TESTBERICHT
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Publikationsdatum
4. März 2023
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«Wenn ich Musik höre, fürchte ich keine Gefahr. Ich bin unverwundbar. Ich sehe keinen Feind. Ich bin mit den frühesten Zeiten verwandt, und mit den neuesten.» Henry David Thoreau beschrieb mit eindrücklichen Worten ein Gefühl, das uns auch heute nicht loslässt, nur, dass Musik zu seiner Zeit nur lebensecht zu geniessen war.

Heute sind wir in der Lage, Musik auch zu Hause in einer Qualität zu erleben, die uns davonträgt und uns aus der Zeit reisst. Wir können Interpreten begegnen, die schon lange Zeit nicht mehr unter uns sind und wir können grosse Momente der Musik immer wieder in unsere Gegenwart bringen. Wichtig ist dabei vielleicht, dass wir uns Zeit nehmen und unsere Musikräume wie Konzertsäle betreten. Man könnte es mit «in Stimmung bringen» umschreiben. Feierlich betreten wir das Heiligtum.

Beim Review der neuen Alexia V von Wilson Audio ging es mir gerade so. Ich habe mich vor dem Test in Stimmung gebracht, mich mit der Geschichte, der Konzeption und ganz konkret auch mit dem User Manual der neuen Alexia V vertraut gemacht. Gerade so, als wenn sie mir gehören würde. Dem war natürlich nicht so – und auch dem CH-Importeur Spalinger Audio-Video AG gehörten die neuen Alexia V zum Zeitpunkt meines Besuchs noch nicht lange. Obwohl «Wilson-Profi» durch und durch, musste sich auch Roland Spalinger von Neuem in das neue Modell eindenken.

Alexia V versus Alexia Series 2

Die grössten Unterschiede zwischen der neuen Alexia V und dem Vormodell Alexia Series 2 sind nicht augenfällig. Am auffälligsten präsentieren sich die Aussparungen oben seitlich am Bassgehäuse: Sie dienen der verbesserten Zugänglichkeit des schweren Mitteltonmoduls. Dank der Öffnungen kann man das Mitteltonmodul mit dem aufgesetzten Hochtonmodul einfacher verschieben bzw. in Position bringen. Die neue Alexia V wirkt dadurch optisch etwas luftiger, aber auch etwas weniger fliessend. Nun folgt die Form aber zwingend der Funktion.

Die Schallwand wirkt breiter und das Bassgehäuse an den Seiten ein wenig rundlicher. Damit wird sichtbar, dass das Volumen des Bassreflex-Gehäuses um exakt 8,9 % vergrössert wurde. Die rückseitig belüftete (vented) Mitteltonkammer verfügt über ein um 6,4 % vergrössertes Volumen. Ziel der Veränderung: Eine offenere Mitteltonwiedergabe.

Die Gehäuse der Wilson-Lautsprecher sind bekanntlich eine Wissenschaft. Der gezielte Einsatz der verschiedenen Komposit-Materialien namens X- S- und V-Material wurde bei der Alexia V erneut (und für den Betrachter verborgen) methodisch verfeinert. Die Verstrebungen wurden verändert und die Materialdicken an verschiedenen Stellen der Gehäuse optimiert. Insgesamt entstand eine massivere Gehäusekonstruktion, wobei die Masseanteile geschickt verschoben wurden.

Dank der seitlichen Öffnungen kann man das Mitteltonmodul mit dem aufgesetzten Hochtonmodul einfacher verschieben. Alexia V rechts und Alexia Series 2 links.Dank der seitlichen Öffnungen kann man das Mitteltonmodul mit dem aufgesetzten Hochtonmodul einfacher verschieben. Alexia V rechts und Alexia Series 2 links.

Das Hochtongehäuse wirkt ein wenig aerodynamischer und wurde vor allem vergrössert, um den neuen und grösseren Hochtontreiber, den Convergent Synergy Carbon Tweeter, unterzubringen. Dessen Fähigkeiten punkto harmonischer Ausdrucksfähigkeit und Vermittlung von Umgebungsrealismus wird vom Hersteller besonders hervorgehoben.

