Fotografieren à la carte
Die Sony RX100 Mark VI ist nach dem Einschalten schnell schussbereit. Einiges zügiger als noch die Mark V. Hinten lässt sich die Kamera dank Daumenauflage recht gut halten, vorne rutscht sie durch die sehr glatte Oberfläche schon mal aus den Fingern. Abhilfe schafft ein optional erhältlicher, aufklebbarer Handgriff.
Beim Fotografieren draussen war der Sucher eine sehr grosse Hilfe, auch wenn ich etwas Mühe hatte, die Dioptrie-Einstellung für meine Augen scharf zu kriegen. Am besten ging es mit Hilfe eines schmalen Kartonstreifens, mit dem ich den winzigen Schieber von oben her bewegte und gleichzeitig mit dem Auge ganz nah durch den Sucher blickte.
Die Informationen im Sucher und auf dem Bildschirm können unabhängig voneinander eingestellt werden. So liess ich mir im Sucher nur die Info-Balken oben und unten anzeigen und hatte damit ein grosses freies Blickfeld. Auf dem Monitor sah ich dann alle übrigen Anzeigen wie ISO-Wert, Weissabgleich, AF-Modus, Belichtungsmessung, Fotoprofil, Kreativstil, Histogramm und Wasserwaage. Nur schade, dass man hier die relativ gross dargestellten Symbole nicht per Fingertipp auswählen und anpassen kann, sondern die Menü-Taste dafür bemühen muss.
Das Umschalten zwischen Sucher und Bildschirm geschieht automatisch über den Augen-Sensor. Aber nur, wenn der Bildschirm nicht ausgeklappt ist. Im Menü kann auf manuelles Wechseln umgestellt werden.
Intelligente Automatik
Am einfachsten gelingen Fotos mit der «intelligenten» oder «überlegenen» Automatik. Bei beiden nimmt die Kamera mit automatischer Szenenerkennung auf, wobei Letztere je nach Lichtsituation mehrere Bilder hintereinander aufnimmt und zusammensetzt. Jedoch nur, wenn ausschliesslich im JPEG-Format fotografiert wird.
Mehr Kontrolle über seine Aufnahme hat man mit dem Szenen-Modus und den Programm-Modi, die ich normalerweise bevorzuge. Doch bei der RX100 VI wurde ich sehr positiv vom Automatik- und Szenen-Betrieb überrascht.
Beide liefern sehr ansprechende Fotos, auch unter schwierigen Aufnahmebedingungen, wo Kompaktkameras früher heillos überfordert waren. Zum Beispiel bei Gegenlichtaufnahmen, extremen Kontrasten, dunklen Bildteilen oder für scharfe Serienbilder.
Neben der intelligenten Szenen-Erkennung gelingen scharfe Fotos auch dank des schnellen und sicheren Autofokus mit 315 auf dem Bildsensor integrierten Phasen-Autofokus-Messpunkten. Sie decken gut zwei Drittel der Sensorfläche ab und stellen zusammen mit dem Kontrast-Autofokus in Sekundenbruchteilen scharf. Und bei genug Licht immer auf den Punkt genau, ohne suchend vor- und zurückzufahren.
Wem die AF-Wahl der Kamera nicht zusagt, nimmt einfach seinen Finger und tippt auf den gewünschten Schärfepunkt. Oder stellt mit dem griffigen Objektiv-Steuerring die Schärfe manuell ein. Zur Unterstützung wird dabei automatisch der Bildausschnitt vergrössert und die Kantenhervorhebung (Peaking) aktiviert.
Scharf in der Serie
Ebenfalls überzeugen konnte der Autofokus bei der Motivverfolgung. Die RX100 VI schiesst immerhin bis zu 24 Bilder pro Sekunde, mit kontinuierlicher Schärfenachführung und im JPEG- und RAW-Format. Sogar Objekte, die sich schnell auf die Kamera zu oder wegbewegen, werden scharf und sauber eingefangen. Mein Kompliment an die kleine Kamera.
