Senden» überträgt die Fotos direkt nach der Aufnahme auf ein Smartphone und bietet damit eine komfortable Zwischensicherung der Bilder. Sie können einzeln oder in einer Auswahl, in Originalgrösse oder verkleinert, übertragen werden. Während des Speicherns auf einem Smartphone können keine weiteren Aufnahmen mit der Kamera gemacht werden. Ausgewählte RAW-Bilder werden als JPEG-Bilder gespeichert.
RAW-Daten lassen sich jedoch zur mobilen Bearbeitung auf kompatiblen iOS-Mobilgeräten (iOS 11.4) an die App Digital Photo Professional Express senden. Eine Android-Version der App ist noch nicht erhältlich. GPS-Koordinaten werden in die Bilder eingebettet, wenn die EOS RP mit einem kompatiblen iOS- oder Android-Mobilgerät verbunden ist.
Laufende Bilder
4K- und Full-HD-Video, HDR-Aufnahmen, Zeitraffer, manuelle Tonaussteuerung und eigene Videotaste: Auf den ersten Blick sehen die Video-Möglichkeiten der Canon EOS RP vielversprechend aus. Wer in Full-HD-Auflösung mit 1920 x 1080 Pixeln filmt, kommt auch voll auf seine Kosten. Hier werden Dual-Pixel-Autofokus und Aufnahmen mit bis zu 60 sowie HDR-Filme mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde unterstützt.
Wer in 4K/UHD-Auflösung mit 3840 x 2160 Pixeln filmen möchte, muss mit einigen Einschränkungen rechnen. Gegenüber der EOS R wurde vor allem die Datenrate stark gedrosselt. Die unkomprimierte All-Intra-Videoaufnahme (ALL-I) ist nicht mehr möglich bzw. nur noch bei Zeitraffer-Aufnahmen, zudem wurden die HDMI-Ausgabemöglichkeiten eingeschränkt.
Der Dual-Pixel-Autofokus funktioniert bei 4K/UHD ebenso wenig wie die Anpassung des Movie-Servo-AF. Das heisst, beim Filmen kommt die langsamere AF-Kontrasterkennung zur Anwendung und die Fokussierung kann länger dauern als bei der Aufnahme von HD- oder Full-HD-Movies.
Am meisten enttäuscht jedoch der Crop-Faktor im 4K/UHD-Modus, genau wie schon bei der EOS R. Der Bildausschnitt springt einem 1,7-fach entgegen und aus einem 24 mm Weitwinkel wird ein 40 mm Standardobjektiv. Schaltet man den elektronischen Bildstabilisator «Movie Digital-IS» hinzu, wird das Bild noch grösser. Dieser erweiterte Telebereich mag für Tierfilmer und Paparazzi von Vorteil sein, ist für alle anderen, die 4K/UHD-Vollformat-Weitwinkel erwarten, vor allem YouTuber und Vlogger, eine ziemlich starke Einschränkung.
Die Frame-Raten wurde bei der EOS RP auch zurückgestuft. Konnte das R-Modell noch 4K/UHD-Video mit maximal 30 Bildern pro Sekunde aufzeichnen, ist jetzt bei 25 Bildern Schluss. Wer nun clever das NTSC-Videosystem im Menü einstellt, wird statt der erwarteten 30 Bilder sogar nur noch 24 Bilder (23,89) vorfinden.
Bei 4K/UHD-Video wird nicht nur gecropped, es stehen auch weniger Autofokus-Feldgrössen zur Auswahl. Nur noch zwei (Gesicht/Augen-Erkennung/Verfolgung und Einzelfeld) gegenüber fünf bei Fotografie und Full-HD-Video. Besonders das Spot-AF-Feld wäre bei 4K/UHD nützlich, um gezielt auf kleinere Objekte automatisch scharfstellen zu können.
Etwas irritierend: Wird im Fotomodus die rote Videotaste gedrückt, filmt die Kamera im HD- oder Full-HD-Modus. Eine 4K/UHD-Möglichkeit gibt es nicht. Erst wenn das Modus-Wahlrad auf das Kamerasymbol gedreht wird, ist eine 4K-Aufnahme möglich.
