Fotoeinsatz
Von Panasonic bekam ich eine Vorserien-Testkamera, die ich während der Testphase auf Firmware 2.0 updaten konnte. Obwohl Vorserien-Geräte noch nicht ganz der endgültigen Serienqualität entsprechen, war ich nach den ersten Aufnahmen wie schon beim Test der GH6 verblüfft über die gute Bildqualität, die aus dem kleinen MFT-Sensor kommt.
Nicht unwesentlich daran beteiligt war sicher auch das mitgelieferte Set-Objektiv Leica DG Vario-Elmarit 1:2.8-4, 12–60 mm, das als Standard- oder Immer-drauf-Objektiv sehr gut zur G9 II passt.
Die Farben der JPEG-Bilder gefielen auch anderen Personen mit «Micro-FourThirds-Erfahrung». Bereits im Bildstil «Standard» wirkten sie sehr natürlich, besonders in den Hauttönen, und nicht mehr so «elektronisch aggressiv» wie noch bei vorherigen G- und GH-Modellen.
Gemäss Panasonic liefert der neue Live-MOS-Sensor sattere Farbabstufungen und aussagekräftigere Schattierungen bei RAW-Aufnahmen. Ein «Dynamic Range Boost»-Modus nimmt zwei Bilder mit unterschiedlichen nativen ISO-Werten in einer einzigen Belichtung auf und fügt sie in Echtzeit zusammen, um Fotos mit einem grossen Farbtonbereich zu erstellen, selbst bei Szenen mit erheblichen Helligkeitsunterschieden. Videos erhalten dadurch einen weiten Dynamikbereich mit über 13 Blendenstufen und V-Log/V-Gamut-Aufnahmen sind möglich.
Bei den Bildstilen der G9 II gibt es neu einen weiteren Schwarz-Weiss-Effekt. «Leica Monochrom» zeigt im Vergleich zum «L.Monochrom D» von Lumix hellere Bilder in den Highlights und allgemein starke und dynamische monochrome Fotos.
Die zweite Überraschung brachte der Bildstabilisator, bzw. die Stabilisatoren. Besitzt das Lumix-Objektiv einen eigenen Stabilisator, arbeitet dieser mit dem B.I.S. (Body Image Stabilizer) im Gehäuse der G9 II zusammen und erlaubt so längere Belichtungszeiten aus der Hand.
Apropos Hand: Ich konnte die Kamera mit meinen relativ grossen Finger fest und sicher halten. Leider hat Panasonic die Verriegelungsfunktion der G9 beim Moduswahlrad nicht mit in den Nachfolger übernommen. So kann es versehentlich verstellt werden. Mir ist dies nicht passiert, bin jedoch einige Male unbeabsichtigt an das hintere Drehrad gekommen und hatte unbemerkt zum Beispiel die Verschlusszeit während des Filmens verändert.
Bedienung
Das Bedienungskonzept der Lumix-Kamera wurde auch bei der G9 II beibehalten. Wer bereits eine G9, GH6, GH5 oder 5 II besitzt, wird sich gleich heimisch fühlen.
Über das rechte Modusrad bestimmt man die gewünschte Aufnahmeart. G9 II-Einsteiger fotografieren zu Beginn am besten im intelligenten Automatikmodus «iA». Hier werden die optimalen Einstellungen von der Kamera selbst gewählt. Die automatische Szenenerkennung zeigt ein entsprechendes Symbol an. Als Fotografin oder Fotograf ist man hier stark eingeschränkt, da viele Tasten keine oder nur einfache Funktionen besitzen.
Wird das Modusrad aus der Automatik herausgedreht, stehen Programm-, Blenden-, Zeit-Automatik sowie manuelle Belichtung («PASM»), die Videoposition «kreative Filme-Modus», die drei Benutzerspeicher (C1–C3) und die Zeitlupen/Zeitraffer-Funktion («S&Q») zur Verfügung.
Mit dem linken Wahlrad, dem «Antriebsmoduswahlrad», wählt man zwischen Einzelaufnahme, zwei verschiedenen Serienbild-Geschwindigkeiten, dem Hochauflösungsmodus, der Zeitrafferaufnahme/Stop-Motion-Animation und dem Selbstauslöser aus.
Für Weissabgleich, ISO-Wert, Belichtungsausgleich, Fokus-Feld und -Modi, AF-ON, Schnellmenü oder Sucher/Monitor-Anzeige stehen eigene Tasten bereit. Das Ändern der Werte ist auf mehrere Arten möglich. Per Direkttasten, via Joystick oder über das Touch-Display. Hier darf jede und jeder seine eigenen Bedienungsvorlieben wählen, oder alles zusammen kombinieren.
