Die Huawei Freebuds Pro, also der Vorgänger des Testmodells, gehören zu meinen bevorzugten Earbuds. Neben dem exzellenten Sound haben es mir der hohe Tragekomfort und gute Sitz im Ohr angetan. Im Verhältnis von Preis und Leistung gehörten sie zu den besten kabellosen In-Ears auf dem Markt. Ihr Schwachpunkt war die fehlende Unterstützung von Bluetooth-Audiocodecs mit erhöhter Bandbreite wie aptX oder LDAC und ein eher rudimentäres Noise Cancelling. Auch die Fertigungsqualität hatte Luft nach oben. Meine persönlichen Freebuds Pro verabschiedete sich nach einjährigem intensivem Einsatz mit wilden Störgeräuschen ins Gadget-Nirwana.
Dass sich ein Hersteller geäusserte Kritikpunkte wirklich zu Herzen nimmt, ist eher selten. Bei den neuen Freebuds Pro 2 liess Huawei nun aber nichts anbrennen. Geblieben ist beim Freebuds Pro 2 die bewährte Stil-Form, die man auch von Apples Airpods kennt. Äusserlich unterscheiden sie sich kaum vom Vorgänger. Das ist auch gut, denn die Form hat sich mehr als bewährt, es gibt kaum andere Earbuds, die so bequem und mit sicherem Halt im Ohr liegen. Einiges getan hat sich auch bei der Haptik. Die neuen Freebuds Pro 2 fühlen sich gut an und wirken ausgesprochen wertig.
Eigenschaften
Im Innern wurde die Audiotechnik komplett überarbeitet. Während im Vorgänger ein 10-mm-Vollbereichstreiber für einen gefälligen Sound mit akzentuiertem Grundton sorgten, werkeln in den Freebuds Pro 2 jeweils ein Zweiweg-System mit Treibern für Hoch- und Bass-Mittelton. In der Elektronik vertraut man auf das Klangtuning der französischen Audiospezialisten von Devialet. Ein geschickter Schachzug von Huawei. Devialet verfügt über eine anerkannte Expertise in der Programmierung von Audio-Algorithmen zur Klangaufbereitung. Die Zusammenarbeit mit Devialet bewährte sich bereits bei den Sound-Joy-Lautsprechern von Huawei.
Mit der Unterstützung des LDAC-Codecs kommen zumindest Benutzer von Android-Smartphones in den Genuss einer deutlich erhöhten Bandbreite in der Bluetooth-Übertragung. Mit LDAC beträgt diese bis zur 990 kbit/s und kommt somit in die Nähe des CD-Formats mit 1411 kbit/s. Der von Sony lancierte LDAC-Codec erlaubt eine beinahe vierfach höhere Bandbreite über Bluetooth als es zum Beispiel mit einem iPhone möglich ist.
Die Anpreisung von Sony und Huawei, LDAC sei HiRes-Audio, gehört aber in den Bereich der Marketingblüten. Echtes, unkomprimierte High-Resolution-Audio im 24/96-Format benötigt eine Übertragung von 9216 kbit/s. Das entspricht einer Verzehnfachung der Bandbreite, welche LDAC ermöglicht. Dennoch: LDAC ist aktuell mit Abstand der beste Audiocodec für Bluetooth, der sich leider nur in wenigen Bluetooth-Kopfhörern findet.
Die Huawei Freebuds Pro 2 erlauben dank Multi-Point-Bluetooth zwei gleichzeitige Verbindungen. So lassen sich etwa ein Smartphone und eine Smartwatch parallel verbinden. Fürs Telefonieren beiden die Freebuds Pro 2 zudem einen HD-Modus an, der bei VOIP-Telefonie oder Gesprächen über Messengers für mehr Gesprächsklarheit sorgen soll.
Noise Cancelling und Ambience
Das Noise Cancelling, oder kurz ANC, wurde gegenüber dem Vorgänger komplett überarbeitet, was sich in der Praxis positiv bemerkbar macht. Zwar erreicht das Huawei ANC nicht ganz das Niveau von Bose oder Sony, arbeitet aber deutlich rauschärmer und effektiver als zum Beispiel bei den Sennheiser Momentums.
Mit dem Abschluss des Gehörgangs reduzieren die Freebuds Pro 2 bereits passiv Umgebungsgeräusche im ÖV oder im Büro deutlich. Mit aktiviertem Active-Noise-Cancelling werden sie weitgehend ausgeblendet. Zur Wahl stehen vier Modi für das ANC. Die Einstellung «Dynamisch» passt sich automatisch der Umgebung an, während «Ultra» für sehr laute Umgebungen gedacht ist.
Die Kunst ist es, mit dem ANC-Algorithmus keine Artefakte im Musiksignal zu verursachen. Das gelingt den Freebuds Pro 2 ausgezeichnet. Die Klangbalance tendiert mit eingeschaltetem ANC zu einem leicht akzentuierten Grundton, der Klang bleibt aber weiterhin sauber und natürlich.
Der störende Schritthall des Vorgängers wurde weitgehend eliminiert. Mit Windgeräuschen haben die Freebuds Pro 2 aber weiterhin ihre Mühe – wie übrigens beinahe alle Earbuds auf dem Markt. Doch auch hier wird der Fortschritt gegenüber dem Vorgänger deutlich.
Wie heute üblich bieten die Huawei-Earbuds einen Ambience-Modus an, mit dem Aussengeräusche bewusst transparent ins Ohr geleitet werden. Sinnvoll wird der Modus zum Beispiel am Flughafen für Ansagen oder auch als Stimmenlokalisation von Gesprächspartnern an Messen oder im Büro, sodass die Earbuds konstant getragen werden können. Der Zusatznutzen in der Sprachverständlichkeit erschient mir aber in der Praxis eher geringfügig.
App
Leider sind sowohl «HD-Telefonie» als auch der LDAC-Codec für die Bluetooth-Übertragung per Default deaktiviert und müssen erst in der App aktiviert werden. Dazu muss man sich im Menu zum eher schwer zugänglichen Punkt «Soundeffekte» durchhangeln, was verwirrend ist. Unbedarfte Benutzer werden LDAC daher eventuell nicht mal aktivieren.
Man bekommt den Anschein, als verstecke Huawei seine vollumfänglichen Audioeigenschaften. Der Grund dürfte der erhöhte Stromverbrauch sein, der bei aktiviertem LDAC oder HD-Telefonie anfällt. Der erhöhte Bedarf nagt am Smartphone-Akku und reduziert die Laufzeit. In der App wird man fairerweise vor der Aktivierung auf den erhöhten Stromverbrauch hingewiesen.
Viele Features bietet die von anderen Produkten bekannte AI Life App nicht. Vermisst habe ich in erster Linie einen Equalizer für persönliche Klangeinstellungen. Da bieten andere Hersteller mehr. Aus bekannten Gründen lädt man die aktuelle Version der AI Life App direkt von der Huawei-Website herunter. Ein Barcode für den Link liegt der Verpackung bei.