Vollautomatisch oder mechanisch
Wer das erste Mal eine X-Kamera von Fujifilm in den Händen hält, wird es merkwürdig finden, Betriebsart, Blende, Verschlusszeit und Belichtungskorrektur über analoge mechanische Rädchen zu verstellen. Für Foto-Einsteiger oder -Umsteiger von anderen Systemen gibt es deshalb bei der X-T30 eine Automatik-Einstellung, bei der die Kamera die zum Motiv passenden Einstellungen selbständig vornimmt. Mit dem vorderen Einstellrad darf dabei die Vollautomatik verlassen und eines von 14 Motivprogrammen selbst ausgewählt werden.
Die Auto-Einstellung eignet sich auch bestens dafür, die Kamera mal schnell einem andern Fotografen in die Hand zu drücken, ohne dass sich dieser gleich wie der berühmte Esel am Berg fühlt. Dennoch schadet es nicht, sich etwas näher mit den manuellen Einstellmöglichkeiten für die bekannten PASM-Modi bei der X-T30 zu befassen. Erfahrene Fotografen und Profis werden meistens damit fotografieren.
Die Bedienung der Kamera erfolgt hauptsächlich über drei mechanische Wahlräder, die komplett aus Aluminium gefertigt sind. Mit ihnen werden Aufnahmebetriebsart, Verschlusszeit und Belichtungskorrektur eingestellt. Hinzu kommt der Blendenring am Objektiv.
In den P-Modus gelangt man, indem das Einstellrad für die Belichtungszeit auf der Kameraoberseite und der Blendenring am Objektiv auf «A» gedreht werden. Nun erscheint ein «P» im Display und man kann wie gewohnt weitere Zeit-Blenden-Kombinationen, die die gleiche Belichtung bewirken, per Drehrad auswählen (Programm-Shift).
Durch die entsprechenden Einstellungen an Blendenring und Belichtungsrad werden auch die übrigen Modi erreicht. Belichtungskorrekturen gelingen über das separate Einstellrad, «mechanisch» umfasst der Korrekturbetrag +/- drei Lichtwerte. Steht das Rad auf «C» (für Benutzerdefiniert), lässt sich die Belichtungskorrektur mittels Drehrädchen auf Werte zwischen -5 und +5 LW in 1/3-Lichtwertschritten erweitern. Bei der Verschlusszeit wählt man feste Werte «mechanisch» vor und bestimmt über das hintere Rädchen elektronisch die Zwischenwerte.
Der ISO-Wert wird bei der X-T30 im Gegensatz zur grossen X-T3, die dafür ein eigenes Wahlrad besitzt, mit dem vorderen Drehrädchen bestimmt. Im Auto-Modus ist dabei eine von drei selbst bestimmbaren ISO-Limiten aktiv und passt die Werte automatisch den Aufnahmebedingungen an. Manuell dürfen Werte zwischen 160 und 12'800 ISO gewählt werden. Für Spezialfälle stehen noch 25'600 oder 51'200 (high) und 80, 100 oder 125 (low) bereit.
Wem diese traditionelle Bedienung nicht so liegt, kann die wichtigen Einstellungen im umfangreichen Konfigurationsmenü auf das vordere und hintere Drehrädchen legen. So habe ich den Blendenring auf «A» geparkt, der standardmässig automatisch arbeiten würde, jedoch im Ring- und Rad-Einstellungsmenü von «Auto» auf «Befehl» geschaltet. Das Verschlusszeit-Rad noch auf «T» stellen, und schon lässt sich mit dem vorderen Rädchen bequem die Blende verstellen, nach einem Druck darauf der ISO-Wert anpassen und am hinteren Rädchen die Verschlusszeit über den gesamten Bereich regeln.
Der Vorteil: Ich kann beim Werteändern dauernd durch den Sucher blicken. Mein Auge muss nicht erst auf die Zahlen auf Einstellrad oder Blendenring schauen. Dies ist auch im Dunkeln von Vorteil, da es keine Beleuchtung am Blendenring und den Belichtungsrädern gibt.
Da man die beiden Bedienungsarten noch mit Wischfunktionen auf dem Touchscreen kombinieren kann, hat jeder Anwender die Möglichkeit, die Fujifilm X-T30 nach seinen ganz persönlichen Vorlieben einzurichten. Die Kamera besitzt sehr viele Einstellmöglichkeiten, was sich in einem über 300-seitigen Handbuch niederschlägt. Dieses liegt als gedruckte Ausgabe im Karton bei, muss also nicht wie bei den meisten anderen Kameramarken zuerst vom Web heruntergeladen werden.
