MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
7. August 2020
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Es sind dies eine Gruppe von sechs Instrumentalkonzerten mit sehr unterschiedlichen Charakteren. In dieser Rezension möchte ich zwei Aufnahmen mit Berliner Musikanten gegenüberstellen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Wohl jeder Freund der barocken Musik wird im Laufe der Jahre in den Besitz einiger Aufnahmen dieser Konzerte gelangt sein. So ergeht es auch mir. Und um meine etwas antiquierte Sammlung aufzufrischen, gehe ich bei Qobuz auf die Suche nach neueren Aufnahmen, wenn immer möglich in High Resolution.

Zwei Aufnahmen fallen mir als erste auf: Es ist die Einspielung der Berliner Barock Solisten aus dem Jahr 2017 in 24 Bit/96 kHz vom Label Sony Classical und die harmonia-mundi-Aufnahme aus dem Jahr 2010 mit der Akademie für Alte Musik Berlin – leider nur im CD-Format.

Wie das so bei barocken Werken ist, von denen es bereits dutzende von Aufnahmen gibt, versucht jeder Dirigent bei Neueinspielungen, sich von allem Bisherigen zu unterscheiden und eigene Markenzeichen zu setzen.

Ein Trend, der in den letzten Jahren einsetzte, war es, die barocken oder auch klassischen Werke auf originalen Instrumenten zu spielen und stilistisch «authentisch» zu interpretieren. Doch da aus der Bachschen Zeit leider keine Tonaufnahmen existieren, weiss da keiner so genau, wie die damalige Aufführungspraxis war. So kommen die Musikwissenschaftler zu unterschiedlichen Ansichten bezüglich Aufführungspraxis, von denen jeder Experte glaubt, seine Weisheit sei die einzig richtige ...

Da waren zu Beginn teilweise eher falsche Töne der originalen Instrumente zu hören, oder man begann mit dem grauenvollen Nachdrücken der Töne, was zum berüchtigten rülpsenden Stil führte. Andere wiederum spielten die alten Werke entweder so schnell oder so langsam, wie das bisher noch keiner für sinnvoll fand.

Auch die beiden vorliegenden Aufnahmen haben markante Markenzeichen. Während die Berliner Barock Solisten auf neuen, modernen Instrumenten spielen, kommen bei der Akademie für Alte Musik Berlin nur originale Instrumente aus der Zeit von J. S. Bach zum Einsatz. Und was sich der Dirigent der Berliner Barock Solisten so ausgedacht hat, wird nachfolgend beschrieben.

Bach – überhetzt

Seit rund 10 Jahren übernehmen unterschiedliche Leute die Leitung der Berliner Barock Solisten. Da Reinhard Goebel dieses Mal die Leitung des Orchesters übernahm, darf man sich fragen, was denn sein Markenzeichen für diese Einspielung ist.Seit rund 10 Jahren übernehmen unterschiedliche Leute die Leitung der Berliner Barock Solisten. Da Reinhard Goebel dieses Mal die Leitung des Orchesters übernahm, darf man sich fragen, was denn sein Markenzeichen für diese Einspielung ist.

Wer auch nur mal so kurz in die Aufnahme reinhört, wird sofort feststellen, dass hier das Tempo auf die Spitze getrieben wird. Nicht nur die schnellen Sätze, auch die langsamen, ruhigen Stücke werden im forcierten Tempo durchgeschleust. Das sollte wohl leicht, luftig und locker wirken – ich empfinde es als überhetzt und ruhelos. Die Tempogegensätze der verschiedenen Sätze entfallen weitgehend und es kommt Langweile, dann sogar Ärger auf. Ich gestehe, dass ich einige Sätze angewidert nicht bis ganz zum Schluss angehört habe.

Wie der Dirigent beim 2. Brandenburgischen Konzert den Trompeter hetzt und wie brillant dieser pariert, grenzt schon fast an ein Wunder. Allerdings spielt dieser auf einem modernen Instrument mit Ventilen. Auf einer Naturtrompete ohne Ventile wäre dieses Tempo nicht machbar, was als Beweis dafür gewertet werden kann, dass ein solchermassen übertriebenes Tempo nicht im Sinne Bachs gewesen sein kann. Erst beim 6. Brandenburgischen Konzert, das von den eher dunkel klingenden Bratschen dominiert wird, schlägt das Orchester ruhigere Töne an.