Ebenfalls merkwürdig: Wird ein Canon EF-S-Objektiv angeschlossen, sind nur 4K/UHD- und HD-Videos (1280 x 720 Pixel) möglich, Full-HD (1920 x 1080 Pixel) kann nicht ausgewählt werden. Die elektronische Wasserwaage, Gitterlinien oder das Histogramm lassen sich während des Filmens nicht aufrufen. Sie werden beim Starten einer Videoaufnahme ausgeblendet. Hier kommt wohl der Prozessor an seine Leistungsgrenze.
Profi-Allüren
Nach so vielen Einschränkungen gibt es auch Erfreuliches zu berichten. Anschlüsse für Mikrofon und Kopfhörer sind vorhanden, ebenso eine HDMI-Buchse in robuster Mini-Grösse, was ich einer Kamera in dieser Preisklasse nicht zugemutet hätte. Die Videoaufnahme lässt sich automatisch oder manuell belichten, der Tonpegel ebenso automatisch aufnehmen oder manuell aussteuern. Zudem kann ein Windfilter zugeschaltet werden. Das alles ist nicht selbstverständlich.
Im Menü kann zudem definiert werden, dass Videoaufnahmen nicht nur durch Drücken der Taste für Movie-Aufnahme, sondern auch durch Betätigen des Foto-Auslösers gestartet und gestoppt werden können. Die maximale ununterbrochene Aufnahmezeit für eine Videosequenz beträgt generell 29 Minuten 59 Sekunden, danach muss der Video-Auslöser erneut betätigt werden.
Mit «Video-Schnappschüssen» werden sekundenlange Videoclips aufgenommen. Diese führt die Kamera zu einem Video-Schnappschussalbum zusammen, um so die Höhepunkte einer Reise oder Veranstaltung zu präsentieren, inklusive Hintergrundmusik. Eine nette Spielerei. Interessanter ist da die Möglichkeit, bei der 4K/UHD-Videowiedergabe jeden gewünschten Frame als JPEG-Einzelbild mit 3840 x 2160 Pixel Auflösung auf der Karte zu speichern.
Der Videofilmer im Einsatz
Am einfachsten filmt man mit der EOS RP im automatischen Belichtungs-Modus. Mehr Kontrolle über sein Bild bietet die manuelle Videobelichtung. Über die Multifunktionstaste ruft man die ISO- und Weissabgleichs-Einstellungen auf, mit den beiden Drehrädern verändert man Blende und Verschlusszeit.
Die EOS RP führt die Schärfe bei Full-HD-Video mit dem Canon-typischen Dual-Pixel-Autofokus sehr schnell und genau nach. Die auch in den professionellen EOS-Cinema-Produkten eingesetzte Technik ordnet jedem Bildpunkt auf dem Sensor noch zwei Subpixel zu und erlaubt damit eine AF-Phasenmessung direkt auf dem Aufnahmechip.
Standardmässig ist beim Filmen der Movie-Servo-AF eingeschaltet und die EOS RP stellt dauernd scharf. Wird der Foto-Auslöser während des Filmens halb durchgedrückt, erfolgt eine neue Scharfeinstellung mit der aktuell gewählten AF-Methode. Die Schärfenachführung funktionierte bei den Testaufnahmen in Full-HD-Video sehr gut. Die Autofokus-Reaktion und -Geschwindigkeit kann der Aufnahmesituation angepasst werden und ermöglicht sanfte Schärfeübergänge.
Die Kontrast-AF-Methode bei 4K/UHD-Video arbeitet gemächlicher und weniger zielsicher. Im Test war das typische Schärfepumpen hin- und wieder sichtbar. Eine Justierung wie beim Movie-Servo-AF gibt es nicht.
Die meisten Foto-Objektive zeigen beim Filmen in Blendenautomatik unschöne Helligkeitsschwankungen. Dies lässt sich bei der EOS RP etwas abschwächen, indem bei RF-Objektiven die Blendenwerte beim Filmen statt in halben oder Drittel-Schritten in feineren 1/8-Abstufungen geändert werden können. Am besten ist es jedoch, gleich mit fester Blende zu filmen und sie halt bei jeder neuen Einstellung anzupassen.
