
Der Markt für Vinyl-Schallplatten wächst weltweit jährlich um ca. 25% seit 5 Jahren in Folge. Vinyl wird wieder neu gepresst und selbst Pop-Musiker bringen ihre neuen Alben wieder als Vinyl an Frau und Mann. Sie sind keine Philantropen und verdienen damit echtes Geld. Neupressungen kosten locker 25 CHF und aufwärts.
Platten auflegen entschleunigt. Vinyl klingt besser, emotionaler als digital, glauben viele. Vinyl ist wieder hip, gerade bei jungen Menschen, die den heimischen Plattenspieler bestenfalls noch bei den Grosseltern mit grossen Augen bestaunten. Heute elektrisieren wieder echte DJ's die Stimmung im Club mit ihren coolen Drehern.
Die älteren Semester bedauern es, ihre Plattensammlung vor 15 Jahren ins Brockenhaus gebracht zu haben und beginnen vielleicht von neuem. Die audiophilen Hardcore-Vinylisten schweben vor Glück, weil sie Recht behielten.
Mit den drei getesteten Plattenspielern von Lenco, Teac und Audio Technica kann man für wenig Geld auf den Zug aufspringen und die Platten sogar digitalisieren. So sind sie sie denn auch mit dem iPod zu geniessen.
Alle werden glücklich. Schöne neue Welt.
Was kriegt man fürs Geld (und was nicht)?

Ich habe in Jahren viele Stunden mit Tonarmeinstellung, Tonabnehmer-Optimierung, optimaler Kombination von Laufwerk, Tonarm, Zelle, Innenverkabelung, Impedanzanpassung und dergleichen verbracht. Der Plattenspieler ist heute in Perfektion ein komplexes Gebilde mechanischer, geometrischer und elektromagnetischer Vorgänge, deren Beherrschung Musik meisterlich zum klingen bringen kann.
Plattenspieler für Einsteiger müssen auf Anhieb funktionieren, sonst steigt niemand ein. Sie funktionieren alle auf Anhieb, aber dann ist quasi Schluss. Es bleibt wenig Potenzial für Optimierung. Das wenige Geld, dass sie kosten, reicht nicht für mehr. Trotzdem ist der Überraschungseffekt für den Einsteiger fulminant und macht Lust auf mehr.
Mit Lenco, Teac und Audio Technica sind zwar gestandene Marken mit Tradition auf meinem Tisch, deren Glanz aber mit Tiefpreis-Diktat dank Fernost-Produktion und Standardisierung etwas ermattet. Die Plattenteller sind weitestgehend identisch gebaut. Der Tonarm-Lift scheint aus ein und derselben Maschine zu kommen.
Schallplatten digitalisieren. Warum nur?
Diese Frage beschäftigt mich: Wenn man doch Schallplatten hören will, warum dann Aufnahmen davon anfertigen? Will man Schallplatten mit erheblichem Aufwand archivieren und nach getaner Arbeit auf Vinyl verzichten? Ist das einfach eine Zusatzfunktion, ein weiteres Feature?
Ich betrachte die Option der Digitaliserung analoger Musik mit diesen Geräten als ein Brückenschlag zur digitalen Realität. Ich vermute, dass man es in wenigen Fällen wirklich nutzt. Schallplatten zeichnen sich bei sorgfältiger Behandlung durch eine lange Lebensdauer aus. Sie zu spielen ist für viele ein haptisches Erlebnis, zu dem eine digitale Kopie nichts beiträgt.
Ich habe selbst ca. 50 meiner besten Schallplatten digital aufgenommen, um sie zu Hause auch über den Musikserver zu hören. Mein Motiv war die breitere Nutzung, da nicht überall Plattenspieler stehen.
Der Zeitaufwand für digitale Aufnahmen beläuft sich mit Übung auf "Spieldauer x 1,5". Er ist exakt gleich mit einer kostengünstigen Lösung, wie hier beschrieben, oder mit sehr hochwertigem Equipment.
Das kleine Testfeld im Überblick

Lenco L-90
Die Schweizer Traditionsmarke Lenco ist heute in holländischen Händen mit Consumer-Audio-Prägung. Die Marke lebt weiter. Ob die Gene des einst legendären Lenco L75 mit Reibradantrieb noch erhalten sind?
Der L-90 liegt preislich zwischen 250 und 300 CHF und mutet mit Echtholz-Furnier und dunklen Farbtönen klassisch/konservativ an.

