Laufende Bilder
4K- und Full-HD-Video, HDR-Aufnahmen, Zeitraffer, manuelle Tonaussteuerung und eigene Videotaste: Auf den ersten Blick sehen die Video-Möglichkeiten der Canon EOS RP vielversprechend aus. Wer in Full-HD-Auflösung mit 1920 x 1080 Pixeln filmt, kommt auch voll auf seine Kosten. Hier werden Dual-Pixel-Autofokus und Aufnahmen mit bis zu 60 sowie HDR-Filme mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde unterstützt.
Wer in 4K/UHD-Auflösung mit 3840 x 2160 Pixeln filmen möchte, muss mit einigen Einschränkungen rechnen. Gegenüber der EOS R wurde vor allem die Datenrate stark gedrosselt. Die unkomprimierte All-Intra-Videoaufnahme (ALL-I) ist nicht mehr möglich bzw. nur noch bei Zeitraffer-Aufnahmen, zudem wurden die HDMI-Ausgabemöglichkeiten eingeschränkt.
Der Dual-Pixel-Autofokus funktioniert bei 4K/UHD ebenso wenig wie die Anpassung des Movie-Servo-AF. Das heisst, beim Filmen kommt die langsamere AF-Kontrasterkennung zur Anwendung und die Fokussierung kann länger dauern als bei der Aufnahme von HD- oder Full-HD-Movies.
Am meisten enttäuscht jedoch der Crop-Faktor im 4K/UHD-Modus, genau wie schon bei der EOS R. Der Bildausschnitt springt einem 1,7-fach entgegen und aus einem 24 mm Weitwinkel wird ein 40 mm Standardobjektiv. Schaltet man den elektronischen Bildstabilisator «Movie Digital-IS» hinzu, wird das Bild noch grösser. Dieser erweiterte Telebereich mag für Tierfilmer und Paparazzi von Vorteil sein, ist für alle anderen, die 4K/UHD-Vollformat-Weitwinkel erwarten, vor allem YouTuber und Vlogger, eine ziemlich starke Einschränkung.
Die Frame-Raten wurde bei der EOS RP auch zurückgestuft. Konnte das R-Modell noch 4K/UHD-Video mit maximal 30 Bildern pro Sekunde aufzeichnen, ist jetzt bei 25 Bildern Schluss. Wer nun clever das NTSC-Videosystem im Menü einstellt, wird statt der erwarteten 30 Bilder sogar nur noch 24 Bilder (23,89) vorfinden.
Bei 4K/UHD-Video wird nicht nur gecropped, es stehen auch weniger Autofokus-Feldgrössen zur Auswahl. Nur noch zwei (Gesicht/Augen-Erkennung/Verfolgung und Einzelfeld) gegenüber fünf bei Fotografie und Full-HD-Video. Besonders das Spot-AF-Feld wäre bei 4K/UHD nützlich, um gezielt auf kleinere Objekte automatisch scharfstellen zu können.
Etwas irritierend: Wird im Fotomodus die rote Videotaste gedrückt, filmt die Kamera im HD- oder Full-HD-Modus. Eine 4K/UHD-Möglichkeit gibt es nicht. Erst wenn das Modus-Wahlrad auf das Kamerasymbol gedreht wird, ist eine 4K-Aufnahme möglich.
Ebenfalls merkwürdig: Wird ein Canon EF-S-Objektiv angeschlossen, sind nur 4K/UHD- und HD-Videos (1280 x 720 Pixel) möglich, Full-HD (1920 x 1080 Pixel) kann nicht ausgewählt werden. Die elektronische Wasserwaage, Gitterlinien oder das Histogramm lassen sich während des Filmens nicht aufrufen. Sie werden beim Starten einer Videoaufnahme ausgeblendet. Hier kommt wohl der Prozessor an seine Leistungsgrenze.
Profi-Allüren
Nach so vielen Einschränkungen gibt es auch Erfreuliches zu berichten. Anschlüsse für Mikrofon und Kopfhörer sind vorhanden, ebenso eine HDMI-Buchse in robuster Mini-Grösse, was ich einer Kamera in dieser Preisklasse nicht zugemutet hätte. Die Videoaufnahme lässt sich automatisch oder manuell belichten, der Tonpegel ebenso automatisch aufnehmen oder manuell aussteuern. Zudem kann ein Windfilter zugeschaltet werden. Das alles ist nicht selbstverständlich.
Im Menü kann zudem definiert werden, dass Videoaufnahmen nicht nur durch Drücken der Taste für Movie-Aufnahme, sondern auch durch Betätigen des Foto-Auslösers gestartet und gestoppt werden können. Die maximale ununterbrochene Aufnahmezeit für eine Videosequenz beträgt generell 29 Minuten 59 Sekunden, danach muss der Video-Auslöser erneut betätigt werden.