Eine gute Idee beim Einsatz von EF-Objektiven ist der EF-EOS-R-Adapter mit Filtereinschub für Pol- und ND-Filter. Besonders Filmemacher sind damit flexibler unterwegs, müssen sie doch weniger «riggen», also Zubehör wie Matte-Boxen oder Filterhalter installieren. Ob sich diese Profis je eine EOS RP kaufen, steht auf einem anderen Blatt.
Wird im Video-Modus der elektronische Bildstabilisator «Movie Digital-IS» zugeschaltet, können Videobilder stabilisiert werden, auch wenn ein Objektiv ohne eingebauten Image-Stabilizer genutzt wird. Dabei wird zwangsläufig der Bildausschnitt nochmals etwas verkleinert. Der «Movie Digital-IS» sollte deshalb vor allem bei 4K/UHD-Aufnahmen mit Bedacht eingesetzt und bei Schwenks ab Stativ sowieso ganz abgeschaltet werden, da er am Schwenkende noch deutlich «nachzieht».
Dank des ausklappbaren Bildschirms, der problemlos Überkopf- und bodennahe Aufnahmen ohne grosse Verrenkungen ermöglicht, lässt sich mit der EOS RP sehr gut filmen. Wie beim Fotografieren können auch beim Filmen die Canon-Farben einmal mehr überzeugen.
Durch den grossen Sensor bringt die EOS RP auch bei schwacher Beleuchtung noch gute Ergebnisse. Farben und Details werden präzise dargestellt, ohne im Bildrauschen unterzugehen. Bei 4K/UHD-Aufnahmen erhalten sich schnell bewegende Motive oder schnelle Kameraschwenks je nach Wiedergabemonitor und Seh-Empfindlichkeit des Betrachters den typischen 25p-Wischeffekt.
Bildqualität, Altglas und Ausdauer
Die höchste Bildauflösung der EOS RP beträgt 6240 x 4160 Pixel, was rund 26 Megapixeln entspricht. Messtechnisch mögen die Werte unter denjenigen einer Canon EOS R mit ihren 30,1 Megapixeln liegen, doch in der Praxis fallen die 4 Megapixel weniger an Auflösung kaum ins Gewicht. Bei beiden Kameras griff man auf bewährte Sensor-Einheiten zurück. Für die EOS RP hat man den CMOS-Sensor aus der Spiegelreflexkamera EOS 6D Mark II sozusagen recycelt.
Inzwischen hat die Sensortechnik weitere Fortschritte gemacht, doch zusammen mit dem neuen Digic-8-Prozessor und der kamerainternen Objektiv-Optimierung «Digital Lens Optimizer» sind die Fotos aus der EOS RP in den allermeisten Fällen qualitativ sehr gut gelungen und ohne weitere Bearbeitung im Original-JPEG-Format verwendbar.
Nur wer seine Nachtaufnahmen etwas unterbelichtet, um die hellen Bildbereiche zu schützen, und später in der Nachbearbeitung die Schattenbereiche aufhellt, wird bei hohen ISO-Werten vom Bildrauschen auch im RAW-Format nicht sonderlich begeistert sein. Die Detaildarstellung leidet darunter und der Dynamikumfang lässt wie schon bei der 6D Mark II in solchen Situationen zu wünschen übrig.
Eine Funktion mit Aufhellung des Schattenbereichs gibt es in ähnlicher Form auch in der EOS-RP-Kamera selbst. Unter «Tonwertpriorität» lässt sich die Gradationsverbesserung in zwei Stufen einstellen. Dann ist anstatt ISO 100 jedoch ISO 200 der unterste verfügbare ISO-Wert, was je nach Motiv wieder mehr Rauschen erzeugen kann.
Für Allerweltsaufnahmen ist die Bildqualität der Canon EOS RP meiner Meinung nach sehr hoch und die Farbdarstellung sehr angenehm, natürlich und akkurat. Da wird im Standard-Bildstil nichts beschönigt. Die Hauttöne der Modelle brachten auch farblich die frostige Atmosphäre des Aufnahmeortes, einem stillgelegten Tramdepot, zum Ausdruck. Man erkennt das Tageslicht von aussen, das eingesetzte Blitzlicht und die grünliche Färbung durch die Neonröhren an der Hallendecke.
