High-End-Audio in Dänemark
Wieso gibt es in Dänemark so viele High-End-Audio-Firmen?
Flemming Rasmussen: Einer der Gründe ist wohl die grosse und bekannte Lautsprecherindustrie, die in Relation zur Landesgrösse überproportional ist. Dänemark war schon in 50er- bis 70er-Jahren führend in der Möbelherstellung – bis andere Hersteller wie Ikea dominierend wurden und die dänischen Möbelbauer nach Alternativen umschauen mussten. Lautsprechergehäuse waren damit eine naheliegende Alternative und so begannen sie für viele High-End-Lautsprecherhersteller zu arbeiten, aber auch für ausländische Firmen wie Sonus Faber, B&W und andere. Sie hatten das Know-how, die Maschinen.
Michael Børresen: Dänemark hat mit Scan-Speak, SEAS und Dynaudio ein riesiges Know-how-Kapital konzentriert. Beispielweise entsprangen die Firmen Peerless und Vifa dem Hersteller Scan-Speak. Dann begann der grosse Ausverkauf von dänischen Firmen nach Fernost, allen voran nach China. Sogar Dynaudio gehört inzwischen chinesischen Investoren. Trotzdem ist High-End-Audio immer noch in der dänischen DNA! Wir sind ein Teil davon, Gryphon Audio, Peak Consult und einige andere.
Vereinfacht könnte man sagen, dass es mit der Möbelindustrie begonnen hatte und so zu den Lautsprecher-Gehäusen führte, die ihrerseits die Fertigung von Chassis in Dänemark anregte. Diese Entwicklung regte dann die Herstellung von Audio-Elektronik an, was schlussendlich auch in der Herstellung von Kabeln und Zubehör resultierte.
Michael Børresen: Übrigens, man kann einfach nicht über Dänemarks Audio-Industrie sprechen, ohne Bang & Olufsen zu erwähnen. B&O ist immer noch der grösste Hersteller von High-End-Lautsprechern der Welt und verkauft jährlich Lautsprecher im Wert von 1 Milliarde dänischen Kronen (ca. 125 Mio. CHF).
B&O hat einige interessante und sehr wichtige technische Errungenschaften gemacht. Sie haben die Lautsprecher-Frequenzweiche erfunden, die wir heute – natürlich modifiziert – verwenden. Sie haben auch die 3-Weg-Frequenzweiche designt, die Flemming in seinen Gryphon-Lautsprechern verwendet hat. B&O hat eine riesiges und für unsere Branche wichtiges technisches Erbe und verdient absolut unseren Respekt. Dass sie heute im High-End-Bereich aufgrund ihrer Strategie nicht als solche Firma mehr anerkannt sind, ist eine andere Geschichte. Ungeachtet dessen generiert B&O so viel Umsatz wie alle «High-End-Firmen» zusammen. Praktisch alle wohlhabenden Leute kennen B&O. Die Masse der Leute kennt aber unsere High-End-Marken gar nicht.
Wo sehen Sie die Trends im High-End-Geschäft?
Michael Børresen: Alle Format-Kriege sind beendet. Das Streaming von den digitalen, globalen Jukeboxen (Qobuz, Tidal u. a.) hat sich durchgesetzt. Analog bleibt als Trend erhalten. Die Grenzen zwischen digitalen und analogen Verstärker-Technologien verschwimmen zusehends. Wir sehen uns hier als Trendsetter. Wir planen noch weitere interessante Designs und wollen noch stärker Trendsetter werden.
Wie kamen Sie zum Alesca-Audio-Vertrieb für die Schweiz?
Michael Børresen: Alesca Audio kam zu uns, sie wollten Ansuz-Audio-Switches kaufen und so startete die ganze Geschichte.
Wie sehen Sie den DACH-Markt?
Michael Børresen: Wir haben gelernt, jeden Markt respektvoll anzugehen. Wir müssen sehr genau hinhören, die Bedürfnisse und persönlichen Befindlichkeiten kennen und respektieren. Wir wissen auch, dass gewisse Märkte für uns neu sind und daher Zeit brauchen. Wir wissen, dass die Kaufkraft in der Schweiz hoch und somit ideal ist für unsere High-End-Produkte.
Welches ist der stärkste Markt der Audio Group Denmark?
Michael Børresen: Während der Corona-Krise ist der europäische Markt generell stark gewachsen, Asien ist nur leicht gewachsen, während der US-Markt für uns momentan stagniert. Wir werden uns im US-Markt noch stärker engagieren müssen, um ihn zum Wachsen zu bringen. Um erfolgreich zu sein, müssen wir zu den Vertrieben und Händlern gehen, aber auch die Händler und Vertriebe müssen aktiv sein – es ist ein Geben und Nehmen.
Flemming Rasmussen: Der Schweizer Markt hat zwar eine hohe Kaufkraft, aber ich denke, es gibt in Bezug auf Kaufkraft ein grundsätzliches Missverständnis. Es geht eigentlich gar nicht so um die Kaufkraft, sondern um die Tatsache, dass die meisten kaufkräftigen Leute praktisch nur B&O kennen, eventuell noch Bose, danach nichts mehr.
Lars Kristensen: Korrekt, dazu gibt es eine riesige und grosse Schatten-Konkurrenz: Wir konkurrieren nämlich nicht nur innerhalb der Branche, sondern wir konkurrieren auch mit der Auto-Industrie, mit Luxus-Reisen, Schmuck und anderen Luxusgütern.