Mit «Video-Schnappschüssen» werden sekundenlange Videoclips aufgenommen. Diese führt die Kamera zu einem Video-Schnappschussalbum zusammen, um so die Höhepunkte einer Reise oder Veranstaltung zu präsentieren, inklusive Hintergrundmusik. Eine nette Spielerei. Interessanter ist da die Möglichkeit, bei der 4K/UHD-Videowiedergabe jeden gewünschten Frame als JPEG-Einzelbild mit 3840 x 2160 Pixel Auflösung auf der Karte zu speichern.
Der Videofilmer im Einsatz
Am einfachsten filmt man mit der EOS RP im automatischen Belichtungs-Modus. Mehr Kontrolle über sein Bild bietet die manuelle Videobelichtung. Über die Multifunktionstaste ruft man die ISO- und Weissabgleichs-Einstellungen auf, mit den beiden Drehrädern verändert man Blende und Verschlusszeit.
Die EOS RP führt die Schärfe bei Full-HD-Video mit dem Canon-typischen Dual-Pixel-Autofokus sehr schnell und genau nach. Die auch in den professionellen EOS-Cinema-Produkten eingesetzte Technik ordnet jedem Bildpunkt auf dem Sensor noch zwei Subpixel zu und erlaubt damit eine AF-Phasenmessung direkt auf dem Aufnahmechip.
Standardmässig ist beim Filmen der Movie-Servo-AF eingeschaltet und die EOS RP stellt dauernd scharf. Wird der Foto-Auslöser während des Filmens halb durchgedrückt, erfolgt eine neue Scharfeinstellung mit der aktuell gewählten AF-Methode. Die Schärfenachführung funktionierte bei den Testaufnahmen in Full-HD-Video sehr gut. Die Autofokus-Reaktion und -Geschwindigkeit kann der Aufnahmesituation angepasst werden und ermöglicht sanfte Schärfeübergänge.
Die Kontrast-AF-Methode bei 4K/UHD-Video arbeitet gemächlicher und weniger zielsicher. Im Test war das typische Schärfepumpen hin- und wieder sichtbar. Eine Justierung wie beim Movie-Servo-AF gibt es nicht.
Die meisten Foto-Objektive zeigen beim Filmen in Blendenautomatik unschöne Helligkeitsschwankungen. Dies lässt sich bei der EOS RP etwas abschwächen, indem bei RF-Objektiven die Blendenwerte beim Filmen statt in halben oder Drittel-Schritten in feineren 1/8-Abstufungen geändert werden können. Am besten ist es jedoch, gleich mit fester Blende zu filmen und sie halt bei jeder neuen Einstellung anzupassen.
Eine gute Idee beim Einsatz von EF-Objektiven ist der EF-EOS-R-Adapter mit Filtereinschub für Pol- und ND-Filter. Besonders Filmemacher sind damit flexibler unterwegs, müssen sie doch weniger «riggen», also Zubehör wie Matte-Boxen oder Filterhalter installieren. Ob sich diese Profis je eine EOS RP kaufen, steht auf einem anderen Blatt.
Wird im Video-Modus der elektronische Bildstabilisator «Movie Digital-IS» zugeschaltet, können Videobilder stabilisiert werden, auch wenn ein Objektiv ohne eingebauten Image-Stabilizer genutzt wird. Dabei wird zwangsläufig der Bildausschnitt nochmals etwas verkleinert. Der «Movie Digital-IS» sollte deshalb vor allem bei 4K/UHD-Aufnahmen mit Bedacht eingesetzt und bei Schwenks ab Stativ sowieso ganz abgeschaltet werden, da er am Schwenkende noch deutlich «nachzieht».
Dank des ausklappbaren Bildschirms, der problemlos Überkopf- und bodennahe Aufnahmen ohne grosse Verrenkungen ermöglicht, lässt sich mit der EOS RP sehr gut filmen. Wie beim Fotografieren können auch beim Filmen die Canon-Farben einmal mehr überzeugen.
Durch den grossen Sensor bringt die EOS RP auch bei schwacher Beleuchtung noch gute Ergebnisse. Farben und Details werden präzise dargestellt, ohne im Bildrauschen unterzugehen. Bei 4K/UHD-Aufnahmen erhalten sich schnell bewegende Motive oder schnelle Kameraschwenks je nach Wiedergabemonitor und Seh-Empfindlichkeit des Betrachters den typischen 25p-Wischeffekt.