Im Schloss ist eine bunte Palette von innovativen Start-Ups bis zu legendären Marken vertreten. Die Schweizer Präzision lebt! Dasselbe Streben nach Präzision und innovativen Lösungen findet man aber auch unter den europäischen Firmen, die im Schloss ausstellen.
Thorens, Studer, Nagra – das Schweizer Dreigestirn
Schweizer Hersteller spielten in der Audio-Geschichte eine bedeutende Rolle. Im Jahr 1883 gründete Hermann Thorens in St. Croix im waadtländischen Jura eine Firma, um Musikspieldosen herzustellen. Die Nähe zur Uhrenindustrie war für die feinmechanischen Anforderungen essenziell. Das HiFi-Zeitalter begann Ende der 50er-Jahre mit dem Bau der legendären Plattenspieler, allen voran dem Thorens TD124, einem mechanischen Wunderwerk, das geschickt Reibrad- mit Riemenantrieb kombiniert. Das Gerät wurde auch im professionellen Bereich fleissig verwendet.
Anfang der 70er-Jahre dislozierte die Firma in den Schwarzwald und fertigte fortan die berühmten Plattenspieler mit Riemenantrieb: TD125, TD160 usw. Nach wechselvoller Geschichte produziert sie bis heute erfolgreich Geräte. Die ruhmreiche Schweizer Epoche von Thorens pflegt die Firma Riverside Audio (nicht nur) mit Restaurationen des ikonischen TD124. Diese werden dank modernen Ersatzteilen und Ergänzungen so sehr perfektioniert, dass sie eine Qualität erreichen, welche die originalen Geräte weit übertrifft. Der Auftritt im Klangschloss wird begleitet von Joachim Bung, Verfasser eines monumentalen Werks über die Geschichte von Thorens und anderer Audio-Firmen in der Schweiz.
Die geschichtlich bedeutendste Schweizer Audio-Firma Studer existiert praktisch nur noch museal. Die von Willi Studer 1948 gegründete Firma beschäftigte während ihrer Blütezeit Ende der 70er-Jahre bis zu 1800 Mitarbeiter, vor allem in Regensdorf. Diese bauten unter anderem die berühmten Bandmaschinen, aber auch die Revox-Geräte für Private. Heute existiert die Firma Studer nur noch dem Namen nach und ist längst in amerikanischen Händen. Revox ist dagegen eigenständig geblieben und produziert in Deutschland weiterhin hochwertige Audiogeräte, wenn auch mit neuem Fokus.
Das alte Studer-Firmengebäude in Regensdorf wurde vor kurzem abgerissen. Dessen grosses Schild sicherte sich Walter Stutz, ein grosser Studer-Fan und Initiant des Studer-Revox-Museums waVox. Er zeigt darin sämtliche Geräte, die je gebaut wurden und die er über viele Jahre zusammenkaufte. Eine immense Leistung. Für den Betrieb des Museums gegründete er vor kurzem den Verein waVox und stellt ihn im Klangschloss vor.
waVox-Museum
Das Vermächtnis von Willi Studer sind aber nicht nur die gebauten Geräte, sondern auch die ehemaligen Mitarbeitenden und Partner. Zahlreiche Schweizer Audio-Ingenieure arbeiteten bei Studer oder für Studer, etwa Digital-Pionier Daniel Weiss. PSI Audio fertigten ihre Studio-Monitore ursprünglich Mitte der 90er-Jahre als OEM-Produkte für Studer. Beide Firmen stellen im Klangschloss aus. Bericht bei avguide.ch
Nagra wurde 1951 vom polnischstämmigen Ingenieur Stefan Kudelski gegründet zur Produktion hochwertiger portabler Tonbandgeräte, welche bald als Referenz galten. «nagrac» heisst auf polnisch: etwas aufgenommen haben. Für die Aufnahmesessions im Klangschloss verwenden wir das legendäre Nagra IV-S, welches 1971 auf den Markt kam. Es ist ein ingenieurtechnisches Meisterwerk und Schmuckstück, wie alle Nagra-Geräte.
Nagra IV-S
Die Firma Kudelski SA ist heute erfolgreich auf digitale Sicherheitssysteme spezialisiert, mit 1 Mrd. CHF Umsatz. Kudelski hält aber der ursprünglichen Firma Nagra die Treue. Im Firmengebäude in Romanel-sur-Lausanne werden High-End-Audiogeräte gefertigt, aber weiterhin auch professionelle Geräte wie das Nagra VI, das wir ebenfalls für die Produktion der Live Recording Sessions verwenden. Ein gigantisches Ersatzteillager zeigt, wie sehr man Wert auf die Geschichte der Firma legt. Matthieu Latour präsentiert im Klangschloss gerne aktuelle High-End-Geräte zusammen mit dem lokalen Händler Musik&Form. Dieser liefert auch die passenden, natürlich schweizerischen Lautsprecher der Eigenmarke Seidenton bei.