Detail am Rande: Der ISO-Knopf in der Mitte der drei Direkttasten hat zwei hervorstehende Punkte und lässt sich so ohne hinzuschauen gut ertasten.
Wem die Standardbelegung der Tasten nicht liegt, darf beinahe alle umprogrammieren. Sogar Joystick und Cursortasten können angepasst werden. Jeweils getrennt nach Aufnahme und Wiedergabe.
Neben den 11 Tasten am Gehäuse gibt es noch fünf weitere, virtuelle Funktionstasten, die als Symbole im Touch-Register am rechten Rand des Aufnahmebildschirms erscheinen. Auch diese dürfen umbelegt, oder wie es im Handbuch heisst, «mit Funktionen registriert» werden.
Menü und Benutzerspeicher
Mit der «MENU/SET»-Taste wird das Hauptregister des umfangreichen Menüsystems der G9 II aufgerufen. Die Menübedienung kann über Cursortasten, Joystick, Einstellräder oder durch direktes Berühren des Bildschirms erfolgen. Bei Letzterem sind zugespitzte Finger von Vorteil.
Zu den meisten Menüeinstellungen erscheint nach Drücken der DISP-Taste ein kurzer Hilfetext. Er hilft tatsächlich in verständlichem Deutsch weiter und besteht nicht aus kyrillischen Abkürzungen wie oft bei Mitbewerbern gesehen.
Mittels Q-Taste (Quick-Menü) oberhalb der Cursortasten lassen sich rasch häufig verwendete Funktionen einstellen, ohne dafür das Hauptmenü aufrufen zu müssen. Man kann sowohl die Anzeigemethode des Quick-Menüs als auch dessen Elemente selber bestimmen.
Um die gerade aktuellen Aufnahmeeinstellungen zu verändern, drückt man die DISP-Taste rechts unter den Cursortasten so oft, bis die Optionen erscheinen. Dort lassen sie sich durch Berühren oder mit den Cursorpfeilen oder Einstellrädern anpassen.
Damit man die Übersicht über diese vielen Einstellmöglichkeiten nicht verliert, fasst man seine häufig verwendeten Menü-Aufrufe unter «Mein Menü» zusammen. Dort stellt man in drei Registern bis zu 23 Menüelemente ein. Um noch schneller darauf zugreifen zu können, lässt sich bestimmen, dass bei einem Menü-Aufruf immer zuerst das Register «Mein Menü» erscheint.
Komplette Kamera-Setups können in die Benutzerspeicher C1 bis C3 des Moduswahlrads abgelegt werden. Unter C3 sind weitere 10 Unterspeicher verfügbar!
Diese Benutzerspeicherplätze ermöglichen einen schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Aufnahmesituationen. So legt man zum Beispiel in C1 alle Einstellungen für UHD-Videos in 422 10-bit ab, in C2 die Superzeitlupen-Funktion bei Full-HD-Video und in C3 Einstellungen für Porträtaufnahmen mit Personenerkennung. Dabei lässt sich sogar die Beschriftung der Speicherplätze im Menü anpassen.
Autofokus und Motiverkennung
Die Lumix G9 II erkennt wie schon die GH6 Augen, Gesichter und Körper von Menschen und Tieren in Echtzeit und stellt darauf scharf. Neu hinzugekommen ist die Erkennung von Autos und Motorrädern. Hauptsächlich für Motorsport, erklärt das Handbuch.
Auch im deutschen Menü wählt man zwischen [HUMAN], [ANIMAL], [CAR] und [MOTORCYCLE]. Bei Menschen und Tieren auch noch einen sogenannten Zielbereich für «Augen/Gesichter/Körper» oder nur «Augen/Gesichter». Bei Tieren erkennt der Zielbereich «Augen/Körper» nur ein einziges Tier, «Körper» hingegen mehrere, maximal drei Tiere gleichzeitig.
Unter [ANIMAL] werden laut Handbuch Vögel, Hunde (einschliesslich Wölfe usw.) und Katzen (einschliesslich Löwen usw.) erkannt. Mangels Löwen und Wölfen versuchte ich es neben Hunden, Katzen und Spatzen auch mit Enten, Gänsen, Ziegen und Eseln.
Dabei klappte die Körper- und Gesichtserkennung meist problemlos. Bei den Augen kam es je nach Kontrast im Fell zu unterschiedlichen Resultaten. Mal wurde ein Ohr, ein Horn oder ein dunkler Fleck für das Auge gehalten.
