Praktische Erprobung
Im Hörtest verwendete ich weitgehend den Planarkopfhörer Sendy Audio Aiwa. Als Musikquelle wählte ich meine bevorzugte Playlist, die von Rockalben der 80er-Jahre in 16 Bit bis hin zu neusten Highres-Audio-Produktionen reicht. Um ihm eine unkomprimierte Dynamik zu entlocken, benötigt der Sendy Audio Aiwa eine kräftige Stromzufuhr. Der Amoenus Audio ASM lieferte für den Magnetostaten einen ausreichenden Pegel, wobei der Volumenregler auf 2 Uhr stehen musste, um eine normale Lautstärke zu erreichen.
In den ersten zwei Dritteln steigt die Lautstärke nur dezent an, danach folgt aufgrund des nicht linearen Verlaufs des Reglers ein relativ prägnanter Anstieg. Die oben erwähnte Automatik der variablen Ausgangsimpedanz für niederohmige Schallwandler ist grundsätzlich eine gute Idee. Allerdings erscheint die aktuelle Abstimmung nicht optimal. Ich hätte mir einen konstanteren Regelverlauf der Lautstärke gewünscht.
Zur besseren Ergründung der Eigenschaften von DAC und Class-A-Endstufe hörte ich zuerst mit ausgeschaltetem Algorithmus. Der Amoenus Audio ASM 6-3 SP überraschte mit einem kraftvollen und quicklebendigen Klangbild. Der Sendy Audio Aiwa weist im Präsenzbereich eine gewisse Zurückhaltung auf. Der ASM verlieh ihm eine ungeahnte und beeindruckende Lebendigkeit. Die Artikulation der Klangstrukturen ist beeindruckend. Der Amoenus Audio ASM besticht durch seine herausragende Attacke und ermöglicht eine Dynamik, die ich in Kombination mit dem Aiwa und anderen Kopfhörerverstärkern nur selten erlebt habe.
Besonders angetan war ich vom wundervollen Klangcharakter. Die Class-A-Endstufe agiert harmonisch und mit einem angenehm frischen, aber auch seidig geschmeidigen Timbre. Insgesamt beeindruckte mich die klangliche Entfaltung des ASM. Im Vergleich zu meinem UAD Apollo 8 zeigte sich der ASM spürbar lebendiger und klarer.
Das Zuschalten des «Amoenus Externus»-Algorithmus zur Überwindung der Im-Kopf-Lokalisation wirkt als erstes wenig spektakulär. Wer eine dramatische Veränderung wie bei manchen 3D-Audio-Technologien erwartet, könnte enttäuscht sein. Das ist aber auch gut so. Hier entsteht kein virtueller Raum, in dem die Instrumente schweben. Die Einwirkung ist massvoll, verändert aber klar und deutlich die räumliche Balance.
Die Im-Kopf-Lokalisation löst nicht komplett auf, aber man erhält die Illusion einer gewissen Entfernung zum Klangkörper. Vereinfacht gesagt, sitzt man zwar nicht mehr mitten im Orchestergraben, aber immer noch in der ersten Reihe. Die Höhen werden reduziert, genau wie es in der Realität mit zunehmendem Abstand zur Schallquelle der Fall ist, und auch die Dynamik wirkt zurückhaltender.
Als erste Reaktion mögen manche die Direktheit fast vermissen, wie es einige Testhörer im ersten Feedback angaben. Man hat sich schliesslich an den typischen «Kopfhörer-Sound» gewöhnt. Die Zurücknahme in den Höhen und in der Dynamik empfand ich dem natürlichen Klangerlebnis zuträglich. Mit längerer Hördauer – ich hatte das Glück, den ASM über die Sommerwochen ausgiebig zu testen – merkt man, was für ein natürliches und entspanntes Musikhören der ASM mit zugeschalteter Kompensation ermöglicht.