Nagra HD-Linie
Studiotechnik fürs Wohnzimmer
Auffällig ist, dass das Schweizer Audio-Dreigestirn sowohl für den professionellen wie für den privaten Bereich Geräte produzierte. Erst mit der Zeit ergab sich eine Trennung der Bereiche. Die Idee, dass Audio in erster Linie mit Engineering zu tun hat und eine nüchterne Betrachtung erfordert, war früher normal und ist gut schweizerisch. Der Klang hat neutral zu sein.
Interessanterweise findet man heute immer mehr Firmen, die in beiden Gebieten zuhause sind. Treffende Beispiele im Schloss sind die erwähnten PSI Audio und Weiss Engineering. Ihre Geräte werden mit unterschiedlicher Priorität sowohl im Studio als auch im privaten Bereich geschätzt – und immer dort, wo keine geschönten Klangcharaktere gesucht werden, sondern präzise Abbilder der Aufnahmen. PSI setzt im Schloss mit ihrem neuen Modell Héritage3 ein Statement, um auch optisch anspruchsvollere Privatkunden zu bedienen. Weiss zeigt mit den neusten D/A-Wandlern mit integriertem DSP, wie wertvoll Studiotechnik für die Optimierung der Wiedergabe zuhause sein kann.
Im Studio und im Wohnzimmer sind auch Bowers&Wilkins zuhause. Die Engländer haben ihre berühmte, 1979 eingeführte 800er-Serie immer auch für den Studio-Bereich angeboten. Viele Studios weltweit nutzten und nutzen diese ikonischen Lautsprecher mit dem getrennten Aufbau von Tief-, Mittel- und Hochtongehäuse. Durch die aufwändige und optisch sehr hochwertige Bauweise bleiben die heutigen Modelle für die meisten Studios ein unerschwinglicher Traum, erfreuen aber private Musikgeniesser umso mehr. Im Schloss wird die aktuelle Generation vorgeführt, eine Referenz im Lautsprecherbau.
Bowers&Wilkins in den Abbey Road Studios
Ebenfalls dual genutzt wurde seit der Erfindung vor 50 Jahren der Manger-Schallwandler aus Deutschland. Entscheidend dafür: die Genauigkeit der Wiedergabe des Schallwandlers, welcher in avguide.ch schon eingehend beschrieben wurde.
Manger – a star is born
Jüngere Schweizer Firmen mit Charakter
Gerade jüngere Schweizer Hersteller verstehen sich nicht nur als nüchterne Ingenieure, sondern versehen ihre Geräte mit einem unverwechselbaren Charakter – sei es optisch oder auch akustisch. Musikwiedergabe ist mit Emotionen verbunden. Da spielt so manches mit, das sich nicht immer zweifelsfrei messen lässt. Speziell Lautsprecherhersteller müssen Entscheidungen treffen, welchem Klangideal sie frönen.
So verbaut die Walliser Firma Stenheim Lautsprecherchassis mit hohem Wirkungsgrad in hochsteife Aluminiumgehäuse von schlichter Eleganz, wogegen deHaller Audio oder Swissonor ebenfalls hohen Wirkungsgrad voraussetzen, jedoch keinesfalls mehr als 2-Wege einsetzen würden.
Bei Swissonor müssen es zudem koaxiale Aufbauten sein und bei beiden Firmen Sperrholzgehäuse. Dadurch sind beide Lautsprecher für Röhrenverstärker prädestiniert und beide bauen sie auch gleich selbst. Für Sébastien de Haller als langjährigem Hersteller von Gitarrenverstärkern liegt dies auf der Hand.
Airplain acoustics kombiniert Verstärker und Lautsprecher dagegen gleich zu einem Aktivlautsprecher und baut sogar den DSP mit ein. Der Hersteller profitiert so von allen Möglichkeiten der digitalen Signalverarbeitung und holte sich als Profi Daniel Weiss ins Boot. Das Gehäuse darf dadurch auch besonders kompakt werden – und ultimativ stabil aus Edelstahl. Den Charakter generiert er ungern durch Klang, sondern nur durch edle Oberflächenbearbeitung und optisch geschmackvolle Abdeckungen. avguide.ch berichtete.
Einen ausgefallenen Charakter besitzen die Verstärker von darTZeel aus Genf. Wo andere Hersteller schlichtes Silbergrau oder Schwarz propagieren, fallen die rot-gelb eloxierten Träume aus Aluminium mit eigenwilligen Reglern auf. Sie heissen «Pleasure Control» statt Volume und wollen angefasst werden. «Amplificateurs d’émotions» würde auf Deutsch nicht dieselbe Poesie entfalten und wir entdecken einmal mehr die kulturelle Vielfalt der kleinen Schweiz.
