TESTBERICHT
Classé Audio Sigma SSP und AMP 2Classé Audio Sigma SSP und AMP 2

Stereo oder Surround? Vor dieser Frage stehen viele Musikliebhaber. Während Heimkinofreaks ihren Fokus von jeher auf die Mehrkanalwiedergabe richten, liebäugeln audiophile Gemüter zwar immer mal wieder mit der Einrichtung von Raumklang. Abschreckend wirkt jedoch das rasante Entwicklungstempo bei Video- und Tonformaten: Kaum hat der Home-Cinema-Enthusiast einen neuen AV-Receiver zu Hause installiert, gehört er fast schon wieder zum alten Eisen. Fünf, sieben, gar neun oder elf Kanäle und neuerdings Dolby Atmos, welches ein ganz anderes Lautsprechersetting erfordert. Nachhaltigkeit sieht anders aus. Dennoch: Wer einmal audiophile Mehrkanalaufnahmen über eine hochwertige Surroundanlage gehört hat, den lässt ihre packend-einbeziehene Art kaum mehr los.

Genau für solche Musikliebhaber offeriert Classé Audio den neuen Vorverstärker Sigma SSP: Er richtet sich zunächst an „klassische“ audiophile Musikhörer.  Jedoch an solche, die offen für Neues sind und bei einer anstehenden Neuanschaffung die digitale Entwicklung der Musikwiedergabe jetzt schon berücksichtigen. Dazu verfügt der Sigma SSP über ein modernes Digitalboard inklusive Streaming via DLNA und asynchronem USB-Wandler. Für mobile Player offeriert er nicht nur einen USB-Anschluss an der Front, er lässt kompatible Apple-Geräte auch kabellos via Heimnetz und Airplay andocken. Die Vorzugsbehandlung von iPod, iPad und iPhone setzt sich bei der Bedienung fort: Die ausgefeilte und bequeme Fernsteuerungs-App gibt es derzeit leider nur für iOS-Geräte und nicht für Android. Bluetooth- und Android-Nutzer bleiben derzeit aussen vor.

Diskretes Design

Der Vorverstärker Sigma SSP kann im 7.1-Surroundmodus betrieben werden. In Kombination mit einem AMP 2 und AMP 5 stehen dann bis zu 7 x 400 Watt Ausgangsleistung zur Verfügung.Der Vorverstärker Sigma SSP kann im 7.1-Surroundmodus betrieben werden. In Kombination mit einem AMP 2 und AMP 5 stehen dann bis zu 7 x 400 Watt Ausgangsleistung zur Verfügung.

Die Sigma-Serie unterscheidet sich punkto Design signifikant von der Delta-Serie (siehe den avguide.ch-Test "Digitale Vollendung"). Anstelle der auffälligen Gehäuse mit seitlich gerundeten Kanten kommen nun eher klassisch gestaltete Gerätefronten zum Einsatz. Deren Erscheinungsbild weckt fast schon Reminiszenzen an diskretes britisches Hi-Fi à la Naim. Dieses Understatement beim Gehäusebau hat einerseits natürlich Kostengründe, andererseits steckt möglicherweise auch der Gedanke dahinter, dass sich herkömmlich gestylte Geräte besser mit Komponenten anderer Hersteller kombinieren lassen. Tatsache ist, dass sowohl der Vorverstärker SSP wie auch die beiden Endverstärker AMP 2 und AMP 5 mit sehr moderaten Abmessungen (je 43,3 x 9,5 x 37 cm) punkten und so wohl fast überall Platz finden.

Ein Markenzeichen von Classé Audio findet sich auch bei der Sigma-Vorstufe: Das mittig angeordnete, blaue Touch-Display erlaubt die manuelle Steuerung direkt am Gerät. Zwar sind praktisch alle Funktionen sehr bequem via hauseigene Bedien-App ausführbar. Aber sicher ist sicher: Sollte mal Wi-Fi ausfallen oder das iPad/iPhone entladen sein, so hat man immer noch den Zugriff auch auf weitergehende Funktionen inklusive Setup.

Der mitgelieferte IR-Befehlsgeber bietet dagegen nur die wichtigsten Basisfunktionen wie Lautstärke, Mute, Quellenwahl sowie Ein-/Ausschalten. Immerhin kann man bei Netzwerk- oder USB-Verbund innerhalb von Musikwiedergabelisten vor- und rückwärts skippen und auf Pause stellen. Zudem lassen sich drei Funktionstasten individuell belegen.

