Filmen in vielen Formaten
Bis 2016 lautete die kurze und klare Philosophie: Eine Fujifilm-X-Kamera ist in erster Linie ein fotografisches Gerät. Dann kam die X-T2 und erlaubte als erste X-Kamera das Videofilmen in 4K/UHD-Qualität. Bei der X-H1 war dann das Cinema 4K-Format (DCI) an Bord und der Eterna-Filmlook zog ein. Spätestens bei der Fujifilm X-T3 wurde auch so mancher Mitbewerber nervös und brachte den eigenen Fotokameras bessere Videofunktionen bei oder stampfte gar völlig neue Produkte im Vollformat aus dem Boden.
Fujifilm bleibt dem APS-C-Format treu und hat weniger die bereits sehr umfangreichen Videomöglichkeiten der X-T3 erweitert, als vielmehr die praktischen Wünsche vieler Video-Enthusiasten erfüllt. Ein Bildstabilisator wurde in die neue Kamera eingebaut und das Touch-Display lässt sich seitlich ausklappen und nach vorne drehen. Was vor allem die Youtuber, Vlogger und Selfie-Fans erfreut.
Neu ist bei der X-T4 auch ein Umschalter zwischen Foto- und Videobetrieb und den dazugehörenden Menüpunkten. Damit wird das nach wie vor umfangreiche Menüsystem etwas übersichtlicher. Im Videobetrieb können so zum Beispiel die ganzen Fotoblitz-Einstellungen entfallen.
Zudem bleiben nun die unterschiedlichen Parameter fürs Fotografieren und Videofilmen säuberlich getrennt und sind beim Umschalten sofort wieder verfügbar. Die eingestellte Belichtungszeit von 1/200stel im Fotomodus bleibt gespeichert, auch wenn man zwischendurch auf Video umschaltet und mit 1/50stel Sekunde filmt.
Auflösungen, Bildraten und Zeitlimiten
Die Fujifilm X-T4 beherrscht alle aktuellen Videoauflösungen und -formate. Gespeichert werden die Aufnahmen im MOV-Container in Auflösungen von echtem 4K DCI (17:9) mit 4096 x 2160 Pixel, in 4K UHD (16:9) mit 3840 x 2160, in Full-HD (17:9) mit 2048 x 1080 und in Full-HD (16:9) mit 1920 x 1080 Pixel. Neu ist in der 4K-Auflösung mit 30 Bildern pro Sekunde auch der MP4-Container wählbar.
Die Framerate bei der «All-Intra»-Komprimierung ist für die beiden 4K-Auflösungen auf maximal 30 Bilder pro Sekunde (fps) beschränkt, dafür wird mit dem höchsten Datendurchsatz von 400 Mbps aufgenommen. Die Datenraten, die dann anfallen, werden bei der Bearbeitung so manches Videoschnittsystem in die Knie zwingen.
Die höchste Framerate für die 4K-Auflösungen beträgt 60 fps, bei 4K DCI wird dazu im HEVC/H.265-Codec gefilmt. Bei Frameraten von 50 und 60 fps und 4K-Auflösung kann längstens 20 Minuten, bei 24 bis 30 fps längstens 29 Minuten am Stück gedreht werden. Dann muss ein erneuter Druck auf den Auslöser erfolgen. In Full-HD-Auflösung beträgt die Limite generell 29 Minuten.
Fujifilm X-T4 F-Log- und HLG-Aufnahmen
Wer seine Aufnahmen intensiv nachbearbeiten möchte, nimmt mit der flacher F-Log-Gammakurve auf, die vor allem beim Colorgrading eine grössere Bearbeitungs-Bandbreite bietet. Dabei lässt sich mit der X-T4 eine Standard-Filmsimulation und das F-Log-Material gleichzeitig ausgeben. Das bedeutet, der Kameramann oder Kunde sieht nicht nur die flauen F-Log-Aufnahmen während des Filmens, sondern kann sich mittels Filmsimulation im wahrsten Sinne des Wortes bereits ein Bild über das Aussehen des Endprodukts machen.
Wer gleich in der Kamera mit einem bestimmten Look aufnehmen möchte, kann auf die 18 Analogfilm-Simulationen zurückgreifen. Dabei ist die Filmsimulation «Eterna» speziell für filmähnliche Videos ausgelegt. Neu ist bei der X-T4 die Variante «Eterna Bleach Bypass» hinzugekommen. Sie bietet geringere Farbsättigung und höhere Kontraste für Foto und Video als bei «Eterna».