Der Mitteltontreiber wurde ebenfalls erneuert. Neu wird ein Alnico QuadraMag eingesetzt. Seine Membran besteht aus einem Komposit aus Zellulose- und Karbon-Fasern und er stammt von Wilsons Flaggschiff WAMM Master Chronosonic.

Was man bei Wilson Audio ganz allgemein und im Speziellen auch bei der Alexia V nicht findet, sind keramische, metallische und Diamant-Werkstoffe bei den Membranen der Lautsprechertreiber. Auch werden keine Treiber verwendet, die anders als dynamisch, mittels Schwingspulen, arbeiten. Was andere Hersteller besonders wichtig und fortschrittlich finden und vielleicht auch optisch besonders ansprechend, scheint bei Wilson Audio nicht infrage zu kommen.

Im Angesicht der umfangreichen Testkette verschwindet die Alexia V schon fast ein wenig, obwohl sie 130 cm hoch ist.Im Angesicht der umfangreichen Testkette verschwindet die Alexia V schon fast ein wenig, obwohl sie 130 cm hoch ist.

Weitere Verbesserung gegenüber der Vorgängerin sind zahlreich und runden das Gesamtbild ab. Sie reichen von einem neuen «Spike-System» namens Wilson Audio Acoustic Diode über verbesserte Korrekturwiderstände für das Klangtuning hin zu einem verbesserten Bassreflex-Port zur Verminderung von Turbulenzen.

Durch die seitlichen Öffnungen wird das Handling des schweren Mitteltongehäuses beim Einstellen auf den Hörplatz vereinfacht.Durch die seitlichen Öffnungen wird das Handling des schweren Mitteltongehäuses beim Einstellen auf den Hörplatz vereinfacht.

Auspacken, Aufstellen, Ausrichten

Ich war beim Auspacken nicht anwesend, doch wurde mir bestätigt, dass das Set-up der Alexia V trotz eines Systemgewichts von 120 kg pro Kanal oder Lautsprecher problemlos von einer Person vorgenommen werden kann. Wir sprechen hier natürlich nur vom Set-up – und nicht von allfälliger Schlepperei über Treppen und dergleichen. Die Alexia V wird in drei Holzkisten verpackt angeliefert: zwei Kisten für die zwei Bassmodule und eine Kiste mit den zwei Mittel- und Hochton-Modulen plus einem Toolkit und einem Spike-Kit.

Da man als stolzer Neubesitzer einer Wilson Alexia V beim Set-up nicht alleingelassen wird (ausser, man will es ausdrücklich), braucht man auch nicht zwingend den optionalen Boxenheber von Wilson zu kaufen. Er leistet aber gute Dienste bei der Feinpositionierung und beim Austauschen der grossen Untersteller mit den endgültigen Zentrierscheiben. Wenn man das akribische WASP-Prozedere (WASP = Wilson Audio Setup Procedure) ernst nimmt, dann ist aufwändiges Geschiebe angesagt, das sich aber lohnt. Übrigens funktioniert das Prinzip auch bei anderen Lautsprechern sehr gut, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Zumindest hinsichtlich der Methodik, die ideale Position der Lautsprecher in Relation zur Rückwand und zu den Seitenwänden zu finden.

Mit dem Boxenheber von Wilson Audio und den speziellen Unterstellern, lassen sich die schweren Teile nahezu mühelos an die bevorzugte Position verschieben, bevor dann die endgültigen Zentrierscheiben unterlegt werden.Mit dem Boxenheber von Wilson Audio und den speziellen Unterstellern, lassen sich die schweren Teile nahezu mühelos an die bevorzugte Position verschieben, bevor dann die endgültigen Zentrierscheiben unterlegt werden.