Fokusmodus und Fokusfeld lassen sich auf die jeweilige Aufnahme-Situation einstellen, um etwa Gesichter beim Fokussieren stärker zu gewichten. Die Art und Position des Fokussierrahmens kann auch der Orientierung der Kamera entsprechend (horizontal/vertikal) fixiert werden. Dies ist nützlich, wenn man zum Beispiel oft zwischen Porträt- und Sport- oder Landschaftsaufnahmen wechselt. Vertikal lege ich das Fokusfeld im oberen Bereich fest, drehe ich die Kamera in die Horizontale, wird mit «Fokusfeld breit» das gesamte Bild beim Scharfstellen berücksichtigt.
Im Porträt-Modus lässt sich direkt auf die Augen fokussieren. Die Kamera ermöglicht dabei einen echten Bokeh-Effekt mit unscharfem Hintergrund. Die Anmutung der Unschärfe-Kreise ist natürlich Geschmacksache. Ein Kollege bezeichnete sie als Zwiebelringe, da sie nicht einheitlich rund dargestellt werden, sondern etwas ineinanderlaufen.
Erstaunliche Fotoqualität
Der 20,1 Megapixel grosse Ein-Zoll-Sensor bringt eine sehr gute Bildqualität, die sich durchaus mit Ergebnissen aus grösseren Sensoren vergleichen lässt. Trotz geringerer Lichtstärke gegenüber der Mark V hält sich das Rauschen bis ISO 1600 im akzeptablen Rahmen. Auch Detailzeichnung und Kantenschärfe stimmen. Bei höheren ISO-Werten bleibt das Rauschen angenehm feinkörnig und ist vor allem als Helligkeitsrauschen erkennbar, was weniger stört als Farbrauschen.
In der «überlegenen» Automatik benutzt die Kamera die drei kurz hintereinander geschossenen Bilder auch zur Rauschverminderung. Der Unterschied gegenüber einem einzelnen Foto ist klar ersichtlich.
Optische Fehler, die bei dem grossen Brennweitenbereich der RX100 VI unweigerlich auftreten, werden sehr gut auskorrigiert. Dennoch verlieren am Tele-Anschlag aufgenommene Fotos geringfügig an Qualität. Generell kommen die Bilder jedoch knackig daher, ohne von der Kamera übertrieben stark bearbeitet zu werden.
Bei der Farbdarstellung kann man geteilter Meinung sein. Meiner Ansicht nach gehen einige Farbtöne zu stark in Richtung Gelb, meistens bei Naturaufnahmen mit grossem Grünanteil. Doch bei der Farbgebung kommt es auch auf den eingestellten Kreativmodus an. Ich wählte immer «neutral».
Farbe, Helligkeit und Kontrast der Fotos sind dank verschiedenen Kreativmodi, vielen Bildeffekten und individuellen Fotoprofilen ganz den eigenen Wünschen oder Looks anpassbar. Sogar beim automatischen Weissabgleich kann zwischen Standard, warmer Atmosphäre oder richtiger Weiss-Wiedergabe bei wenig Licht ausgewählt werden.
Der optische Bildstabilisator «Optical SteadyShot» hilft laut Sony, bei langen Verschlusszeiten bis zu vier Blendenstufen auszugleichen. Dennoch ist es bei Tele-Aufnahmen empfehlenswert, sich abzustützen oder ein Stativ zu verwenden. Vor allem bei Videoaufnahmen werden sich die Zuschauer dafür bedanken.
Wer gerne nahe rangeht, muss sich erst an die kürzeste Aufnahme-Entfernung von langen 100 cm im Telebereich gewöhnen. Für Makro-Fotos wählt man besser eine mittlere Brennweite. Oder fotografiert gleich im Weitwinkel, wo man sich dem Sujet bis auf 8 cm nähern darf.
Trotz automatischer Display-Abschaltung und anderen Stromeinsparungen kann sich auch die RX100 VI kaum als Dauerläufer brüsten. Ein oder besser zwei Ersatzakkus sollten unbedingt mit auf den Ausflug, besonders wenn auch noch Videoaufnahmen geplant sind.
Die Fotos in der Bilderstrecke sind wie üblich unbearbeitete Original JPEG-Aufnahmen direkt aus der Kamera. Sie wurden nur in den Abmessungen an die Web-Darstellung angepasst. Die Brennweiten-Angaben entsprechen dem 35mm-Kleinbild-Format. Fotografiert wurde aus freier Hand.