Wenn als Codec «MOV/H.265 (HEVC) LPCM» ausgewählt ist, nimmt die X-T4 auch im HLG-Format auf. HLG-Aufnahmen zeigen auf kompatiblen Displays kontrastreichere Szenen und lebendigere Farben. Sie haben auch noch Zeichnung in sehr hellen Bereichen wie etwa Himmel oder spiegelnde Wasserflächen, die sonst gerne überstrahlen oder «ausreissen», wenn man versucht, die übrigen Motive im Bild korrekt abzulichten.
Auch dunkle Bereiche, die schnell unterbelichtet sind, werden in hoher Qualität und mit grossem Farbreichtum so aufgenommen, wie sie sich dem menschlichen Auge darstellen.
HLG (Hybrid Log Gamma) ist ein HDR-Format nach internationalem Standard ITU-R BT.2100. Der Fernseher oder Monitor muss ebenfalls die Darstellung von Bildern im HDR-Format unterstützen. Manchmal muss dafür das HDMI-Eingangssignal angepasst werden. An meinem UHD-TV musste ich im Bildmenü den Eingang auf die höchste Qualitätsstufe (4K60 4:4:4, 4K60 10-Bit-HDR) stellen, bevor die HDR-Aufnahmen in voller Pracht erstrahlten.
Stabilisieren und Scharfstellen
Bei der Videoaufnahme lässt sich der eingebaute Stabilisator (IBIS) der X-T4 und der im Objektiv verbaute (OIS) noch zusätzlich mit einer elektronischen Bildberuhigung (DIS) kombinieren. Je nach gewählten Videomodi verändert sich dabei der Bildausschnitt. Dem lässt sich entgegenwirken, indem die neue «FILM CROP FIX»-Funktion eingeschaltet wird. Sie sorgt für einen einheitlichen Bildbeschnitt von 1,29 bei allen Videoaufnahmen.
Für einen weiteren «Schub» bei der Bildberuhigung sorgt der «STABI-MODUS-BOOST». Er greift noch kräftiger zu und erlaubt wackelfreie Aufnahmen aus der Hand. Dabei sollte möglichst wenig geschwenkt, sondern nur statisch gefilmt werden.
Den Video-Autofokus-Modus stellt man am besten auf Vario-AF, dann arbeitet er bei genügend Licht und Kontrast sehr treffsicher, wenn auch manchmal ein kurzes Pumpen festzustellen war. Dieses sehr rasche Hin- und Herfahren des AF-Motors stört beim Fotografieren kaum, da erst ausgelöst wird, wenn die Schärfe sitzt. Bei Filmen werden es aufmerksame Augen eher als störend empfinden. Doch Profis fahren die Schärfe bei Videoaufnahmen ja eh manuell.
Das Autofokus-Verhalten lässt sich auch beim Filmen auf die jeweilige Situation feintunen, indem AF-Geschwindigkeit und Verfolgungs-Empfindlichkeit angepasst werden. Die Verfolgungs-Empfindlichkeit bestimmt, wie lange die Kamera mit dem Neufokussieren wartet, wenn ein Objekt hinter oder vor dem momentanen Hauptobjekt im Fokussierbereich erscheint. Mit der AF-Geschwindigkeit stellt man die Reaktionsgeschwindigkeit des Autofokus ein.
Stehen beide Werte auf null, wird sehr schnell von einem zum anderen Objekt gewechselt und rasch scharfgestellt. Ideal für schnell ändernde Situationen wie etwa beim Fussball, Handball oder Eishockey. Für meine AF-C-Testaufnahmen mit Schärfeverlagerung war dies viel zu heftig und der Fokus sprang unschön hin und her. Nach einigen Versuchen war ich dann mit +3 bei der Empfindlichkeit und -2 bei der Geschwindigkeit zufrieden. Nun wurde die Schärfe zügig, aber nicht zu schnell zwischen den einzelnen Objekten verlagert.
Im Mehrfeld-AF-Modus wählt die Kamera die Schärfe im Bild selber aus. Diese Zufalls-Fokussierung kann man beim Filmen getrost vergessen. Sehr gut funktionierte hingegen der «Push-AF» über den Touchscreen. Ein Fingertipp darauf und die Schärfe wird dorthin verlagert. Wer möchte, kann damit auch gleichzeitig die Videoaufnahme starten.
Durch den sehr klaren OLED-Sucher ist auch das manuelle Scharfstellen eine wahre Freude. Verschiedene Schärfe-Ebenen können gezielt angefahren und kreativ eingesetzt werden, da sie sich bei offener Blende und dank des APS-C-Sensors gut voneinander unterscheiden.