Oft benötigte Funktionen lassen sich auf verschiedene Arten für einen schnelleren Zugriff zusammenfassen. Man kann Kameraeinstellungen für wiederkehrende Aufnahmesituationen in sieben unterschiedlichen Kombinationen speichern. Die Tasten und Drehrädchen an der Kamera sowie vier Wischbewegungen über das Display sind ebenfalls mit vielen verschiedenen Funktionen belegbar. Und mit «Mein Menü» steht auch ein eigener Menüpunkt mit bis zu 16 Elementen bereit.
Autofokus und Gesichtserkennung
Wer den Bildsensor einer Fujifilm X-T20 schräg ins Licht hält, sieht in der Mitte ein leicht helleres Feld, das die Fläche der Autofokus-Phasenerkennung darstellt. Bei der X-T30 breitet sich diese Fläche über den gesamten Sensor aus. Die Kamera verfügt mit 2,16 Millionen über gut viermal mehr Phasendetektionspixel. Damit wird die schnelle und genaue Fokussierung, besonders bei sich bewegenden Motiven, erheblich erleichtert.
Zudem wurde die Anzahl der maximal anwählbaren Fokuspunkte von 325 (X-T20) auf 425 erhöht. Erheblich verbessert wurde auch die intelligente Gesichtserkennung. Sie greift Porträtfotografen unter die Arme und stellt Schärfe und Belichtung für Gesichter von Menschen an beliebiger Stelle im Bild ein. Damit wird verhindert, dass die Kamera zum Beispiel bei Gruppenporträts auf den Hintergrund scharfstellt.
Bei der Augenerkennung kann bestimmt werden, ob die Kamera automatisch auf ein Auge scharfstellt oder dem linken oder rechten Auge den Vorzug gibt. Dies funktioniert neu auch bei kontinuierlicher Scharfstellung (AF-C) und im Videomodus.
Im praktischen Test begeisterte mich das einfache Freistellen bei Porträtaufnahmen dank APS-C-Sensor einmal mehr. Die Gesichts/Augen-Erkennung funktionierte bei genügend Licht meistens sehr zuverlässig. Interessanterweise wurde je nach Position der Sonnenbrille des Modells von der X-T30 mal Gesicht und Augen oder mal überhaupt nichts davon erkannt. Und wieso bei einem Stofftier der Arm als Gesicht bestimmt wurde, ist mir nach wie vor schleierhaft. Im Vergleich kommt die Fujifilm X-T30 dennoch nahe an die Alpha-Kameras von Sony heran, der aktuellen Gesichts/Augen-Erkennungs-Referenz.
Der aufklappbare Bildschirm erleichterte die Kommunikation mit dem Modell. Ich muss nicht immer durch den Sucher gucken oder mich hinter der Kamera «verstecken», sondern habe es mit grösserem Umfeld im Blick und kann ihm direkt von Angesicht zu Angesicht Anweisungen geben.
Mit dem Fokushebel lässt sich der Schärfepunkt selber bestimmen. Dies gelingt sehr zügig und genau. Dabei bleibt man mit dem Auge dauernd am Sucher und kann die Grösse des Feldes mit dem hinteren Einstellrad verändern. Ist der Touchscreen beim Blick durch den Sucher aktiv, kann auch der Daumen über den Bildschirm fahren und das Fokusfeld platzieren. Bei den ersten Versuchen wollte mir dies nicht so recht gelingen. Dauernd verschob sich das AF-Feld scheinbar selbstständig. Bis ich herausfand, dass die gesamte Displayfläche aktiv war und meine grosse Nase dauernd dazwischenfunkte. Nachdem ich die aktive Fläche auf rechts unten beschränkte, war mein Daumen wieder Herr über das Autofokusfeld.
Eine weitere Möglichkeit ist das direkte Tippen aufs Motiv im Display. Dabei wird gleich der Autofokus aktiviert und, sofern im Menü eingestellt, eine Aufnahme ausgelöst. Im Serienbildmodus werden dabei solange Bilder aufgenommen, bis man den Finger wieder vom Display nimmt.
Das manuelle Scharfstellen (MF) wird durch eine Entfernungsanzeige in Sucher und Display unterstützt. Zusätzlich stehen drei MF-Assistenten bereit. Ein vierteiliges Schnittbild in Bildmitte, eine Konturenhervorhebung (Fokus-Peaking) und neu das «Digital-Microprisma», dessen Rastermuster Unschärfen betont und verschwindet, sobald das Motiv scharf ist.
