Kopfhörer sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Oft tragen wir sie für Musik und Kommunikation unterwegs. Smartphones und Bluetooth machen das einfach. Aber auch in einer stationären, heimischen Umgebung greift man gerne zum Kopfhörer. Sei es, weil man konzentriert in «seine» Musikwelt eintauchen will oder schlicht Mitbewohner in ihrer Tätigkeit nicht stören möchte. Nicht selten wird in hochwertige Kopfhörer mehr investiert als in Lautsprecher. Der Markt bei hochpreisigen Kopfhörern erlebte in der letzten Dekade ein enormes Wachstum.
Abgesehen von einigen Ausnahmen werden Aufnahmen im Studio über und für Lautsprecher abgemischt. Die Wiedergabe über Kopfhörer unterscheidet sich deutlich zu Lautsprechern. Mit Kopfhörern ortet man Musik oder Gespräche «im Kopf», während bei Lautsprechern, wie von einer Aufführung gewohnt, die Klangbühne vor der zuhörenden Person aufgebaut wird. Das muss nicht alle stören, kann aber zur berüchtigten Kopfhörer-Müdigkeit führen. Denn unser Gehirn versucht, die unnatürliche Ortung der Schallquellen aktiv auszugleichen.
Im-Kopf-Lokalisation
Die Im-Kopf-Lokalisation ist ein Phänomen, das auftritt, wenn man Stereo-Aufnahmen über Kopfhörer hört. Anstatt das Gefühl zu haben, dass der Sound aus der Umgebung kommt, scheint es, als würde der Sound direkt im eigenen Kopf erzeugt. Dies ist das Gegenteil von dem, was wir normalerweise in der realen Welt erleben, wo wir die Lage von Schallquellen aufgrund von Unterschieden in der Lautstärke und der Ankunftszeit des Schalls in unseren beiden Ohren lokalisieren können.
Die Im-Kopf-Lokalisation tritt auf, weil bei der Verwendung von Kopfhörern jeder Gehörgang nur das hört, was im jeweiligen Kanal der Audioaufnahme ist. Es gibt keine natürliche Kreuzung von Schallwellen, wie sie normalerweise in der Umgebung auftreten würde.
Es gibt jedoch Technologien, die entwickelt wurden, um dieses Problem zu überwinden und eine realistischere Klangbühne zu erzeugen – auch wenn man Kopfhörer benutzt. Ein Beispiel sind die binauralen Aufnahmen mit Mikrofonen in einem Kunstkopf. Sie gewinnen aktuell vor allem in Virtual- und Augmented-Reality-Bereichen an Beliebtheit. Cheskyrecords ist eines der wenigen Labels, das solche Aufnahmen für die Musikbranche erstellt. In den letzten Jahren wurde Software lanciert, die Stereoaufnahmen für Kopfhörer anpassen, um ein reales Klangerlebnis zu erzeugen. Bezeichnet als «3D-Audio», bieten Apple Music, Sony und Dolby solche Technologien an, wobei die Aufnahmen entsprechend bearbeitet, encodiert und allenfalls auch neu gekauft werden müssen.
Im Studio sind Kopfhörerverstärker mit Crossfeed bekannt. Sie machen den Klang räumlicher, indem sie die Signale beider Kanäle mischen. Allerdings ist das Ergebnis klanglich nicht immer optimal.
Vom Tüftler zum Innovator
Erich Meier, Audioliebhaber und Techniker aus Bern, wollte mehr und machte sich schon früh Gedanken über die Wiedergabe von Stereomusik auf Kopfhörern. Also begann er 2005 mit dem programmierbaren DSP des Audio-Interface der Firma Metric Halo zu experimentieren.
Die Idee bestand darin, mit elektronischen Verzögerungen (Delays) den Stereoklang für Kopfhörer so zu beeinflussen, als stamme er von einer entfernten Schallquelle. Dazu verwendet er inzwischen (nach 18 Jahren Verfeinerung) eine Kaskade von zehn Delays und Equalizern, die Verzögerungen und Dämpfung von Schultern, Ohrmuscheln und Gehörgang so nachempfinden, als würden sie auf eine entferntere Schallquelle einwirken.
Sein als «Amoenus Externus» bezeichneter Algorithmus zielt darauf ab, die Akustik eines Nahfeld-Lautsprechersystems über Kopfhörer nachzubilden. Erich Meier legt Wert darauf, dass in seinem Algorithmus weder Hallalgorithmen noch Surround-Codecs zum Einsatz kommen. Er generiert keine Rauminformationen, sondern verzögert lediglich den Schall bestimmter Frequenzen so, wie es beim Hören einer entfernten Schallquelle auch geschehen würde. Das Original-Stereosignal muss nicht aufbereitet werden. Darin unterscheidet sich sein System fundamental von den aktuellen 3D-Sound-Technologien.
