Warum ein neuer Brand?
Herr Flammer, wie kommt jemand im Alter von gut 50 Jahren dazu, eine neue Firma ins Leben zu rufen, um «State of the Art»-Lautsprecher herzustellen?
Thomas Flammer: Nun, da muss ich etwas ausholen. Das Abenteuer Lautsprecher begann bei mir im Alter von 17 Jahren, als mein Bruder im Elektronik-Versandhandel einen Lautsprecherbausatz orderte. Mit dem Ergebnis waren wir nicht zufrieden und wir begannen zu erforschen, was wir besser machen können. Daraus war vorerst ein langjähriges Hobby entstanden. Ich habe dann in den 1990er-Jahren ein digitales Messsystem aus den USA erworben, damals waren die Laptops noch einige Kilo schwer. Damit war es möglich, komplett in die Tiefe der Thematik zu gehen und Fehler zu sehen, welche bis dahin verborgen blieben.
Während des Studiums zum Elektroingenieur habe ich bei den damaligen Zeitschriften «Sound» und «Carsound Audioequipment» getestet und gemessen. In dieser Zeit sind unzählige Lautsprecher-Projekte in verschiedensten Bauformen entstanden. Krönender Abschluss war meine Diplomarbeit. Ich durfte eine Membranregelung für einen Lautsprecher entwickeln und erreichte mit dieser Arbeit sogar die Bestnote.
Zur Jahrtausendwende gründeten meine Frau und ich eine Firma im AV-Bereich, mit welcher wir während 19 Jahren unzählige Heimkino-, Hifi- und Multroom-Projekte für Kunden verwirklichten. So konnte ich sehr viel über Lautsprecher in der Praxis dazulernen. Und Anfang dieses Jahres war es dann so weit und wir starteten mit der Firma airplain acoustics.
Ganzheitliches Konzept
Wie heben sich Ihre Produkte von den anderen ab? Es gibt mittlerweile doch einige Lautsprecherhersteller weltweit.
Ich habe mich in den letzten Jahren nochmals intensiv mit der Thematik Hören bzw. akustische Wahrnehmung und Audiotechnik im Allgemeinen auseinandersetzt und dies in Form eines noch unveröffentlichten Buches festgehalten. Ich habe von Anfang an den Lautsprecher als System gedacht. Ein System mit einem Eingang und einem Ausgang und dazwischen passiert irgendetwas.
Wenn das Signal ein System genau gleich wieder verlässt, wie es hineingelangt, dann haben wir ein unverändertes Signal. Das wäre eigentlich das Optimum. In der Praxis passieren aber Fehler in verschiedenen Bereichen und Ebenen. Daher ist es wichtig, sich auch mit der Wahrnehmung auszukennen. Wichtig, weil es entscheidend ist, auf welche Fehler unser Gehör stark reagiert, wenig reagiert oder gar nicht. Ich habe daher den Hauptfokus auf Fehlervermeidung dorthin gelegt, wo Fehler am meisten ins Gewicht fallen. Mit anderen Worten: Die Fehler möglichst gering halten, wo unser Gehör bzw. unser Gehirn signalisiert, dass da etwas nicht stimmt.
Welche Fehler sind das?
Die meisten Lautsprecher heute weisen zwar eine recht lineare Wiedergabe im statischen Zustand auf. Betrachtet man dieselben Lautsprecher im dynamischen Verhalten, gibt es durchaus ziemlich viel Luft nach oben. Im zeitlichen Verhalten – man könnte auch von Impulsgenauigkeit sprechen – sind vor allem passive Systeme nicht in der Lage, dem Signal korrekt zu folgen. Im Wissen, dass unsere Ortung bei Impulsen, wie z. B. einem Knacksen auf ca. 1° genau ist, kommt diesem Aspekt eine grosse Bedeutung zu.
Ein Knacksen oder ein Klavieranschlag besteht aus verschiedenen Frequenzen von tief bis hoch. Um einen solchen Impuls sauber wiedergeben zu können, müssen alle Töne zur gleichen Zeit abgestrahlt werden bzw. beim Hörer eintreffen. Das gelingt mit passiven Lautsprechern allenfalls näherungsweise mit einem Einweg-System (auch als Breitbänder bezeichnet).
Bei Zwei- oder Dreiweg-Systemen wird der Impuls systembedingt in zwei bzw. drei verschiedene aufeinanderfolgende Impulse aufgeteilt. Die passiert aufgrund der verschiedenen Reaktionsgeschwindigkeiten von Bass, Mittel- und Hochtöner und auch aufgrund der Anordnung der verschiedenen Chassis. Weitere, gut wahrnehmbare Fehler sind Resonanzen aller Art. Diese können auf Membranen, Aufhängungen und Gehäuse entstehen.
Resonanzen zeigen sich in der Regel mit mehr oder weniger starken Verfärbungen der Wiedergabe und können auch elektronisch nicht korrigiert werden. Was ich ebenfalls als gut wahrnehmbaren Fehler taxiere, ist ein zu kleines Abdecken des menschlichen Hörumfangs bezüglich Frequenz und Dynamik.
Möchte ich Musik so geniessen können wie im Original, sollten 100 dB Dynamik und ein Übertragungsbereich von rund 20 Hz bis 20'000 Hz möglich sein. Sonst fehlt schlicht ein Teil der Musik. Und zu guter Letzt sollte die Musikwiedergabe nicht durch zu starke Verzerrungen (Klirr und Intermodulation) beeinträchtigt werden.
Was sind Ihre Rezepte dazu?
Um Gehäuseresonanzen zu vermeiden, hilft nur eine Gehäusekonstruktion, die möglichst stabil ist und nicht mitschwingt. Des Weiteren dürfen Bass, Mittel- und Hochtöner nur in Bereichen betrieben werden, in denen sie keine Resonanzerscheinungen zeigen. Um eine hohe Impulsgenauigkeit zu erreichen, kam dazu nur ein vollaktives, mit DSP ausgestattetes System infrage. Dank sogenannten FIR-Filtern ist es möglich, gezielt auch Fehler im Zeitverhalten zu korrigieren.
Um eine anständige Dynamik zu erreichen, kommen im Bassbereich sehr langhubige Treiber mit genügend Membranfläche zum Einsatz. Diese sind wie Mittel- und Hochtöner sehr klirrarm, auch bei höheren Pegeln. Weiter setzen wir komplett auf geschlossene Gehäuse im Bassbereich und verzichten auf eine zusätzliche Resonanzanregung zwecks Pegelsteigerung mittels Bassreflex oder anderen Konstruktionen.