Der Klang des Orchesters ist dabei so, wie man das von einem modernen Orchester mit hervorragenden Musikern erwarten kann. Auch die Aufnahmeleute haben gute Arbeit geleistet. Dennoch: Klanglich begeistern kann mich die Aufnahme nicht. Da gefällt mir die Aufnahme von harmonia mundi im CD-Format bedeutend besser.

Fazit: Eine fragwürdige, musikalisch extreme Tempo-Rekordjagd, welche trotz HiRes-Format klanglich nicht begeistern kann.

Bach – wie es damals geklungen haben könnte

Bei der Akademie für Alte Musik Berlin geht es um keine Tempo-Rekorde, sondern um die möglichst authentische Aufführungspraxis alter Werke.Bei der Akademie für Alte Musik Berlin geht es um keine Tempo-Rekorde, sondern um die möglichst authentische Aufführungspraxis alter Werke.

Diese Aufnahmen der Brandenburgischen Konzerte habe ich leider nur im CD-Format gefunden.

Das Ensemble musiziert unter der wechselnden Leitung seiner Konzertmeister Bernhard Forck, Georg Kallweit und Stephan Mai sowie mit ausgewählten Dirigenten. So bin ich gespannt, wie die Hörner, Trompeten und Oboen sowie die Travers-Flöten über meiner Piega Coax 311 erschallen werden.

Und auch hier ist für mich bereits nach den ersten paar Sätzen klar: Das ist Bach, wie er damals geklungen haben könnte.

Herrlich, wie die Akademie für Alte Musik Berlin auch mal tüchtig schwelgen und gleich im nächsten Satz ein Tempo vorlegen kann, welches der superschnellen Konkurrenz um nichts nachsteht.Herrlich, wie die Akademie für Alte Musik Berlin auch mal tüchtig schwelgen und gleich im nächsten Satz ein Tempo vorlegen kann, welches der superschnellen Konkurrenz um nichts nachsteht.

Die alten Instrumente werden meisterhaft gespielt. Kein Ton liegt schief daneben. Die originalen Instrumente offenbaren Klangfarben, die den modernen, perfekt gebauten Konstruktionen fehlen. Und endlich kommen auch die Gegensätze zwischen schnellen und ruhigen Sätzen voll zur Geltung! Fürchterliche Authentik-Mätzchen sind hier Gott sei Dank nicht anzutreffen.

Besonders zu erwähnen sind die fantastisch schön schmetternden Hörner im ersten Brandenburgischen Konzert. Da stimmt jeder Ton. Und was diese Musiker aus ihren ventillosen Naturhörnern herausholen, ist phänomenal!

Auch der Trompeter im 2. Brandenburgischen Konzert spielt auf seiner Naturtrompete geradezu göttlich auf. Da gibt es vereinzelt Töne, die etwas knatternd ansprechen. Die meisten aber kommen glockenrein. Das gibt diesem Spiel einen ganz besonderen Reiz. Und als ich nachschaue, wie sich denn dieser Meistertrompeter nennt, lese ich: Ute Hartwich! Nebst ihrer Tätigkeit als Solo-Trompeterin unterrichtet sie seit 1999 an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig und seit 2009 Barocktrompete an der Musikhochschule in Nürnberg.

Fazit: Sehr schöne Aufnahme im CD-Format, hervorragend auf originalen Instrumenten gespielt und stilistisch ebenso hervorragend interpretiert.

Links zu den Aufnahmen:

Brandenburgische Konzerte Berliner Barock Solisten

Brandenburgische Konzerte Akademie für Alte Musik Berlin

STECKBRIEF
Interpret:
Berliner Barock Solisten / Akademie für Alte Musik Berlin
Besetzung:
Orchestermusik
Albumtitel:
Bach: Brandenburgische Konzerte
Komponist:
J. S. Bach
Label:
Sony Classical / harmonia mundi
Erscheinungsdatum:
2017 / 2010
Tonformat:
24Bit / 96 kHz – 16 Bit / 44kHz
Medium:
download / streaming
Musikwertung:
5 / 10
Klangwertung:
7 / 8
Bezugsquellen