Flemming Rasmussen: Unsere Branche versucht schon lange in diesen Luxus-Markt hinein zukommen, aber nur teure Inserate in diesen Publikationen zu kaufen, reicht leider nicht. Dieser Prozess, dass High-End wieder in diesen Kreisen als Option wahrgenommen wird und dann auch gekauft wird, benötigt einen langen Atem und riesige Budgets! Nur wenige haben das nötige Kapital, um dies anzugehen und sich damit ein Ticket in den Luxus-Markt zu sichern.
Lars Kristensen: Da sehe ich die Stärke von B&O. Die wissen, dass, wenn ein potenzieller Kunde in den Shop kommt, nicht gefragt wird, wie viel Geld er ausgeben möchte, sondern wie gross der Bildschirm sein sollte, ob er zwei oder Multi-Kanal haben sollte und wie viele Kinder ihn nutzen usw. Dann braucht jedes Kinderzimmer einen Bildschirm ... ein genial erfolgreiches Konzept, das sogar Bose teilweise adaptiert hat.
Aber zurück zur Schatten-Konkurrenz. Wenn ich sehe, wie in Berlin im Ferrari Shop dieses Luxusauto präsentiert wird und wie gewisse High-End-Händler teure Ware in unpassendem, nicht repräsentativen Umfeld präsentieren, dann haben wir noch viel Raum für Verbesserungen!
Alesca Audio geht hier sicher andere Wege!
Michael Børresen: Ja, wir sehen das klar und hoffen, dass er erfolgreich sein wird! Es ist tatsächlich eine Chance, drücken wir ihm die Daumen.
Wie stehen Sie zu Aktivlautsprechern?
Michael Børresen: Es gibt einen Ort, wo aktive Lautsprecher ihre technische Stärke haben, nämlich im Bass! Wenn man damit bei einem Aktivlautsprecher die Induktivität/Widerstand in der Frequenzweiche umgehen kann, erreicht man einen besser kontrollierten Bass. Aber wenn es zum Hoch- und Mitteltöner geht, dann passiert die Phasenverschiebung bedingt durch die aktive Frequenzweiche mit Korrektur-Loops – und da fehlt unserer Meinung nach die Homogenität.
Werden wir nie Röhren in Ihrer Elektronik sehen?
Michael Børresen: Nicht per se! Röhren in einem Vorverstärker oder in einer Phono-Stufe sind tolle Verstärkerteile. Sie sind wirklich sehr linear und eine Triode ist das linearste Verstärker-Element überhaupt, aber nicht ohne einen Preis. Röhren haben eine starke Mikrophonie, viele Metalle und Glas resonieren mit unterschiedlichen Klangmustern. Röhren sind als Verstärker-Elemente eigentlich sehr gut, aber in Bezug auf Resonanzen und auf einen tiefen Rauschpegel ziemlich schlecht.
Sind Vinyl-Quell-Geräte – also Plattenspieler – ein Thema? Ich habe einen Schweizer Plattenspieler (Thales) im Demo-Raum gesehen.
Michael Børresen: Ja, Vinyl ist ein ganz ernsthaftes Thema und wir haben ja bereits Phono-Vorstufen im Sortiment. Micha Huber (der Erfinder des Thales-Tonarms) ist übrigens ein Freund des Hauses und wir denken über eine Koproduktion für eine Tonzelle nach. Wir wissen doch einiges über Plattenspieler, sie sind also definitiv eines unserer kommenden Themen. Auch hier geht es ja viel um Resonanzen, um die meisten Resonanzen überhaupt.
Wir dürfen sagen, dass wir sehr kreativ sind – unsere Herausforderung ist jeweils, dass die Endprodukte auch noch zahlbar sein müssen. Mit unseren Ideen, Ansprüchen und mit der Umsetzung wächst in der Regel auch der Endpreis. Wir wollen daher zukünftig auch mehr günstigere Produkte für Einsteiger anbieten. Nächstes Jahr wird wieder ein spannendes Jahr. Wir werden unter anderem auch schon erste Resultate aus unserer Zusammenarbeit mit Flemming an der kommenden High End in München präsentieren können.
Wie wollen Sie die High-End-Musikwiedergabe für das jüngere Publikum attraktiv machen?
Michael Børresen: Wir denken, dass das teilweise automatisch passiert. Als Single hört man über den Kopfhörer Musik; und sobald ein Partner und/oder Kinder hinzukommen, möchte man Musik zusammen geniessen, was über Kopfhörer nicht geht.
Flemming Rasmussen: Alleine, wenn die Leute der Generation «Earbuds» sich mal einen besseren Kopfhörer anschaffen, realisieren sie, wie viel besser die Musik klingt und entwickeln sich (hoffentlich) Richtung qualitativ guter Musikwiedergabe.
Michael, letzte Frage: Wie ist es eigentlich, Lautsprecher mit seinem eigenen Namen zu produzieren und zu verkaufen?
Michael Børresen: Tja, eigentlich ist das natürlich schon sehr toll, allerdings ist es auch eine Verantwortung gegenüber unseren Kunden, nämlich, ihnen das wirklich Beste, technisch Machbare anzubieten!
Michael, Lars, Flemming – vielen herzlichen Dank für dieses spannende Gespräch!