Farbstörungen an Rändern, die chromatischen Aberrationen, sind auch bei extremen Kontrasten kein Thema und werden perfekt herausgerechnet. Das Bildrauschen wird bis ISO 3200 sehr gut unterdrückt und ist je nach Motiv angenehm unauffällig. Bei ISO 5000 sind dann Störpixel deutlich zu sehen und feine Strukturen werden weichgezeichnet und wirken matschig.
Die Aufnahme in der Fotostrecke mit dem dunkelhaarigen Modell und der Hallendecke im Hintergrund habe ich versuchsweise mit ISO 12'800 fotografiert. In kleiner Abmessung am Bildschirm betrachtet sieht es akzeptabel aus, in 100-prozentiger Ansicht sind die Artefakte jedoch nicht mehr zu übersehen und das ganz Bild sieht weichgespült aus. Dieser hohe ISO-Wert eignet sich noch knapp als Notlösung. Wer in RAW aufnimmt, hat wie immer noch etwas mehr Spielraum bei einer späteren Bildoptimierung.
Wer bei den RAW-Aufnahmen Speicherplatz sparen möchte, darf in «CRAW» fotografieren. Dieses «Compact RAW»-Format liefert RAW-Bilder mit kleinerer Dateigrösse und soll laut Canon keine sichtbaren Qualitätseinbussen bringen.
Die 26 Megapixel grossen JPEG-Aufnahmen (6240 x 4160 Pixel) in der Fotostrecke sind wie immer nur aufs Web-Format verkleinert worden und stammen sonst unbearbeitet direkt aus der Kamera.
Bei der Fototour durch Riga, Lettland, sorgte das einheitlich Grau-Weiss des Himmels für eher gedämpfte Farben, die von der Kamera sehr naturgetreu wiedergegeben wurden. Draussen stellte ich den Weissabgleich auf «Bewölkt», in Innenräumen überliess ich ihn der Automatik. Als Bildstil wählte ich wieder «Standard». Als Objektiv kam die Allround-Optik RF 24-105mm f/4 L IS USM zum Zug.
Die Porträt-Aufnahmen fanden in einem stillgelegten, frostigen Tramdepot neben ausrangierten Strassenbahnwagons statt. Dabei konnte die Gesichts- und Augenerkennung der Canon EOS RP zeigen, was sie draufhatte. Das Objektiv RF 24-105mm f/4 L IS USM kam auch hier zum Einsatz.
Das auch im Kit erhältliche Objektiv RF 24–105mm f/4 L IS USM besitzt einen eingebauten Bildstabilisator, ist wettergeschützt und fokussiert sehr schnell und leise. Durch den zusätzlichen Steuerring lassen sich Blenden-, Verschluss- oder ISO-Werte rasch und direkt anpassen. Trotz relativ hoher Anfangsblende von f/4.0 zeigt diese Zoom-Optik eine sehr gute Abbildungsleistung und ist schon bei Offenblende erstaunlich scharf.
Dies trifft auch auf das lichtstarke 50 mm f/1.2 RF-Objektiv zu. Es ist unglaublich scharf, wenn man damit sehr sorgfältig fokussiert hat, denn der Schärfebereich ist durch das Vollformat und bei Blende f/1.2 sehr, sehr klein. Hinzu kommt, dass es keinen eingebauten Bildstabilisator besitzt und trotzdem erstaunlich scharfe Bilder entstehen. Gut, eine ruhige Hand und die richtige Atemtechnik sind dafür immer noch nötig.
Damit ist auch der fehlende Bildstabilisator in der Kamera angesprochen. Canon verweist zwar auf seine Objektive mit integriertem Stabilisator, doch den haben noch lange nicht alle eingebaut. Vor allem für Einsteiger wäre er eine grosse Erleichterung und man wird sich beim Blick auf die Mitbewerber fragen, wieso dies bei Canon nicht möglich ist.
