MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
5. Oktober 2020
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In den vergangenen 17 Jahren hat die begnadete Kanadierin nicht nur ebenso viele erfolgreiche Alben veröffentlicht, sondern auch unzählige, meist ausverkaufte Liveauftritte in der ganzen Welt absolviert. Doch der Erfolg kam relativ spät: 1993 veröffentlichte Diana Krall mit 29 Jahren ihr erstes Album «Stepping Out» mit John Clayton und Jeff Hamilton, das übrigens von Justin Time Records 2016 neu überarbeitet und im Hi-Res-Format 24/96 aufgelegt wurde.

Schon mit 15 Jahren hatte sie ihre ersten bezahlten Auftritte in lokalen Bars und Clubs ihrer Heimat an der kanadischen Westküste bestritten und kurz darauf ein Stipendium für das renommierte Berklee College of Music in Boston erhalten, wo sie von 1981 bis 1983 studierte. Nach dem Studienabschluss zog die 19-Jährige nach Los Angeles, «um Jazz zu spielen». Es dauerte danach beinahe 10 Jahre, bis sie mit ihren neu gewonnenen Freunden das eingangs erwähnte Erstlingsalbum einspielen und veröffentlichen konnte. «Stepping Out» präsentiert Diana Krall als roh geschliffenen Diamanten. Es glänzt und glitzert schon kräftig, doch fehlt es noch an der Dynamik, an der Politur.
 
Nach diesem ersten Album wurde ein legendärer Musikproduzent auf Diana Krall aufmerksam: Tommy LiPuma (1936–2017), der unzählige Jazzgrössen (von Miles Davis über Barbra Streisand und Natalie Cole bis hin zu Joe Sample und The Crusaders) erfolgreich produzierte, in seiner Karriere 33 Grammy-Nominationen scheffelte, 5 Grammys gewann und über 75 Millionen Alben, die er produziert hatte, unter die Leute brachte.

Bis zu seinem Tod im März 2017 blieb er Dianas Produzent. Er eröffnete den Krall-Alben-Reigen 1995 mit «Only Trust Your Heart» und war bei allen folgenden Veröffentlichungen der entscheidende Berater respektive Entscheidungsträger. Das letzte Krall-Album, das er (laut diversen Quellen) noch absegnen konnte, war «Turn up the Quiet».

Es ist im Jazz (und teilweise auch in anderen Musikarten) üblich, dass man wesentlich mehr Stücke (nicht nur verschiedene Versionen desselben Stücks) aufnimmt, als auf ein Album passen, um dann die besten auszuwählen und stimmungsvoll zusammenstellen zu können. Auf «This Dream of You» sind nun also einige der nicht für «Turn up the Quiet» gewählten Stücke zu hören. Die Gründe für ihre Nichtwahl dürften unterschiedlich sein und lassen nicht unbedingt auf qualitative Mängel schliessen.

Diana Kralls Promobild zum vorliegenden Album.Diana Kralls Promobild zum vorliegenden Album.

«This Dream of You»

Ich muss gestehen, dass mich schon «Turn up the Quiet» nicht wirklich von den Socken haute. Es war zwar eine Rückkehr zum American Songbook, was ich begrüsste, doch irgend etwas fehlte, das ich nicht genau definieren konnte – etwas, das auf den früheren Produktionen vorhanden war. Möglicherweise waren es der überspringende Funke, die hör-, ja fühlbare Spielfreude, das «Lächeln» in der Stimme.

Beim ersten Durchhören von «This Dream of You» ging es mir ebenso: Natürlich hat Diana Krall mit all ihren aussergewöhnlichen Alben und Live-Auftritten unsere Erwartungen enorm hochgeschraubt. Und verglichen mit dem regelmässigen Musikangebot, mit dem wir täglich überschwemmt werden, sind diese letzten beiden Produktionen zwar immer noch gut, doch am Krall-Massstab gemessen eben dann doch nur unteres Mittelmass. Auch soundmässig wurden die 12 Stücke von «This Dream of You» nicht neu aufeinander abgestimmt, und somit fehlt eine klangliche Album-Einheit.

Vor allem enttäuschend für mich: Die Energie und die stimmlich erzeugten Gefühle passen nicht mit den Lyrics überein. Zum Beispiel in «Almost like being in Love», das zwar absolut swingt, sollte man die übersprudelnde Freude des Liedertexts in Kralls Gesang hören/spüren, doch es klingt eher nach Langeweile.

Ebenso in der Liebeserklärung «More than You Know», die sie im Duo mit Alan Broadband am Klavier singt. Am schlimmsten für mich ist jedoch die Interpretation von «That’s all», die weder Liebe noch Wärme ausstrahlt, sondern eine Gleichgültigkeit vermittelt und qualitativ sowohl vom Gesang als auch von den Soli her Tommy LiPumas Zustimmung bestimmt nicht erhalten hätte.

Bei mehrmaligem Hören entdeckt man ein paar Ausnahmeperlen sowohl auf der Arrangementseite (Strings von Alan Broadband) als auch unter den Soli, vor allem von der Gitarre, aber auch von der Fiddle. Und das erste Stück «But Beautiful» macht dem Titel alle Ehre. Doch im Allgemeinen bleibt nur die Hoffnung, dass nach Corona und auch ohne die führende Hand Tommy LiPumas Diana Krall uns mit einem neuen, begeisternden Album überraschen wird, auf dem man hört, dass die alte Sing- und Spielfreude wieder zurückgekehrt ist.

STECKBRIEF
Interpret:
Diana Krall
Besetzung:
(verschiedene Duo-, Trio- und Quartett-Zusammensetzungen)
Alan Broadbent - Piano und String Arr.
Tony Garnier, Christian McBride, John Clayton - Bass
Stuart Duncan - Fiddle
Randall Krall - Accordeon
Russell Malone, Anthony Wilson, Marc Ribot - Guitar
Jeff Hamilton, Karriem Riggins - Drums
Albumtitel:
«This Dream of You»
Herkunft:
USA
Label:
Verve
Erscheinungsdatum:
25. September 2020
Spieldauer:
50:42
Tonformat:
FLAC 24-Bit 44.1 kHz – Stereo
Aufnahmedetails:
Die Aufnahmen entstanden 2016–2017 noch unter der Schirmherrschaft von Tommy LiPuma und wurden damals von Al Schmitt abgemischt.
Medium:
Download/Streaming
Musikwertung:
6
Klangwertung:
6
Bezugsquellen