Als die Welt für die Urheber von Musik noch in Ordnung schien, gab es nur Tonträger zu kaufen, die man nicht kopieren konnte. Jedenfalls nicht ohne Qualitätsverlust. Es war die Zeit, als man Schallplatten oder Radiosendungen wie etwa Hitparaden auf Musikkassetten kopierte. Obgleich der Qualitätsunterschied von der Schallplatte zur Kassette gut hörbar war, genügte die Qualität auf der Kassette in den meisten Fällen, denn eine Leer-Kassette kostete nur etwa einen Drittel einer Schallplatte und bot zudem die Möglichkeit, Playlisten zusammenzustellen.
Der Arbeitsaufwand wurde nicht eingerechnet. Man verstand es als Hobby. Der Zeitaufwand für das private Kopieren und die Qualitätsunterschiede waren immerhin so gross, dass bei den Urhebern der Musik kein reeller Schaden entstehen konnte. Man jammerte zwar auch damals, und es wurden auch Gegenmassnahmen ergriffen. Halbherzige. Radiomoderatoren durften einen Song nicht ganz bis an sein Ende spielen oder sie wurden angehalten, irgendwann reinzuquatschen. Heute hört sich das schon fast putzig an.
Wie Musikfans über den Tisch gezogen wurden
Grund für solch albernes Treiben war natürlich, dass die Welt für die Musikkonsumenten alles andere als in Ordnung war. Eine Schallplatte kostete Ende der 1970er-Jahre im Durchschnitt so viel, wie sie heute kostet. Man konnte nur die LP kaufen. Einzelne Songs waren nicht käuflich (abgesehen von Single-Auskopplungen).
Das änderte sich mit der CD auch nicht. Die CD war in den 1980er-Jahren noch teurer als die LP, denn sie war ja über alles gesehen auch besser, ohne jetzt auf die üblichen Einzelheiten eingehen zu wollen. Es spielte auch keine Rolle, welches Label eine Schallplatte auf den Markt brachte. Der Verkaufspreis war bei Original-Produktionen immer etwa gleich. Für die Musikhörer änderte sich mit der CD finanziell vorerst nichts. Die Technologie der digitalen Musikwiedergabe eröffnete allerdings schon bald die Möglichkeit, CDs ohne Qualitätseinbussen zu kopieren, weil sie bald auch als Datenträger für Computer dienen sollten.
avguide.ch meint
Die damaligen Technologieführer der Audiobranche hatten der Musikbranche mit der CD ein Kuckucksei ins Nest gelegt – und die Hersteller der Personal Computer halfen beim Ausbrüten.
Das private Kopieren von CDs erreichte in den 1990er-Jahren eine Dimension, die Musikproduzenten und Urhebern der Musik die Ohren läuten liess. Doch die Musikhörer konnten sich zur Abwechslung einmal die Hände reiben. Sie kopierten CDs ihrer Freunde und Bekannten mit ihren PCs, was das Zeug hielt. Es war illegal, aber das interessierte kaum jemanden. Die Gegenmassnahme war der Kopierschutz, der aber sang- und klanglos wieder verschwand, weil er nie richtig funktionierte und dem Image der Musiklabels sogar erheblich schadete. Er wurde als destruktive Massnahme wahrgenommen, die dem Musikhörer keinen Nutzen brachte. Nur Sony machte es besser: Mit der SACD und ihrem DSD-Layer wurde eine höhere Qualität angepriesen und verkauft. Einige Zeit ging das gut, vor allem bei der audiophilen Kundschaft.
Der eigentliche Gamechanger waren aber die Downloads. Ihre Verfügbarkeit war anfänglich nicht einheitlich, chaotisch und auch meistens illegal. Apple schaffte Ordnung und Legalität mit iTunes. Andere Anbieter ebenfalls. Die Schattenseite: Die Musik wurde trotzdem nicht kostengünstiger, abgesehen von der neuen Möglichkeit, einzelne Songs zu kaufen, womit die Kaufanreizschwelle sank.
Steve Jobs hatte die Major Labels überzeugt, die zwingende «Verpackungseinheit Album» abzuschaffen. Ein einzelnes Musikstück (Song) oder ein Album kostete den Konsumenten zwar etwas weniger als vorher, aber nicht deutlich weniger, wenn man nachrechnete, dass variable Kosten der Produktion, Verpackung und Distribution bei Downloads fast vollständig wegfielen. Der grosse Vorteil für den Nutzer war vor allem die Bequemlichkeit.
Dann kamen Leute wie Daniel Eick im kühlen Schweden. Er entwickelte damals – vermutlich unter Alkoholeinfluss eines langen und dunklen Winters – die totale Schnapsidee, dass Musik ein öffentliches Gut sei, das allen Menschen kostenlos zur Verfügung stehen soll. Er sah Musik als ein Werk eines Schöpfers, der daran nichts verdienen darf. So dumm seine Idee auch gewesen sein mag, war sie doch vor allem eine Reaktion. Die Schweden waren mit dem Preis für Musik so unzufrieden, dass das illegale Downloaden von Pirate Bay überhandnahm. Spotify wurde schliesslich zu einer ganz ähnlichen «Ordnungsmacht» wie früher iTunes: Streaming von Spotify war nicht nur völlig legal, sondern auch genial einfach und qualitativ genügend (kostenlos wurde aufgegeben), aber vor allem auch ausgesprochen preisgünstig. Zum ersten Mal konnte Musik uneingeschränkt und kostengünstig genutzt werden. Das ist der Hauptgrund, weshalb Musikstreaming auf dem Vormarsch ist.