Die präzise Ausrichtung der Lautsprechertreiber bzw. ihrer Gehäuse auf die Position der Ohr-Achse ist dann Wilson-spezifisch. Um die exakten Winkel und Distanzen des Mitteltonmoduls zum Ohr des sitzenden Musikhörers und den exakten Winkel des Hochtonmoduls zu bestimmen, gibt es ein paar abschreckend wirkende Tabellen. Man fühlt sich in die Zeit des Rechenschiebers versetzt. Es ist aber nicht schwierig und man ist nicht allein damit. Der Wilson-Fachmann steht ja daneben.

Resultat: Man weiss genau, an welche Position das Mitteltonmodul geschoben werden muss und auf welcher Treppenstufe man den Spike einzurasten hat, damit der Abstrahlwinkel richtig ist, bzw. Körpergrösse und Sitzhöhe des Musikhörers korrekt berücksichtigt werden. Die Einstellung selbst ist dann wirklich einfach zu bewerkstelligen.

Der Schieber im Zentrum bestimmt die horizontale Lage des Mitteltonmoduls. Die Treppenstufen und der eingesetzte Spike bestimmen den Abstrahlwinkel.Der Schieber im Zentrum bestimmt die horizontale Lage des Mitteltonmoduls. Die Treppenstufen und der eingesetzte Spike bestimmen den Abstrahlwinkel.

Im Unterschied zum kleineren Modell Wilson Sasha hat die grössere Alexia V ein individuelles Hochtongehäuse. Es kann in Relation zum Mitteltongehäuse noch angewinkelt bzw. abgewinkelt werden. Auch dafür produziert die erwähnte Tabelle einen exakten Wert für die oberhalb und hinten liegende Rasterung. Damit die Rechnung mit den exakten Abstrahl-Achsen dann auch wirklich aufgeht, müssen die Speakers natürlich auch im Lot stehen. Die im Bild ersichtliche Libelle hilft.

Das formvollendete Hochtongehäuse und die dahinter liegende Vorrichtung zur Einstellung von dessen Neigung.Das formvollendete Hochtongehäuse und die dahinter liegende Vorrichtung zur Einstellung von dessen Neigung.

Ob die absolute Exaktheit des Winkels einer Achse ausgehend vom Zentrum eines Schallwandlers in Relation zur Höhe des Ohrs ab Fussboden einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Hörerlebnisses haben soll, kann man vielleicht bezweifeln. Man hat es auch schon als «Wilson-Trick» abgetan; die meisten Standlautsprecher dieser Leistungsklasse verzichten auf solche Massnahmen und deren Aufwand. Sie arbeiten mit Mittelwerten. Vermutlich ist aber auch dieses Puzzleteil wichtig, und wer im «audiophilen Raum» an Hörachsen und Zeitverzögerungen zweifelt, der komme mir bitte auch nicht mit Kabeln und Netzleisten.

Der Convergent Synergy Carbon Tweeter findet in der Alexia V erstmals Verwendung (in einer Alexia) und führte zu einem Re-Design des Hochtonmoduls.Der Convergent Synergy Carbon Tweeter findet in der Alexia V erstmals Verwendung (in einer Alexia) und führte zu einem Re-Design des Hochtonmoduls.
Der Mitteltontreiber Alnico QuadraMag mit seiner Membran aus einem Komposit aus Zellulose- und Karbon-Fasern stammt von Wilsons Flaggschiff WAMM Master Chronosonic.Der Mitteltontreiber Alnico QuadraMag mit seiner Membran aus einem Komposit aus Zellulose- und Karbon-Fasern stammt von Wilsons Flaggschiff WAMM Master Chronosonic.
Das – wie gewohnt – umfangreiche Spike-Kit enthält das neue Spikesystem Wilson Audio Diode. Es verspricht Entkopplungseigenschaften der Superlative zugunsten verbesserter Nuancen in der Feindynamik.Das – wie gewohnt – umfangreiche Spike-Kit enthält das neue Spikesystem Wilson Audio Diode. Es verspricht Entkopplungseigenschaften der Superlative zugunsten verbesserter Nuancen in der Feindynamik.
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