Schärfe-Verfolgung und High-Res-Bilder
Fotos können mittels Auslöser oder durch Fingertipp auf den Touchscreen aufgenommen werden. Das Fokusfeld kann neu direkt mit dem Joystick verschoben werden oder nach wie vor durch Tippen auf den Touchscreen. Dies geht in vielen Aufnahmesituationen schneller als mit dem Joystick. Zudem lässt sich das Fokusfeld am Bildschirm schnell verkleinern oder vergrössern und mit der Lupenfunktion im Detail überprüfen. So gelang auch der Schnappschuss mit einem Flugzeug inklusive Kondensstreifen am Himmel, durch die Bäume des Waldes hindurch fotografiert. Hier musste ich blitzschnell von Mehrfeld-Modus auf das kleinste Einzel-AF-Feld umschalten.
Die Olympus OM-D E-M1 Mark III hat die Serienbildfunktionen und zahlreiche AF-C-Möglichkeiten der Mark II übernommen und ist damit immer noch eine der schnellsten Systemkameras ihrer Klasse. Im sogenannten «Silent-Modus», das heisst mit elektronischem Verschluss, und unter Verwendung des kontinuierlichen AF- und AE-Trackings, nimmt die Kamera 18 Bilder pro Sekunde im 20,4-Megapixel-RAW-Format auf. Mit AF- und AE-Lock, also ohne dauernde Schärfen- und Belichtungsanpassung, steigt die Bildrate sogar auf sagenhafte 60 Bilder pro Sekunde.
Ein «Pro-Aufnahme»-Modus («Pro Cap») eliminiert quasi die Auslöseverzögerung, da bereits in einer Endlosschlaufe bis zu 35 Serienbilder aufgenommen werden, bevor der Auslöser komplett heruntergedrückt wird. So wird nie mehr der Start der «Action» verpasst. Wird mit mechanischem Verschluss aufgenommen, sind immerhin noch 15 Bilder pro Sekunde möglich.
Das Autofokus-Verhalten kann in vielen Varianten der aktuellen Aufnahmesituation angepasst werden. Es lassen sich Grösse und Form des AF-Felds festlegen, eine AF-Begrenzung definieren oder Priorität und Tracking-Empfindlichkeit für den kontinuierlichen Autofokus bestimmen. Auch die Bildstabilisierung kann auf die Kamerabewegungen optimiert werden. Die beste Kombination der vielen Möglichkeiten findet man am einfachsten durch viel Ausprobieren heraus.
Besonders bei Motiven mit schnellen und unvorhersehbaren Bewegungen spielen Grösse, Farbe und Kontrast des Sujets sowie des Hintergrunds eine entscheidende Rolle, wie zuverlässig und sicher die Schärfenachführung arbeitet. Die E-M1 Mark III bietet hier ein «Feintuning» an mit den Menüpunkten «AF-Scanner», «C-AF Tracking-Empfindlichkeit», «C-AF Mitte Start» und «C-AF Mitte Priorität».
Im Serienbildtest mit «C-AF plus Tracking»-Einstellung «krallte» sich das AF-Feld beim Verfolgen eines Vogels zum einen richtiggehend ins Gefieder und stellte auch noch zwischen Ästen und Blättern hindurch auf das Viech scharf, während es beim Zielen auf ein Flugzeug vor wolkenlosem Himmel plötzlich wieder völlig unnachvollziehbar vom Flugzeug weg ins «Nichts» sprang und die Schärfe verlor. Hier brachte das Fotografieren ohne Tracking die besseren Resultate.
Hier könnte die intelligente Motiverkennungsfunktion der E-M1X Verbesserung bringen. Sie lässt das AF-System spezielle Motive (Motorsport, Flugzeuge, Züge) automatisch erkennen und darauf scharfstellen. Vermutlich ist der Prozessor der E-M1 Mark III zu schwach und diese Funktion wurde nicht eingebaut. Eine Tier-Erkennung, die momentan von vielen Mitbewerbern angepriesen wird, ist bei Olympus (noch) kein Thema.
Dafür lassen sich mit der E-M1 Mark III jetzt Bilder in hoher Auflösung ohne Stativ erstellen, wenn auch mit Einschränkungen.