Der «akustische Druck» auf die Ohren wird deutlich reduziert und echtes Hörvergnügen stellt sich ein. Das ist wie ein Übergang von einem vordergründigen, analytischen Hören hin zu einem Genusshören. Die Musik erscheint, etwas salopp gesagt, nicht mehr direkt ins Ohr «gepresst», sondern aus einer gewissen Distanz wahrgenommen. Das Ziel des Amoenus ASM, das Klangerlebnis eines Lautsprechers auch über Kopfhörer zu bieten, wird weitgehend erreicht. Die Kompensation ist dabei feinfühlig und das Signal wird nicht mit Artefakten verunreinigt.
Aufnahmen, die aus einer Live-Darbietung entstanden sind, profitieren am meisten von dieser Technologie. Zum Beispiel Nadezhda Pavlovas Sopran in «La Traviata, Act III» unter der Leitung von Teodor Currentzis. Mit dem aktivierten Algorithmus klingt ihre Stimme nicht nur kristallklar und eindringlich, sondern auch anmutig. Gleiches gilt für Eric Clapton in seiner 2023er-Neuveröffentlichung «The Definitive 24 Nights (Live)». Die Fender Stratocaster erklingt mit zugeschaltetem Algorithmus nicht mehr so unmittelbar vordergründig im Kopf, sodass man sich entspannt zurücklehnen kann und die Musik geniesst.
Wie schon als Kopfhörerverstärker gefiel der Amoenus ASM auch als Vorstufe. Flugs per XLR-Kabel symmetrisch mit den Manger-S1-Aktivlautsprechern verbunden, überzeugt er mit klanglicher Anmut und Lebendigkeit. Besonders auffällig waren die aussergewöhnliche Transparenz und Dynamik. Selbst komplexe Aufnahmen wie beispielsweise das Stück «Dance of the Sugar Plum Fairy» aus Tschaikowskys «The Nutcracker Suite», gespielt von der New York Philharmonic unter Leonard Bernstein, erscheinen plastisch und lebendig.
Die Aktivierung des «Amoenus Verus»-Algorithmus für Lautsprecher hinterliess gemischte Gefühle. Er verbessert, wie beworben, die Wiedergabe des Zentrums im Stereo-Feld auf angenehme Art und Weise. Davon profitieren besonders Aufnahmen kleinerer Jazz- und Klassik-Ensembles. Der Algorithmus rückt die Hörer, ähnlich wie ein Vergrösserungsglas, näher an das musikalische Geschehen im Zentrum heran. Solostimmen werden stärker in den Fokus gerückt, und rockige Live-Aufnahmen gewinnen an Intensität. Schliesslich tendiert man dazu, die musikalische Hauptbotschaft in der Mitte des Stereo-Felds zu platzieren.
Das geht allerdings nicht kostenfrei. Der Wermutstropfen ist eine gewisse Kolorierung, die dem Tape-Effekt von Bandmaschinen nicht unähnlich ist. Das leichte Anfärben muss nicht unbedingt negativ sein. Gewissen kühlen Studioaufnahmen wird so ein neues Leben eingehaucht. Als würde man vom Studio in einen rauchigen Nachtclub umziehen. Das hat eine gewissen Charme, wie etwa bei Melody Gardot, «Who will comfort me». Bei aufwändigeren Klangkörpern, die eine hohe Transparenz und Klarheit erfordern, kann es sich aber eher nachteilig einwirken. Ich würde den «Amoenus Verus»-Algorithmus als Variante sehen, der sterilen Aufnahmen einen gewissen Live-Charme anbietet. Erich Meier weist darauf hin, dass der «Amoenus Verus» am besten bei Lautsprechern mit Kalottenhochtönern wirkt. Das ist beim flächigen Vollbereichstreiber der Manger S1 nicht der Fall.
Fazit
Wer oft und gerne mit hochwertigen Kopfhörern Musik hört, auf der Suche nach einem hochwertigen Kopfhörerverstärker ist und bereit ist, dafür einen stattlichen Betrag auszugeben, der sollte den Amoenus Audio ASM unbedingt anhören. Sein innovativer Algorithmus zur Reduzierung der – ermüdenden – Im-Kopf-Lokalisation macht ihn einzigartig.
Mit der Doppelfunktion als Kopfhörerverstärker und Vorverstärker mit DAC sowie den vielfältigen Anschlussmöglichkeiten, einschliesslich analoger Eingänge, zeigt er sich zudem äusserst vielseitig.