Grösstenteils traf der AF jedoch «ins Auge». Dies wird dann mit einem Fadenkreuz über der Pupille angezeigt. Wem dies zu stark nach Ego-Shooter Zielfernrohr riecht, kann die Fadenkreuz-Darstellung auch ausschalten.
Bei Personen [HUMAN] wird das Auge auch erkannt, wenn es nicht direkt in die Kamera blickt. Im Test sass das Fadenkreuz auch bei 90 Grad zur Seite gedrehtem oder nach oben oder unten gerichtetem Kopf über dem Auge. Nicht immer exakt auf der Pupille, aber immerhin.
Auch durch einzelne Haarsträhnen liess sich die Augenerkennung nicht irritieren. Erst wenn zu viele Haare das Auge abdeckten, kam das Fadenkreuz ins Rotieren und wusste nicht mehr so genau wohin.
Mehrere erkannte Gesichter werden weiss markiert, dasjenige im Fokus gelb. Das gewünschte Gesicht kann per Fingertipp aufs Display oder mit dem Joystick gewählt werden. Im Gegensatz zu anderen Kameramarken ist es bei der Lumix G9 II nicht möglich, neben dem Gesicht auch auf das Auge zu wechseln, auf das scharfgestellt werden soll.
Bei der GH6 kritisierte ich noch das langsame Nachführen und Wiedererkennen von Gesichtern und Augen. Bei der G9 II hat sich dies dank Phasen-Hybrid-AF grundlegend geändert und es ist nun eine wahre Freude, damit schnell und zuverlässig automatisch scharfzustellen.
Nachdem ich Panasonic über Jahre hinweg das Fehlen eines Phasen-Detection-AF vorgeworfen hatte, darf ich nun sicher auch meine Freude darüber zeigen, dass es mit der G9 II auch im MFT-Bereich endlich geklappt hat!
Positiv überrascht war ich auch über die sichere Erkennung von Motiven, die teilweise durch Blätter und Zweige im Vordergrund verdeckt wurden. Dies bei Foto- und Videoaufnahmen gleichermassen.
Autos und Motorräder wie auch Fahrräder wurden gut erkannt. Bei Velos kann man auch die Menschen-Erkennung einstellen. Bei Flugzeugen hatte ich mehr Erfolg mit den Zonen- oder Felder-AF-Bereichen, ohne Motiverkennung. Stand diese auf [CAR], wurde ein Flugzeug mal erkannt, mal wieder nicht. Mit der [ANIMAL] Erkennung hatte ich bei Flugzeugen im Gegensatz zu Vögeln keinen Erfolg.
Die Motiverkennung lässt sich bei allen AF-Bereichen, ausser dem Einzelpunkt, hinzuschalten. Man drückt einfach die AF-Bereichstaste auf dem Fokusmodushebel und dann den Aufwärts-Cursor.
Im kontinuierlicher Autofokus (AF-C) stehen vier individuelle AF-Einstellungen zur Wahl. Hier kombiniert man die AF-Empfindlichkeit mit der Bereichswechselempfindlichkeit und der Voraussage beweglicher Objekte. Wenn nötig, kann man die Parameter noch auf seine eigenen Fotomotive feintunen. Der Autofokusbereich lässt sich auch eingrenzen, wodurch die Fokussiergeschwindigkeit erhöht wird.
Schnelle Schüsse
Bei den Serienbildern hat sich gegenüber einer GH6 wenig verändert. Die G9 II schiesst mit mechanischem Auslöser und AF-C bis 10 Bilder, mit Einzel- oder manueller Fokussierung bis 14 Bilder pro Sekunde.
Wird auf den elektronischen Verschluss umgeschaltet, ändert sich die Geschwindigkeit dramatisch. Nun liefert die G9 II bis zu 60 Bilder pro Sekunde mit kontinuierlichem Autofokus oder noch schnellere 75 Bilder pro Sekunde mit Einzel-AF in voller 25-Megapixel-Auflösung. Diese grosse Datenmenge muss natürlich zwischengespeichert werden und die Kamera zieht die Bildserie je nach Geschwindigkeit und Bildqualität für maximal 200 Bilder durch.
Wird der Serienbildmodus auf «SH75 PRE» gestellt, was für ultrahohe Geschwindigkeit mit Pre-Burst-Bilder steht, können im Voraus – Auslöser halb gedrückt – bis zu 113 Bilder aufgenommen werden, bevor die Auslösetaste vollständig heruntergedrückt wird. Ideal, um den plötzlichen Start eines Ereignisses nicht zu verpassen.