High-Res ohne Stativ
Beim Fotografieren sind verschiedene Kombinationen aus Bildgrösse, Komprimierung und Seitenverhältnis wählbar. 5184 x 3888 Pixel ist die maximale Foto-Auflösung im 4:3-Standardverhältnis. Die Auflösung lässt sich bis auf 720 x 960 Pixel verkleinern und von unkomprimiertem RAW-Format in drei Stufen bis auf 1/8 im JPEG-Format herunterkomprimieren.
Bei der Funktion «Hochaufgelöste Aufnahme» macht die Kamera unter Bewegung des Bildsensors eine Reihe von Aufnahmen und kombiniert sie zu einem hochaufgelösten Foto. So sind Auflösungen mit bis zu 10'368 x 7776 Pixel möglich. Bei der E-M1 Mark II war dafür ein Stativ zwingend erforderlich, weil hier der Bildstabilisator nicht eingesetzt werden kann.
Mit der E-M1 Mark III sind dank des neuen Bildprozessors auch aus freier Hand Fotos in hoher Auflösung mit bis zu 8160 x 6120 Pixel möglich, ohne Stativeinsatz. Die Resultate sind beeindruckend und die Aufnahmen zeigen Details, die normalerweise selbst bei starkem Zoom nicht erkennbar sind.
Wie bei den Testaufnahmen zu erwarten war, werden die Fotos umso besser je weniger Bewegung vorhanden ist. Da ist zum einen das Zittern des Fotografen und zum anderen Bewegungen im Bild selbst. Rauchende Kamine, Blätter und Äste im Wind, sich bewegende Personen oder Fahrzeuge kann die Kamera bei aller Rechenleistung nicht herausrechnen und es verbleiben verschwommene Umrisse oder Doppelkonturen im Foto übrig. Dies macht sich besonders bei Nahaufnahmen von Blumen und Pflanzen bemerkbar, wo jedes noch so schwache Lüftchen die Aufnahme ruinieren kann. Etwas weniger störend ist es bei Landschaftsaufnahmen, wo dies erst beim Hineinzoomen ins Bild auffällt.
Das Symbol für hochaufgelöste Fotos blinkt, wenn die Kamera vor der Aufnahme nicht ruhig genug gehalten wird. Also am besten Atem anhalten, sich irgendwo abstützen oder anlehnen oder eine Auflage für die Kamera suchen. Auch während des Fotografierens kann das Symbol blinken, um auf mögliche Unschärfen der Aufnahmen durch Kameraverwacklungen hinzuweisen. Hat die Kamera zu viele oder zu starke Erschütterungen festgestellt, wird anstelle eines hochaufgelösten Fotos nur in der normalen Bildauflösung gespeichert.
Ein Tipp zum Ruhighalten der Kamera: Stellen Sie die Auslöseverzögerung nicht zu lange ein. Sie legt fest, nach welcher Zeitspanne die Kamera mit der Aufnahme beginnen soll, wenn der Auslöser vollständig heruntergedrückt wird. Bei zu langer Verzögerung wartet man verbissen mit krampfhaft ruhig gehaltener Kamera in der Hand, bis die Aufnahme endlich beginnt. Und genau dann fängt das Zittern an. Oder man läuft blau an vom langen Atemanhalten.
Die Speichergrösse des hochaufgelösten Beispielfotos in der Bilderstrecke beträgt rund 22 Megabyte, in Standardauflösung aufgenommen rund 7 Megabyte. Ich habe jeweils den gleichen Ausschnitt aus beiden Fotos genommen und auf Web-Grösse skaliert. Die Unterschiede im Schärfeeindruck sieht man gut bei den Rebstecken am Hang, den Ziegeln auf den Hausdächern oder am roten Kran. Interessanterweise sind die obersten Äste des Strauchs am linken Bildrand in der normalen Auflösung schärfer als im High-Res-Bild. Dort gab es während der Aufnahme einen kurzen Windstoss.
Das Erstellen von High-Res-Bildern ist nicht zu verwechseln mit der HDR-Funktion für das Aufnehmen von Fotos mit hohem Dynamikbereich, das die E-M1 Mark III in zahlreichen Varianten beherrscht. Ebenso wie verschiedene Belichtungsreihen (Bracketing) inklusive Fokus-Stacking, Mehrfachbelichtungen und Intervallaufnahmen.