Altglas-Verwertung
Nicht jeder Canon Fotograf wird sich beim Erwerb einer EOS RP auch noch neue RF-Optiken zulegen. Bis auf Weiteres liegt deshalb der Standard-EF-EOS-R-Bajonettadapter jeder Kamera bei. Damit lassen sich EF- wie auch EF-S-Optiken anschliessen, jedoch keine EF-M-Objektive der APS-C-Kameraserie von Canon. Der EF-EOS-R-Adapter selbst ist linsenlos. Er überbrückt im Grunde genommen nur die unterschiedlich langen Auflagemasse von EF- und RF-Bajonett und überträgt die Anschlusskontakte.
So adaptierte ich gleich ein älteres EF 17–40 mm f/4.0 L, ein EF 24–70 mm f/2.8 L USM, ein EF 100 mm f/2.8 sowie das EF 70–200 mm f/4 L IS USM. Alle Objektive verhielten sich an der EOS RP wie gewohnt und stellten beim Fotografieren ohne Murren und erstaunlich zügig scharf.
Dabei ist mir aufgefallen, dass die Schärfe immer genau dort lag, wo ich sie wirklich auch wollte. Dies war und ist mit meiner älteren Canon-Spiegelreflexkamera EOS 5D Mark II nicht immer so. Hier gibt es ab und zu minimale Fokus-Abweichungen (Back/Front-Fokus-Problematik). Damit scheinen spiegellose Kameras keine Probleme mehr zu haben. Das neue RF 24–105 mm war jedoch klar schneller beim Fokussieren und vor allem leiser.
Das fällt umso mehr beim Filmen auf. Da die älteren EF-Optiken noch fürs Fotografieren auf chemischen Film optimiert sind und von Videodrehen mit Fotokameras damals noch keiner sprach, knarzten die Altgläser ziemlich laut während der kontinuierlichen Schärfenachführung beim Filmen. Sie fokussierten recht zuverlässig, nur bei längeren Brennweiten gab es ab und zu ein Schärfepumpen.
In Schnelligkeit und Hörbarkeit mussten sie sich jedoch klar vom RF 24–105 mm geschlagen geben. Sobald ich auf dieses wechselte, herrschte wieder absolute Ruhe. Am besten filmt man mit älteren EF-Objektiven bei manueller Fokussierung und setzt ein externes Mikrofon oder einen separaten Audiorecorder zur Tonaufnahme ein.
Wer bereits EF- oder EF-S-Objektive besitzt, kann diese somit bedenkenlos per Adapter an der Canon EOS RP zum Fotografieren verwenden. In der folgenden Fotostrecke ist das verwendete Objektiv jeweils angegeben.
Schwach auf der Brust
Nicht nur der Sensor stammt aus der EOS 6D Mark II, auch deren Akku wurde für die EOS RP übernommen. Leider, muss man sagen. Mit einer Kapazität von 1040 mAh ist der LP-E17 nicht gerade ein Powerriegel. Das Handbuch spricht von rund 250 Aufnahmen mit einer Ladung.
Mir gelangen gut 300 Bilder, indem ich den kontinuierlichen Autofokus abschaltete und den Eco-Modus aktivierte. Dabei verdunkelt sich der Bildschirm, wenn die Kamera etwa 2 Sekunden lang nicht mehr verwendet wird und schaltet nach 10 Sekunden ganz aus. Man gewöhnt sich einigermassen schnell daran. Je nach Objektiv verbraucht der eingebaute Bildstabilisator auch noch zusätzlich Energie. Und wer oft 4K/UHD-Aufnahmen macht, zwingt den Akku auch schneller in die Knie.
Trotz aller Sparmassnahmen kommt man nicht an die Leistung des bekannten LP-E6-Akkus, der mit 1865 mAh Kapazität in der EOS R für über 370 Aufnahmen sorgt. Eine Lösung ist der Kauf von zusätzlichen LP-E17-Akkus für rund 65 Franken pro Stück (Originalakku im Canon-Shop), oder man lädt den Akku unterwegs mit einer Powerbank über den USB-Typ-C-Anschluss immer wieder auf.