Auch die Nagra-Tonbandgeräte waren extravaganter gestaltet als die schlichten Studer-Maschinen. Der hohen Qualität waren beide verpflichtet und so verhält es sich auch bei darTZeel. Nicht umsonst gewährt Hervé Delétraz gerne seitliche Einblicke in die Geräte. Er ist Ingenieur, aber zur Beschreibung seiner Philosophie zitiert er gerne Goethe! Eine nette Geste an die deutsche Kultur. Nicht ganz erstaunlich, finden die extravaganten Geräte begeisterte Liebhaber auf der ganzen Welt. Sie erhalten in den angesagtesten angelsächsischen Audio-Revues beste Kommentare, wirken aber gerade in der spröden deutschen Schweiz (noch) exotisch.
darTZeel Factory Tour
Ältere Schweizer Firmen mit Charakter
Dass man auch silbergraue Geräte mit Charakter bauen kann, unterstreicht Neukomm aus Thalwil. Mit absolutem Understatement in Grösse und Erscheinung, aber mit unbändigem Gestaltungswillen des Innenlebens verfolgt Neukomm seit Jahrzehnten das Ideal ultimativer klanglicher Transparenz – immer im Dienst der livehaftigen Musikwiedergabe. Wer mit dem Physiker Neukomm spricht, taucht in eine reiche Welt des elektronischen Innenlebens ab, wo oft Erfahrungen und Hörtests anstatt schnöde Daten den Ausschlag für die Wahl von Komponenten geben.
Auf einen ähnlichen Erfahrungsschatz greift Bruno Jeker zurück, der seine JB-Swiss-Lautsprecher seit Jahrzehnten im Sinne eines konzertanten Ideals entwirft. Ein Monitor ist definitiv nicht sein Ding und der falsche Ansatz im Wohnzimmer. Unterstützung hat er nun in der Person von Roger Döös gefunden, der sein Erbe standesgemäss weiterführt. Gründer und Nachfolger werden beide im Schloss anwesend sein. Es lohnt sich, die leidenschaftlichen Menschen hinter den Geräten zu entdecken. Bericht bei avguide.ch
Ebenfalls einen Kontrapunkt zum Studiomonitor setzt die Firma AudioNec aus Frankreich mit einem revolutionären breitbandigen Dipolschallwandler aus eigener Entwicklung. Dasselbe gilt für Spatial Europe mit seinen offenen Schallwänden statt geschlossenen Gehäusen und leichten, empfindlichen Membranen statt träger Masse. Das verbindet sich wiederum vorzüglich mit Röhrenverstärkern.
Jung und doch mit grosser Erfahrung und mit viel Talent gesegnet ist Thales-Besitzer Micha Huber aus dem Tösstal. Er hatte als Jugendlicher die Idee des Drehtonarms ohne Spurfehlwinkel. 2004 folgte das Patent für den ersten Thales-Tonarm. Danach folgten eigene Laufwerke und schliesslich Tonzellen, vorerst für die berühmte Firma EMT und schliesslich, ganz neu, die innovative eigene X-quisite Zelle – allesamt feinmechanische Wunderwerke und für einen gelernten Uhrmacher das perfekte Betätigungsfeld. Hier schliesst sich der Kreis zu den Musikspieldosen von Herrmann Thorens. Mag die Spieldose eine gänzlich neue Produktekategorie gewesen sein, so beweist Thales, dass auch vermeintlich fertig entwickelte und antiquierte Gerätekategorien wie Plattenspieler immer noch Raum für grundlegende Innovationen bieten.
HiFiction Factory Tour
Leidenschaft für Musikwiedergabe
Charakter und Leidenschaft sind die verbindenden Elemente aller Aussteller. Wenn sie nicht gleich selbst Hersteller sind, so sind diese zahlreich ins Schloss eingeladen worden oder kennen sie zumindest persönlich sehr gut. Für die Besucher ergibt sich die rare Gelegenheit, die Macher hinter den Geräten und ihre Ansichten kennenzulernen.
Die Audiogeschichte lebte immer von Charakterköpfen, die unbedingt ein bestimmtes Produkt genauso bauen wollten – unabhängig von stromlinienförmigen Entwicklungsabteilungen, die Ideen der Marketingabteilungen umsetzen. Es sind diese Produkte, die eher Bestand haben und die es allenfalls wert sind, in vielen Jahren wieder restauriert zu werden.
Öffnungszeiten:
Freitag, 8. April, 12–19 Uhr
Samstag, 9. April, 10–18 Uhr
Sonntag, 10. April, 10–17 Uhr
Informationen und Tickets: www.klangschloss.ch