Mit «Live Composite», der immer wieder verblüffenden, einzigartigen Aufnahmefunktion von Olympus-Kameras, werden mehrere Aufnahmen mit der gleichen Verschlusszeit übereinandergelegt und nur die hellen Abschnitte miteinander kombiniert. Damit werden zu helle Bilder bei Langzeitbelichtungen im Dunkeln vermieden. Mit «Live Time» lässt sich der Fortschritt der entstehenden Lichtspuren sogar in Echtzeit überprüfen.
Da der Bulb-Modus der E-M1 Mark III neu dem Programmwahlrad hinzugefügt wurde, sind «Live Composite», «Live Bulb» und «Live Time» nun leichter zugänglich und konfigurierbar. Ein grossartiges Spielfeld für fotografische Experimente.
Live-ND und Sternenhimmel-AF
Mit der Live-ND-Aufnahme wurde eine weitere neue Funktion vom Modell E-M1X übernommen. Sie erlaubt längere Verschlusszeiten in hellen Umgebungen. Die Kamera nimmt eine Reihe von Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtung auf und kombiniert sie zu einem Foto. Das wirkt dann so, als sei mit einer langen Verschlusszeit fotografiert worden. Typische Beispiele sind weichgezeichnete Flüsse, Brandungen oder Wasserfälle, für die man sonst in heller Umgebung eine sehr schnelle Verschlusszeit oder kleine Blende wählen müsste, um Überbelichtungen zu verhindern. Und dadurch zu scharfe Fotos oder «eingefrorenes» Wasser erhielte.
Normalerweise schraubt man externe physische ND-Filter in verschiedenen Stärken vor die Linse, um diesen Weichzeichner-Effekt zu erhalten. Diese Filter werden nun in der E-M1 Mark III digital simuliert. Man kann zwischen fünf Stärken von ND2 bis ND32 auswählen und die Kamera reduziert die Belichtung entsprechend. Die Live-ND-Option steht in den Modi S (Verschlusszeitpriorität) und M (Manuelle Einstellung) zur Verfügung.
Im Gegensatz zu physischen ND-Filtern reduziert der Live-ND-Filter die auf den Bildsensor treffende Lichtmenge nicht, sodass bei sehr hellen Motiven trotzdem Überbelichtungen auftreten können. Wer die Live-ND-Funktion öfters einsetzt, kann ihr eine eigene Taste zuweisen. Um die Live-ND-Filter-Einstellungen anzupassen, muss nur diese Taste gedrückt und das vordere oder hintere Einstellrad gedreht werden.
Leider funktionieren die digitalen ND-Filter nur beim Fotografieren. Möchte man beim Filmen «weichzeichnen» oder die Tiefenschärfe trotz strahlendem Sonnenschein eng halten, um den Hintergrund verschwimmen zu lassen, muss man wie gewohnt physische ND-Filter einsetzen.
Wird aus den Fokus-Modi der «Sternenhimmel-AF» gewählt, hilft die E-M1 Mark III bei der schwierigen Scharfstellung auf den nächtlichen Sternenhimmel. Nach Drücken der AEL/AFL-Taste wird der Sternenhimmel-AF aktiv und die Fokusanzeige für etwa zwei Sekunden angezeigt, nachdem die Kamera scharfgestellt hat. Danach muss der Auslöser vollständig heruntergedrückt werden, um das Bild aufzunehmen.
Im Test blinkte die Fokusanzeige öfters zwei Sekunden lang, was bedeutete, dass die Kamera nicht scharfstellen konnte. Der Grund dafür lag oft im zu hellen Umgebungslicht. Für optimale Bilder sollte es deshalb wirklich stockdunkel sein, was in unseren Breitengraden leider häufig nicht mehr möglich ist. Wolken, Nebel oder Rauch geben manchmal interessante Lichtstimmungen, sind für die automatische Scharfstellung jedoch nicht günstig.
Im Sternenhimmel-Anwendermenü kann zwischen «Genauigkeit» und «Geschwindigkeit» gewählt werden. Bei «Geschwindigkeit» sollten auch Sternenbilder aus freier Hand möglich sein. Meine Erfahrung: Vergessen Sie es. Befestigen Sie die Kamera auf einem Stativ und lassen Sie die Einstellung auf «Genauigkeit». Den ISO-Wert würde ich auf maximal 6400 setzen. Darüber hinaus gibt es einfach zu viele Artefakte im Bild, die eine aufwändige Nachbearbeitung benötigen.