Von der Innovation zum Produkt
Wie viele Erfinder hatte auch Erich Meier mit der Zeit den Wunsch, seine auf einem programmierten DSP basierende Entwicklung in ein Produkt umzusetzen. Das Ergebnis war der ASM 6-3 SP. ASM steht für «Authentic Stereo Monitor», die Zahlen weisen auf die sechs Eingänge und drei Ausgänge hin. Als kleines Einmannunternehmen kam nur ein Premium-Produkt in kleinen Stückzahlen infrage. Nach dem Prinzip «Reduziert auf das Wesentliche» entwarf er ein kompaktes und einfach zu bedienendes Gerät.
Herausgekommen ist ein Kopfhörerverstärker mit integriertem DAC und einer aktiven, analogen Lautstärkeregelung. Damit ist der ASM 6-3 SP nicht nur für Kopfhörer geeignet, sondern kann auch als Vorverstärker direkt an einer Endstufe oder einem Aktivlautsprecher betrieben werden. Das Kürzel «SP» im Produktnamen steht für Stereo beziehungsweise Phono und unterstreicht diese Doppelfunktion.
Während der «Amoenus Externus» die Im-Kopf-Lokalisation bei Kopfhörern reduzieren soll, entwarf Erich Meier mit «Amoenus Verus» einen weiteren Algorithmus für die Stereo-Wiedergabe über Lautsprecher. Ein virtueller Center-Kanal soll die Präsenz in der Mitte zwischen den Stereo-Kanälen erhöhen und so ein authentischeres Live-Erlebnis erzeugen. Systembedingt stellt die Zentrums-Wiedergabe bei Stereo eine Schwachstelle dar. Schon in den 1960er-Jahren, kurz nach der Einführung von Stereo, wurde daher ein zusätzlicher Mittellautsprecher für ein 3-Kanal-System vorgestellt, welches sich jedoch nicht etablieren konnte. Wir sind gespannt auf den Hörtest.
Solide Verarbeitung – made in Bern
Das Design des Amoenus Audio ASM 6-3 SP ist schlicht und funktional. Sein robustes Metallgehäuse, die soliden Schalter und der schwergängige, grosse Lautstärkeregler betonen seine Qualität. Jedes Bauteil scheint mit Blick auf Langlebigkeit ausgewählt. In seiner schwarz eloxierten Einfachheit erinnert der Amoenus ASM an ein klassisches Studiogerät. Ich schätze dieses minimalistische Design, auch wenn es manchen etwas emotionslos erscheinen mag.
Erfreulich sind die zahlreichen und flexiblen Verbindungsmöglichkeiten. Auf der Rückseite finden sich vier digitale – von AES/EBU über SPDIF bis zu USB – sowie zwei analoge Eingänge: einmal symmetrisch mit XLR-Buchsen und einmal asymmetrisch mit Cinch-Anschlüssen. Analoge Quellen werden mittels eines AD-Wandlers digitalisiert, damit der Algorithmus auch bei analogen Quellen angewendet werden kann.
Beim DAC verwendet man den nicht mehr brandneuen, bei Audiophilen geschätzten Cirrus Logic CS4398. Die Meinung, dass «ältere» DAC-Chips besser klingen als die neuesten Modelle, ist weit verbreitet und meiner Erfahrung nach nicht ganz unbegründet. Auf der Strecke bleibt die Verarbeitung von DSD-Streams.
Die elektronische Schaltung entwarf ein Partner mit über 20 Jahren Erfahrung in der Entwicklung von professionellen Audiogeräten. Alle Ausgänge werden mit Relais bei Problemen wie Stromausfall von der Schaltung getrennt, bevor undefinierte Spannungszustände Schaden anrichten können. Dafür sorgt ein grosser Stützkondensator mit 2,2 Millifarad, der den Strom für eine kontrollierte Abschaltung der Ausgänge liefert.
Eine nicht lineare Kurve der Ausgangsimpedanz in Bezug zum Lautstärkeregler soll den Regelweg für nieder- oder hochohmige Kopfhörer automatisch anpassen.
Dank des Balancereglers können Unterschiede in der Empfindlichkeit der Ohren durch eine Feinjustierung der Pegel des linken und rechten Kanals im Bereich von ±10 dB ausgeglichen werden. Beim Amoenus ASM 6-3 SP werden keine Kabel verwendet; alle Leiterplatten sind direkt miteinander verbunden. Die bisher zwanzig produzierten Geräte wurden in der Schweiz von Erich Meier persönlich montiert, programmiert und geprüft.
Der Preis von 4950 Franken erscheint auf den ersten Blick etwas hoch. Wenn man aber die kleine Stückzahl sowie die Tausenden von Stunden an Hörversuchen und Pionierarbeit berücksichtigt, relativiert sich die Sache ein bisschen.