Fazit
Die Canon EOS RP bietet für den Vollformat-Einsteiger wie auch für den Fotoamateur-Umsteiger auf «spiegellos» alles, was ein normaler Foto-Anwender braucht. Die Anforderungen von Canons avisierter Zielgruppe (Reise-, Landschafts- und Porträtfotografen) kann die Kamera problemlos erfüllen. Das robuste Gehäuse und die Abdichtungen gegen Staub und Spritzwasser sind ein zusätzliches Plus.
Die konsequent durchgezogene Touchscreen-Bedienung und das bewährte EOS-Menüsystem vereinfachen die Handhabung der Kamera sehr und kommen der Smartphone-Generation entgegen.
Die EOS-RP-Bilder sind qualitativ mit denen einer EOS 6D Mark II vergleichbar, was nicht weiter erstaunt, da ja ein sehr ähnlicher Sensor verwendet wird. Sorgfältig belichtete JPEG-Aufnahmen direkt aus der Kamera sind ohne weitere Bearbeitung brauchbar. Sie zeigen den angenehmen Canon-Look mit kräftigen, aber dennoch neutralen Farben und guter Detailschärfe.
Wer sich der Einschränkungen der Kamera bewusst ist und seine Erwartungen entsprechend anpasst, bekommt für den Preis eine kompakte Kamera, mit der es Spass macht, spiegellos zu fotografieren. Die kleinen Abmessungen des Gehäuses werden durch grosse Objektive leider wieder zunichte gemacht. Als Immer-dabei-Kamera ist die EOS RP dann einfach zu schwer. Wer mit ihr jedoch auf Reisen geht oder gezielt Natur und Landschaften fotografiert, dem wird sie schnell zu einem treuen Begleiter werden.
Für Action- und Sport-Fotografen sowie für Profi-Filmer kann die Canon EOS RP zu wenig. Für Fotografinnen und Fotografen mit Canon EF-Objektiven gibt es hingegen wohl keine günstigere Möglichkeit für den Umstieg aufs spiegellose Vollformat.
Das Gehäuse der Canon EOS RP inkl. Mount-Adapter EF-EOS R ist für 1549 Franken, das EOS-RP-Kit mit Objektiv RF 24–105 inkl. Mount-Adapter EF-EOS R für 2589 Franken und der Erweiterungsgriff EG-E1 für 82 Franken im Handel erhältlich.
avguide.ch meint
Die Canon EOS RP mit dem Objektiv RF 24–105 mm f/4 L IS USM war während eines dreitägigen Canon-Workshops in Riga, Lettland, mein ständiger Begleiter. Das voluminöse Objektiv wiegt 230 Gramm mehr als die Kamera selbst, und das Gespann wirkt auf den ersten Blick etwas unausgewogen. Dennoch lag es mir angenehm in der Hand und wurde nie wirklich zur Last. Für eine Immer-dabei-Kamera ist diese Kombination meiner Meinung nach mit gut 1,2 Kilogramm dennoch zu schwer und zu klobig.
Da es bis auf Weiteres noch kein Zoom-Objektiv im Canon-RF-Angebot gibt, das der Kompaktheit der EOS RP entspricht, kann man sich mit EF-Objektiven weiterhelfen. Ein Adapter dafür liegt jeder EOS RP bei. Diese Lösung hilft auch zu einem «sanften», oder sagen wir mal finanziell verkraftbaren Umstieg auf das neue spiegellose EOS-R-System von Canon, wenn man bereits einige EF- oder EF-S-Objektive sein Eigen nennt.
Die Bedienung der Kamera bereitet Canon-Jüngern keine Probleme. Auch Umsteiger von anderen System werden sich dank Touchscreen-Navigation und bewährter Menüführung schnell heimisch fühlen. Mit der Bildqualität war ich mehr als zufrieden, die angenehmen Canon-Farben haben mir schon immer gefallen.
Wer mit einer Canon EOS RP liebäugelt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er auf Grund des moderaten Preises keine Top-Ausstattung und technische Höchstleistungen erwarten kann. Die Abmagerungskur hat deutliche Spuren hinterlassen, dennoch ist die Kamera für die meisten «normalen» fotografischen Einsätze erstaunlich komplett ausgestattet. Das Fotografieren mit ihr hat mir Spass gemacht, beim 4K/UHD-Filmen muss man mit den Einschränkungen leben können.