Bei den Videoeffekten hat Fujifilm den Highspeed-Modus verbessert. Und zwar gleich ums Doppelte gegenüber der X-T3. So sind nun Highspeed-Aufnahmen mit 240 Bildern pro Sekunde in Full-HD möglich, mit denen sich extreme Zeitlupen mit 10-fach verlangsamten Bewegungsabläufen realisieren lassen.
Wer etwas damit spielt, wird kaum mehr aufhören können und immer weitere Motive zur Verlangsamung suchen. Im Nu rauschen dann ganze Nachmittage oder Abende vorbei. Wie heisst es so schön: Entdecke die neuen Möglichkeiten.
Wischen und lautloses Bedienen
Auch beim Filmen lassen sich per Wischbewegung über das Display die vier Touch-Funktionen aufrufen. Ich musste jedoch etwas üben, bis ich heraushatte, wie viel Fingerdruck es dafür braucht. Fürs Videofilmen belegt man die Wisch-Gesten am besten mit dem Histogramm zur Belichtungskontrolle, der Wasserwaage und der Mikrofon-Einstellung. Auch eine Zebra-Anzeige mit wählbarer Helligkeitsschwelle lässt sich einblenden.
Die «Lautlose Bedienung bei Videoaufnahmen» der X-T3 heisst neu bei der X-T4 «FILM-OPTIMIERTE STEUERUNG». Damit verändert man die Einstellungen per Touchscreen, um zu vermeiden, dass von der Kamerabedienung herrührende Geräusche mitaufgenommen werden. Die Einstellräder sind ausser Betrieb. Die gesamte Bedienung erfolgt durch Antippen des gewünschten Symbols am rechten Rand des Displays. Die Werte, zum Beispiel Mikrofonpegel oder ISO-Empfindlichkeit, werden ebenfalls durch Wischen oder Tippen eingestellt.
Da nicht alle elf Symbole gleichzeitig auf dem Display Platz finden, muss zur Auswahl erst geblättert, bzw. «auf- und abgewischt» und dann auf das gewünschte Symbol gedrückt werden. Das macht es unnötig kompliziert und fehleranfällig. Ich konnte mich mit dieser Art der Bedienung nicht richtig anfreunden.
Wer überhaupt nichts mit Fingertippen und Wischen übers Display am Hut hat, darf die gesamten Touch-Funktionen auch abschalten und die X-T4 ausschliesslich über Rädchen, Ringe und Tasten bedienen.
Anschluss gesucht
An der linken Kameraseite der Fujifilm X-T4 befinden sich ein 3,5-mm-Mikrofonanschluss und darunter eine 2,5-mm-Fernauslöserbuchse. Dann folgt die HDMI-Ausgangsbuchse, leider in der kleinsten und «handhabungsfeindlichsten» Micro-Ausführung, sowie der USB-Anschluss in Typ-C-Form. Mit den Anschlüssen an der X-T3 hatte Fujifilm ein viel besseres Händchen gehabt. Zum einen gibt es am Vorgänger einen echten 3,5-mm-Kopfhöreranschluss an Stelle der Fernauslöserbuchse, und zum anderen besteht die Abdeckung für alle Anschlüsse an der X-T3 aus einem Stück und lässt sich sogar ganz abnehmen, sollte sie einem in die Quere kommen. Ganz anders die X-T4. Dort ist die Anschlussabdeckung zweigeteilt und lässt sich nicht mehr komplett entfernen.
Schliesst man ein externes Mikrofon und einen Kopfhörer mittel USB-C-Adapter an, baumeln die beiden Deckel völlig unmotiviert in der Gegend herum. Paradoxerweise ist bei der X-T4 die Abdeckung für die Speicherkartenfächer aus einem Stück und lässt sich abnehmen. Das braucht in der Praxis keiner und ist meiner Meinung nach völlig unverständlich. Das trübt den sonst professionellen Eindruck dieser Fujifilm-Kamera schon etwas.
Die Videoqualität der X-T4 steht der Fotoqualität in keiner Weise nach. Beeindruckende Aufnahmen gibt es schon in Innenräumen und unter weniger optimalen Lichtverhältnissen. Draussen und bei genügend Licht ist Rauschen eh kein Thema. Die Videobildqualität überzeugt mit wenig Moiré und minimalen Kompressionsartefakten. Unterschiede zwischen den verschiedenen Codecs sind, wenn überhaupt, nur im Detail erkennbar und vernachlässigbar.
Bei den Farben haben mich einmal mehr die Analogfilm-Simulationen überzeugen können. Manche sehen dies vielleicht etwas anders. Das ist halt wie immer bei solchen Beurteilungen eine Sache des persönlichen Geschmacks.