Teac TN-300
Der japanische Teac Konzern ist seit Jahrzehnten sowohl im Consumer Audio-Bereich als auch im professionellen Bereich tätig. Sie haben nie etwas anderes gemacht und waren stets präsent.
Der Teac TN-300 besticht durch moderne Optik und fühlbare Wertigkeit bei einem Preis von 350 bis 400 CHF.

Audio Technica LP120-USB
Audio Technica wurde 1962 in Deutschland gegründet und verschmilzt heute noch professionelle Audioprodukte mit Home-Audio. Das breite Sortiment umfasst im wesentlichen Mikrophone, Kophörer, Konferenzssysteme, Plattenspieler und Tonabnehmer.
Der LP120-USB ist als "professionelles" Gerät ausgelegt und setzt die Tradition der legendären Technics-Plattenspieler fort. Kostenpunkt: um 300 CHF.

Lenco L-90 Traditionspaket

Der Lenco L-90 erinnert mit furnierter Holzzarge und "Rauchglas" Plexi-Haube an meine Jugendzeit. Der verborgene Riemenatrieb verbindet den Pulley nicht wie früher mit einem separaten Sub-Teller. Dieser ist im Alu-Gussteller integriert. Die Geschwindigkeiten von 33 1/3 und 45 sind sinnvoll.
Das Stroboskop vermittelt eine gefällige Optik und meldet je nach Beleuchtung Drehzahlabweichungen. Der Tonarm ist klassisch 4-Punkt gelagert mit Doppel-Joch und geradem Tonarmrohr ausgeführt. Das abnehmbare Headshell passt ins Retro-Design des Plattenspielers.
Der nicht näher bezeichnete MM-Tonabnehmer verfügt über einen sphärischen Bonded-Diamond und verlangt nach 2,5 Gramm Auflagekraft. Der Tonarm-Lift ist gut zu bedienen. Der Plattenspieler startet bei Anheben des Tonarms und stoppt, wenn man diesen wieder parkiert.
Pro und Contra
Pro:
- Gelungenes, klassisches Design
- Integrierter Phono-Vorverstärker
- Solide Gummi-Matte
- Eine CD mit der Aufnahmesoftware Audacity liegt bei
- Problemlose Bedienung

Contra:
- Empfindlich auf Körperschall
- Keine Möglichkeit, ein höherwertiges Cinch-Kabel zu verwenden.
- Keine Möglichkeit, einen externen Phono-Vorverstärker zu nutzen.
Höreindruck
Die Klanqualität ist ordentlich, mitunter etwas kühl, dafür in Bezug auf Räumlichkeit in Ordnung. Mit einem besseren Tonabnehmer lässt sich bestimmt noch viel herausholen. An den integrierten Phono-Vorverstärker und die Kabel ist man leider gebunden.
Teac TN-300: High End Feel

Der Teac TN-300 spricht eine moderne und etwas kühlere Sprache. Der verborgene Riemenatrieb ist völlig identisch mit dem Lenco und dürfte mit denselben Zuliefer-Komponenten geschaffen sein.
Das fehlende und aus meiner Sicht ohnehin unnötige Stroboskop unterstützt die angestrebte High-End-Optik. Der Tonarm ist in Bezug auf die Aufhängung präzise und eigenständig. Wie beim Lenco kommt ein gerades Tonarmrohr zum Einsatz. Das abnehmbare Headshell ist gut konstruiert.
Der MM-Tonabnehmer ist von Audio Technica (Typ MM AT95E) und identisch mit der Bestückung des AT-LP120 in diesem Test. Der eliptische Diamant verlangt nach 2 Gramm Auflagekraft. Die beiden Drehschalter sind gut angeordnet, wertig gearbeitet und zweckmässig.