Schliesslich lässt sich der gewählte Fokussierbereich automatisch vergrössern, wenn der Scharfstellring im manuellen Fokusmodus gedreht wird. Zusammen mit dem Fokus-Peaking lässt sich damit rasch und genau manuell scharfstellen. Die Microprisma- und Schnittbild-Methode konnte mich nicht recht begeistern.
Sportsucher
Der neue «Sport-Sucher-Modus» erleichtert das Aufnehmen eines sich bewegenden Motivs. Dabei wird eine Flächenmarkierung in der Mitte des LCDs/Suchers eingeblendet, die dem 1,25-fachen Crop (ca. 16,6 Megapixel bei 3:2-Format) entspricht. Aufgenommen wird der Bereich innerhalb der Markierung.
Damit sieht man die Bewegungen des Motivs mit grösserem Umfeld und kann besser abschätzen, wo und wann es sich in die Markierung bewegt. Dies ist besonders für die Sport- und Tierfotografie nützlich und erleichtert die perfekte Momentaufnahme.
Dauerfeuer und Automatikreihe
Steht das Einstellrad auf der Position «CH», schiesst die Fujifilm X-T30 acht Bilder pro Sekunde mit mechanischem Verschluss. Wechselt man auf den elektronischen Verschluss, hat man die Möglichkeit, mit 20 Bildern in voller Bildauflösung oder mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde und einem Sensor-Crop von 1,25 zu fotografieren. Die Auflösung beträgt dann noch 16,6 statt 26 Megapixel.
Bei diesen schnellen Serienbilderraten erweist sich die unterbrechungsfreie Sicht aufs Motiv als sehr hilfreich. Es gibt keine Dunkelphasen im Sucher und besonders bei Verfolgungen hat man das Objekt durchgehend im Blick. Neben der hohen Serienbildrate (CH) steht bei der X-T30 noch eine niedrige Geschwindigkeit (CL) mit maximal 5 Bildern pro Sekunde zur Auswahl.
Damit auch bei Serienbildern jedes einzelne Foto knackscharf wird, lässt sich die Kamera mittels zahlreicher Parameter an die jeweilige Aufnahmesituation anpassen. So gibt es beim kontinuierlichen Autofokus (AF-C) benutzerdefinierte Einstellungen für unterschiedliche Arten sich bewegender Objekte. Diese Einstellungen kombinieren die drei Parameter «Verfolgungs-Empfindlichkeit», «Geschwindigkeitsänderung des Motivs» und «Fokussierbereichs-Vorrang» im AF-Modus «Zone».
Die X-T30 hat bereits fünf Voreinstellungen und eine frei definierbare Einstellung gespeichert. In der Bilderstrecke sind die einzelnen Einstellungen erklärt.
Wer sich etwas genauer mit den vielen Parametern beschäftigt und verschiedene Kombinationen ausprobiert, wird mit der X-T30 viele gelungene und scharfe Serienbilder erhalten. Meinen Testparcours am Stadtweiher mit Verfolgen der Enten und Schwäne absolvierte die Kamera im Serienbildmodus ohne Probleme. Der Autofokus blieb am Motiv dran, auch zwischen Blättern und Ästen im Vordergrund.
Selbstverständlich beherrscht die Fujifilm X-T30 neben Serienbildern auch Automatikreihen. Es gibt das «Bracketing» für Belichtung, ISO, Weissabgleich, Dynamik und sogar für die verschiedenen Filmsimulationen. Neu hinzugekommen ist das Fokus-Bracketing, das die Schärfe automatisch Schritt für Schritt nach hinten verlagert. Damit werden auch Makroaufnahmen von vorne bis hinten knackscharf dargestellt. Idealerweise steht die Kamera dazu fix auf einem Stativ.
Die einzelnen Fotos können leider nicht in der Kamera selbst zusammengerechnet («gestackt») werden, sondern benötigen eine externe Software. Dafür ist dank des Intervall-Parameters ein Fokus-Bracketing mit Blitzlicht-Auslösung möglich. Zwar nicht mit dem internen Blitz, aber mit externen Geräten. Diese Möglichkeit beherrschen nur wenige Kameras.
Mehrfachbelichtungen, Fotos mit Filtereffekten, Panoramabilder und Intervall-Aufnahmen mit Timer stehen ebenfalls im Repertoire der X-T30.