Im Unterschied zu AV-Receivern offeriert der Sigma SSP kein Bildschirmmenü, worüber man das Gerät konfigurieren könnte.  Das mag der Heimkinofreak als Nachteil ansehen. Der Hi-Fi-Enthusiast stellt hingegen erfreut fest, dass er keinen Fernseher in der Nähe haben muss, um diesen Vorverstärker in Betrieb zu nehmen. Mittels Navigation auf dem Touch-Display hat man selbst speziellere Funktionen schnell mal eingestellt.

Auch die Anschlussperipherie ist – im Unterschied zu derjenigen bei den meisten AV-Receivern wohltuend übersichtlich gehalten. Auffällig ist, dass sich für Tonquellen nur noch drei Analogeingänge finden, hingegen deren fünf Digitalanschlüsse sowie ein Netzwerk-Ethernetanschluss. Das macht deutlich, dass diese Vorstufe eindeutig fürs digitale Musikzeitalter konzipiert wurde. Doch damit nicht genug: Nicht weniger als acht HDMI-Eingänge (vom Typ 1.4a) erlauben den Anschluss von Blu-Ray-Spieler, Digitalreceiver, PC/Notebook und weiteren AV-Komponenten. Damit dürfte der Sigma SSP auch für zukünftige Anwendungen gerüstet sein. Er verfügt übrigens über keine eigene Videosektion und leitet das HDMI-Signal unbearbeitet an den Fernseher weiter. Der dafür zuständige HDMI-Ausgang ist ARC-tauglich. Das bedeutet, dass der TV-Ton bidirektional über das gleiche HDMI-Verbindungskabel zur Vorstufe geleitet wird.

Digitale Power im Kompaktformat

Classé-typisch verfügt auch der Sigma-Vorverstärker über ein grosszügiges Touchdisplay, auf denen sämtliche Einstellungen vorgenommen werden. Die Rückseite des Sigma SSP offeriert eine ganze Menge an Digitaleingängen, u.a. sieben HDMI-Anschlüsse.Classé-typisch verfügt auch der Sigma-Vorverstärker über ein grosszügiges Touchdisplay, auf denen sämtliche Einstellungen vorgenommen werden. Die Rückseite des Sigma SSP offeriert eine ganze Menge an Digitaleingängen, u.a. sieben HDMI-Anschlüsse.

Passend zum Vorverstärker SSP gibt es den Sigma Amp, und zwar in einer Zweikanal- und in einer Fünfkanal-Version. Im Verbund lässt sich so ein 5.1- oder gar 7.1-Surround-System mit bis zu 400 Watt pro Kanal (an 4 Ohm) auf die Beine stellen. Zwar kann das Netzteil der Fünfkanal-Endstufe keine derartige Dauerleistung zur Verfügung stellen. Muss es aber auch nicht, denn in der Praxis ist die kurzfristige Impulsleistung viel wichtiger. Und hier hat Classé Audio ja Vorarbeit geleistet und schon für den technisch ähnlichen CA-D200 ein hocheffizientes Schaltnetzteil entwickelt. Dieses soll bis zu 1000 Watt liefern und dank ausgeklügelter Korrekturschaltung selbst im Hochlastbereich eine enorme Spannungsstabilität ohne hässliche Störspitzen zur Verfügung stellen. Der enorme Wirkungsgrad des Schaltnetzteils von rund 90 Prozent erlaubt im Zusammenspiel mit den ebenfalls sehr effizienten Schaltverstärkern eine überraschend kompakte Bauweise.

Die Auftrennung in eine Zwei- und eine Fünfkanal-Endstufe hat von Seiten des Herstellers natürlich den Hintergedanken, dass auch traditionelle Stereo-Liebhaber mit einem Sigma AMP liebäugeln mögen. Tatsächlich kann man den Sigma SSP problemlos als (digitale) Stereo-Vorstufe betreiben und zusammen mit dem Sigma AMP 2 ein Zweikanal-System der Topklasse zusammenstellen. Ein etwaiger Ausbau zu einem Mehrkanal-System ist zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit möglich – einfach in dem der Kunde einen AMP 5 dazu kauft und die Vorstufe auf Mehrkanalbetrieb umkonfiguriert. Er muss sich also nicht ein für allemal entweder für Stereo oder für Surround entscheiden.

Individuell konfigurierbar

Ein blitzsauberer Aufbau in hochintegrierter SMD-Technik kennzeichnet den Sigma-SSP als topmoderne Digitalkomponente.Ein blitzsauberer Aufbau in hochintegrierter SMD-Technik kennzeichnet den Sigma-SSP als topmoderne Digitalkomponente.

Dazu passt auch, dass man die Vorstufe nach ganz persönlichen Bedürfnissen für unterschiedliche Anwendungsszenarien auslegen kann. Zu diesem Zweck verfügt der Sigma SSP über sechs programmierbare Konfigurationen, in denen man beispielsweise festlegen kann, ob eine Quelle in Surround oder in Stereo, mit oder ohne  Subwoofer-Unterstützung, Frequenzgang-Korrektur etc. wiedergegeben werden soll.