Die Hochgeschwindigkeitsfotos werden in einer Bildergruppe zusammengefasst. Die Bilder in einer Gruppe können danach entweder durchgehend oder einzeln wiedergegeben, bearbeitet oder gelöscht werden.
Die Serien-Geschwindigkeiten zeigen auch deutlich, wohin Panasonic mit der Lumix G9 II zielt: Engagierte Foto-Enthusiasten und Profis aus dem Bereich Sport, Action und Wildlife.
Für die folgende Bilderstrecke wurden die originalen JPEG-Dateien direkt aus der Lumix G9 II genommen und nur auf Web-Grösse reduziert. Bemerkungen bei den Bildern: Verwendetes Objektiv und Brennweite; Belichtungsmodus P = Programm, A = Blendenvorwahl bzw. Zeitautomatik, S = Zeitvorwahl bzw. Blendenautomatik, M = manuelle Einstellung; Blende; Verschlusszeit; ISO-Wert; Weissabgleich; Bildstil; spezielle Anmerkungen. Das Vorserienmodell besass die Firmware-Version 2.00.
Höhere Auflösungen
Beim High-Res-Modus der G9 II werden mehrere Bilder zu einem hochaufgelösten Foto zusammengeführt. Diese Funktion ist vor allem zum Aufnehmen von ruhigen, am besten feststehenden Motiven geeignet.
High-Res-Aufnahmen sind auch aus der Hand möglich. Dabei wird automatisch eine Bewegungsinterpolation vorgenommen, damit schnelle Objekte zwischen den Bildern nicht verschwommen oder verwischt dargestellt werden. Bis zu einer gewissen Geschwindigkeit dieser Objekte wie Autos, Fussgänger, Velofahrer, aber auch Fahnen oder Blätter im Wind, funktioniert es erstaunlich gut. Bei Stativaufnahmen kann diese Funktion ein- oder ausgeschaltet werden.
Anschliessend werden mehrere der besten Aufnahmen ausgewählt und automatisch zu einer Datei mit einer Auflösung von bis zu 100 Megapixel (11’552 x 8672 Pixel) zusammengefügt. So können Landschaften oder detaillierte Kunstwerke in hoher Auflösung aufgenommen werden.
Die höhere Auflösung erkennt man im Vergleich zu einer Aufnahme in Standardauflösung vor allem bei Bäumen und Wiesen, die deutlicher durchzeichnet werden, aber auch in den Strukturen von Wänden oder Reklametafeln.
Lichtspuren
In der «Live-Composite»-Funktion nimmt die Kamera mehrere Bilder auf und erstellt zusammengesetzte Bilder nur von den Bereichen, die sich in der Helligkeit unterscheiden. Diese Funktion ist besonders praktisch für Aufnahmen vom Nachthimmel, bei denen Lichtspuren von Sternen oder Feuerwerken sichtbar sind.
Die kombinierten Bilder können während des Aufnehmens in Echtzeit überprüft werden. Diese Funktion ist nur im manuellen Fotomodus möglich.
Rauschunterdrückung
Bereits mit der Lumix G9 zeigte Panasonic eindrücklich, welche Qualität sich aus dem kleinen MFT-Sensor herausholen lässt. Dass sich das Rauschen bei Aufnahmen mit wenig Licht trotz fünf Megapixel höherer Auflösung bei der G9 II angenehm im Rahmen hält, ist schon bemerkenswert.
So sind Bilder bis rund 3200 ISO je nach Motiv noch absolut brauchbar. Störendes Rauschen wird effektiv unterdrückt und feine Bilddetails bleiben erhalten. Bei höheren ISO-Werten geht die Sättigung etwas zurück und das nun stärkere Rauschen wird kräftig «plattgebügelt», die Details weichgezeichnet.
Auch das Fehlen bunter «Sprenkel» in grauen und dunklen Flächen bei kleineren ISO-Werten hat mich positiv überrascht. Und die berüchtigten Farbsäume an Hell-dunkel-Übergängen sind kaum sichtbar. Hier leistet der neue Bildprozessor ganze Arbeit.
In der JPEG-Bilderstrecke unten sind die Artefakte bei höheren ISO-Werten vor allem in grauen Flächen und in den Schattenbereichen der Sprinkleranlage gut zu erkennen. Ab ISO 5000 wirken die Aufnahmen auch nicht mehr «knackig» scharf.
Wer seine Fotos stärker bearbeiten möchte, nimmt am besten im RAW-Format auf und hat danach deutlich mehr Reserven zur Verfügung, bis hin zum Ändern der Bildstile in der Kamera selbst. Und es stehen für das Entrauschen von Bildern leistungsstarke Softwarelösungen zur Verfügung.