Das Wichtigste: Der Klang
Es ist jedes Mal ein Erlebnis, wenn man in vertrauter Umgebung und mit ebensolcher Musik neue Boxen testen kann. Wie schon erwähnt, höre ich meine Musik möglichst unverfälscht, linear. Die Musikaufnahmen selbst sind ja unterschiedlich genug, so dass es eigentlich keinen «Klang-Standard» gibt, eher einen persönlichen Gewohnheitsklang.
Die Edifier S880DB klingen anders, weichen von meinem Gewohnheitsklang ab. Nicht enorm, aber hörbar. Die erste positive Überraschung war die Wiedergabe der tiefen Frequenzen. Laut Datenblatt beginnt die Übertragung bei 55 Hz, doch die sind da, und zwar nicht zu knapp, sauber und satt.
Die Höhen empfand ich etwas gar spitz und korrigierte leicht mit dem Regler. In einem E-Mail hatte mir der Edifier-Vertreter empfohlen, die Boxen «einzufahren» (erinnerte mich an die Autos von anno dazumal), die Metallkonstruktionen der Lautsprecher während ein paar Stunden sozusagen einzugewöhnen. Und wirklich: Nach über 12-stündigem Einsatz in verschiedenen Lautstärken und mit unterschiedlichster Musik waren die unnatürlichen Höhen-Spitzen weitgehend verschwunden, der Regler wurde wieder in 0-Position gebracht und der echte Hörtest konnte beginnen.
Gleich vorweg: Was die S880DB nicht können, sind Magengegend bewegende Bässe erzeugen. Das würde schon rein physikalisch an ein Wunder grenzen. Doch die vollen, sauberen Bässe überraschten mich immer wieder.
Als erstes mussten die Eagles mit «Hotel California» von der «Hell Freezing Over»-CD dran glauben. Diese Aufnahme ist zwar nicht in HiDef erhältlich, das lange Intro hat jedoch schon diverse Lautsprecherboxen ins Schwitzen gebracht. Nicht so die S880DB: Auch bei hoher Lautstärke kommen Pauke und Congas sauber rüber, zwar nicht als Körpermassage, aber überzeugend.
Als nächstes war das Joe Pass Trio «Intercontinental» (24/96) an der Reihe. Dieses eher ruhige Album zeigte vor allem die gleichmässige Frequenzverteilung und Transparenz des Edifier-Systems.
Dass die Aufnahmequalität (und ich meine hier nicht die hohe Auflösung, sondern, welche Mikrofone wie platziert wurden und wie der Tonmeister die diversen Kanäle abmischte) eine mindestens ebenso grosse Rolle spielt wie die Qualität der Abhöre, bewiesen einmal mehr die Vergleiche mit acht verschiedenen (HiDef-Audio-)Aufnahmen, in denen das Klavier, pardon, der Flügel im Zentrum steht. Ob Jazz, Klassik, Pop oder gar Meditationsmusik: Auf jeder Aufnahme klingt das Piano anders. Und auch im Vergleich zwischen verschiedenen Abhörsystemen gibt es je nach Aufnahme grössere oder minimale Unterschiede. In den meisten Fällen reproduzierten die S880DB die Pianoklänge in vergleichbarer Weise wie meine Gewohnheitsabhöre.
Um die definitive «Klassik-Tauglichkeit» auszuloten, kam die von HJ Baum im Detail besprochene Aufnahme von Vivaldis Cellokonzert mit Enrico Dindo zum Einsatz (24/96). Überraschend, denn eine so klare, transparente und doch volle Wiedergabe hätte ich diesen kleinen Boxen nicht zugetraut. Natürlich konnten sie nicht mit der wesentlich grösseren und mehrfach teureren Konkurrenz mithalten. Doch das war auch nicht zu erwarten: Es fehlte der Eindruck des grossen Saals, das Klangbild entsprach eben der minimalen Boxengrösse.
Für eine bessere Allgemeinbeurteilung des Klangs benötigte ich eine zweite, neutrale Meinung. Bald einigten wir uns darauf, dass die S880DB zwar überraschend gut, jedoch nicht neutral klingen. Sie weisen also ihren eigenen Klangcharakter auf, der vor allem bei der Wiedergabe von grösseren Orchestern, sei es Klassik (Vivaldi, Schubert, Wagner) oder Jazz/Pop (Diana Krall, Frank Sinatra, Steve Tyrell) die physikalischen Grenzen negativ offenbart. Bei kleineren Gruppen fällt dies kaum oder gar nicht auf.