Findigerweise kann man die insgesamt 18 frei benennbaren Eingangsplätze ebenfalls individuell konfigurieren. Was hier vielleicht etwas kompliziert tönt, ist in der Praxis ganz einfach. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Ein Musikliebhaber besitzt einen Blu-ray-Universalspieler, den er sowohl fürs Heimkino wie auch für die reine Musikwiedergabe nutzt. Die Verbindung zum SSP erfolgt über ein HDMI-Kabel.

Der Nutzer kann nun verschiedene Wiedergabeszenarien mit der gleichen Quelle realisieren. Für Spielfilm-Soundtracks wird ein Eingang „Blu-ray“ benannt und die Ausgangskonfiguration 5.1 (oder 7.1) gewählt. Parallel dazu lässt sich ein „CD“-Eingang in einem reinen Stereo-Setting einrichten. Er nutzt den gleichen Blu-ray-Spieler und den gleichen Eingang, aber eben in einem anderen Wiedergabeprofil.  Mit der gleichen Quelle sind sogar sechs unterschiedliche Konfigurationen realisierbar. Dies hat den Vorteil, dass man im Höralltag nicht umständlich Parameter verändern muss, sondern die zur jeweiligen Musik/Quelle passende Soundkulisse auf Tastendruck zur Verfügung hat.

Die ausgefeilte digitale Signalverarbeitung des SSP beinhaltet eine vielseitige Klangregelung: Einerseits lässt sich mittels 9-fachem parametrischem Equalizer eine dataillierte Frequenzganganpassung  realisieren. Allerdings muss man eine Einmessung dem Raumakustik-Profi überlassen, denn Classé offeriert dafür kein Einmesstool. Deutlich praxisgerechter ist die „klassische“ Klangeinstellung, wahlweise mit Bass- und Höhensteller oder mittels Tilt-Regler. Mit letzterem lässt sich die Klangbalance zwischen Grund-  und Hochtonbereich feinfühlig austarieren. Da dies alles auf der digitalen Ebene passiert, sind Klangverschlechterungen durch Phasendrehungen oder zusätzliche Verzerrungen ausgeschlossen. Analoge Quellen müssen dazu freilich erst AD-gewandelt werden, was mit 24 Bit und 192 kHz Samplingfrequenz ausgesprochen detailliert passiert. Puristen dürfen sie  auf Wunsch („Digital Bypass“) aber auch unbearbeitet lassen: Die SSP arbeitet dann wie eine rein analoge Stereo-Vorstufe.

Hervorragende Stereo-Performance

Trotz kompakten Abmessungen und geringem Gewicht leistet der Sigma AMP 2 bis zu 2 x 400 Watt. Der effiziente Schaltverstärker macht grosse Kühlkörper überflüssig. Viel Raum nimmt das aufwendige Schaltnetzteil ein.Trotz kompakten Abmessungen und geringem Gewicht leistet der Sigma AMP 2 bis zu 2 x 400 Watt. Der effiziente Schaltverstärker macht grosse Kühlkörper überflüssig. Viel Raum nimmt das aufwendige Schaltnetzteil ein.

Wir hatten für einen ersten Praxistest den zweikanaligen AMP 2 zur Verfügung. Also ging es darum festzustellen, ob die Classé Audio-Kombi wirklich mit Stereo-Komponenten der Topklasse würde mithalten können. Als adäquate Spielpartner dienten die 802 Diamond von Bowers & Wilkins. Diese renommierten Standboxen offerieren eine Basswiedergabe hinunter bis zu 27 Hz. Die beiden 20 cm-Langhub-Tieftöner verlangen vom Verstärker allerdings einiges an Schubkraft und Kontrolle, sollen sie auch bei gehobenem Pegel noch einen sauberen, unbeschwerten Klangeindruck hinterlassen. Als Quelle diente der Musikserver Sonata Aria, der digital am SSP andocken durfte.

Eine High-Resolution-Aufnahme vom Jimmy Cobb Quartet (Jazz in the Key of Blue High, Chesky Records) offenbarte eine ultra-schnelle Basswiedergabe, der jeder Anflug von Schwäche oder gar Schlendrian abging. So staubtrocken und impulsschnell hatten wir die Referenzboxen im Tieftonbereich kaum je gehört. Dazu passten quirlige, brillante Höhen, die keineswegs aufgesetzt oder gar aufdringlich, sondern perfekt ins Klangbouquet integriert rüber kamen. Letzteres wirkte insgesamt sehr geschmackvoll und keineswegs nüchtern – eine gelungen Synthese aus rhythmischem Talent, unbändiger Kraft und perfekter Durchhörbarkeit. Die ausgeprägte Vitalität der Wiedergabe schlägt auch nie ins Ordinäre um – kontrollierte Sauberkeit scheint den Kanadiern oberstes Gebot.