Pro und Contra
Pro:
- Schönes und hochwertiges Design
- Integrierter Phono-Vorverstärker
- Umschaltbar auf externen Phono-Vorverstärker
- Solide Gummi-Matte
- Cinch-Anschlüsse für Kabel-Optimierung
- Externes Netzteil

Contra:
- Empfindlich auf Körperschall
- Eine Aufnahme-Software liegt nicht bei.
Höreindruck
Im Sinne eines fairen Vergleichs wurde mit dem eingebauten Phono-Vorverstärker gehört. Der Teac klingt insgesamt wärmer und fliessender als der Lenco. Da ist deutlich mehr Ruhe im Geschehen. Ich führe das auf Tonarm und Tonabnehmer zurück, da der Antrieb aus meiner Sicht identisch ist.
Durch die Freiheit, das Kabel und den externen Phonovorverstärker zu optimieren, ergibt sich ein grösseres Klangpotenzial. Der höhere Preis des Geräts scheint mir gerechtfertigt.
Audio Technica mit DJ-Groove
Der Audio Technica sieht den Technics-Geräten der 1200er Serie zum Verwechseln ähnlich, und die Bezeichnung LP120 scheint nicht zufällig. Es ist der klassische Plattenspieler für den rauhen DJ-Einsatz mit einer Fülle von Funktionen, von denen der Musikhörer bestimmt nicht alle benötigen dürfte.
Im Unterschied zum Lenco und Teac verfügt der Plattenspieler über einen quarzgeregelten Direktantrieb für sehr schnellen Hochlauf und Stopp. Nebst der zusätzlichen 78er Geschwindigkeit (für die Schellack-Disco...) kann man die Drehrichtung umkehren und mit einem Schieberegler die Drehzahl um bis zu +/- 20% verändern.
Das typische und hier auch sinnvolle Stroboskop ist aktiv beleuchtet und ein höhenverstellbares Leitlicht erlaubt das exakte Aufsetzen der "Nadel" dort, wo sie hin muss. Der Tonarm unterscheidet sich nur durch seine S-Form von dem des Lenco.

Pro und Contra
Pro:
- Integrierter Phono-Vorverstärker
- Umschaltbar auf externen Phono-Vorverstärker
- Schnelles Hochfahren und Schnellstopp
- Praktische Beleuchtungen (Stroboskop und Leitlicht)
- Abschaltbare Quarz-Regulierung
- Schnellverstellung für die Höhe (VTA)
- Besondere Funktionen für DJ's

Contra:
- Deutlicher Körperschall
- Fest eingebautes Billig-Chinch-Kabel
- Eine Tellerauflage aus Filz, die zu statischer Aufladung neigt.
Höreindruck
Auch beim Audio Technica hörte ich über den eingebauten Phono-Vorverstärker.
Der Eindruck war über alles positiv mit einer Tendenz zur Nervosität. Der Klang wirkte manchmal etwas zitternd. Punkto Dynamik überzeugte er mich. Der Tonabnehmer ist ebenfalls der MM AT95E wie beim Teac. Die doch eher schwach ausgeprägten klanglichen Defizite zum Teac führe ich auf den Direktantrieb zurück.
Auslaufrille oder Fazit
Man bekommt heute für wenig Geld komplett ausgerüstete Plattenspieler am Beispiel dieser drei Geräte. Sie machen ihren Job erstaunlich gut. Sie ruinieren die Schallplatten nicht und klingen jedenfalls so gut, dass man die tonale Emotion von Vinyl tatsächlich mitbekommt.
Die Technik der digitalen Aufnahme von Schallplatten findet bewusst keine Erwähnung. Sie hängt von der verwendeten Aufnahme-Software ab und nicht von den Geräten. Die Software kriegt man kostenlos oder günstig von zahlreichen Anbietern.
Der Kostendruck muss enorm sein, wenn man einen Plattenspieler mit allem Drum und Dran für 300 CHF auf den Markt bringen will. Das bleibt nicht verborgen. Wesentliche Komponenten der getesteten Modelle sind schlicht und exakt identisch.
Der Teac TN-300 hat am meisten Luft nach oben. Man kann nicht nur einen besseren Tonabnehmer einbauen, man kann auch Kabel und Phonostufe wählen. Der Audio Technica weist den grössten Spassfaktor auf, und der Lenco vermittelt analoge Klassik.
Wer es dann ernst meint mit Vinyl, dem empfehle ich jedoch, etwas tiefer in die Tasche zu greifen.