Die Mailänder Vesperpsalmen von Johann Christian Bach zeigten sodann, dass die Classé-Audio-Kombi anspruchsvolle Vokalmusik über die 802 D bestens in Szene zu setzen wusste. Auch hier überzeugte die phänomenale Klarheit der Wiedergabe ohne jeden Anflug von Härte, gepaart mit einer herrlich dynamischen Ansprache.  Ausserdem bewies diese Aufnahme (Carus 83347), dass das 16 Bit CD-Format noch lange nicht ausgedient hat. Über den Sigma SSP gewandelt, konnte man sie ohne weiteres für eine High-Resolution-Version halten. Sein Faible für „ganz normale“ CD-Kost bewies der SSP auch bei  der Wiedergabe von Liszts Klavierkonzert (Arnaldo Cohen, Label: BIS), welches mit wunderbar perlendem Diskant und leuchtenden Klangfarben ertönte.

Die Post geht ab

Die mitgelieferte IR-Fernbedienung ermöglicht den Zugriff auf die allerwichtigsten Funktionen. Komfortabler geht’s mit der iOS-Bedien-App.Die mitgelieferte IR-Fernbedienung ermöglicht den Zugriff auf die allerwichtigsten Funktionen. Komfortabler geht’s mit der iOS-Bedien-App.

Zu guter Letzt durfte die bewährte High-Res-Aufnahme „Shangri-La“ von Mark Knopfler demonstrieren, welchen Spassfaktor die Classé Sigma-Kombi bei geschmackvoller Popmusik ins Wohnzimmer zu zaubern weiss. Auch hier ging „voll die Post ab“. Die satt aufgenommenen Basslinien auf dem Track „Boom, like that“ erklingen auf den allermeisten, selbst hochwertigen Anlagen tendenziell fett bis zum Teil sogar aufgedunsen. Nicht so über die 802 D. Im Verbund mit den kanadischen Spielpartnern überzeugte wiederum die sagenhaft konturierte, schlackenlose Tieftonwiedergabe, die dem Klangspektakel einen fast schon unbeschwert-ätherischen Charakter verlieh.

Trotz der scheinbar schlanken Spielweise fehlt es nicht an Substanz; es wird einem bei genauerem Hinhören lediglich bewusst, dass viele andere Anlagen unter einer mehr oder weniger ausgeprägten „Charakterschwäche“ leiden: Der Tieftonbereich hinkt, was das Impulsverhalten betrifft, dem Grundtonbereich zeitlich hinterher und überdeckt ihn tendenziell mit Dröhneffekten. Nicht so bei den Sigma-Komponenten, die den (zugegeben hervorragenden) Bowers & Wilkins-Referenz- Lautsprechern ihren Stempel in der Form von herrlich dynamischem und sauberem Klang aufdrücken.

Dank ihrer präzisen und sauberen, dabei stets unaufgeregten Art lud die B&W/Classé-Kombi gerne auch zum Lauthören ein. Der Sigma-Amp zeigte sich jederzeit gelassen und schüttelte selbst härteste Bass- und Schlagzeugattacken ganz locker aus dem Ärmel. Aber auch im Mittel- und Hochtonbereich war bei hohem Pegel keine irgendwie geartete „Verhärtung“ des insgesamt gediegenen Klangcharakters zu vernehmen.

Fazit

Die Bedien-App gibt’s leider nur für iOS-Geräte. Sie gewährt komfortablen Zugriff auf Quellenwahl, Volumen- und Klangeinstellung sowie die Konfiguration.Die Bedien-App gibt’s leider nur für iOS-Geräte. Sie gewährt komfortablen Zugriff auf Quellenwahl, Volumen- und Klangeinstellung sowie die Konfiguration.

Ihre uneingeschränkte Tauglichkeit für die stereofone Wiedergabe hat die neue Sigma-Linie von Classé Audio unter Beweis gestellt: Ihre ebenso vitale und dynamische wie saubere und kultivierte Vorstellung prädestiniert die Kombination von Sigma SSP und AMP 2 für anspruchsvolle Lautsprecher der Spitzenklasse. Das moderne Digitalboard mit DLNA-Streaming und asynchronem USB-DAC macht die Anlage fit fürs hochauflösende Musikzeitalter.

Wie sich der Sigma-Vorverstärker in einem Mehrkanal-Surround-Setting im Zusammenspiel mit dem AMP 5 schlägt, werden wir in einem Follow-up baldmöglichst nachliefern.