TESTBERICHT
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Hören wie über Lautsprecher

«Headphone Crossfeed Director» nennt McIntosh seine Interpretation von Kopfhörer-Crossfeed. Worum geht es? Wenn wir eine Aufnahme mit Kopfhörern hören, erhält das rechte Ohr nur den rechten Audiokanal und entsprechend das linke Ohr nur den linken Audiokanal.

Man kann nur argumentieren, das sei eine unnatürliche Hörsituation. Im Live-Event oder bei Stereowiedergabe über Lautsprecher erreichen durch die Beugung des Schalls auch Anteile des gegenüberliegenden Kanals das Ohr. Beugung ist im Wesentlichen die Fähigkeit einer Schallwelle, sich um ein Hindernis zu biegen. Je niedriger die Frequenz der Schallwelle (im Vergleich zum Kopf), desto besser ist sie in der Lage, sich um den Kopf zu beugen. Da jedoch der Schall zum gegenüberliegenden Ohr eine grössere Entfernung zurücklegt, entsteht eine leichte Verzögerung. Eine Crossfeed-Schaltung zielt darauf ab, diese drei Effekte zu simulieren: Beugung, Absorption und Zeitverzögerung. Es simuliert die Akustik des Lautsprecherhörens im Kopfhörer.

Dank Crossfeed-Schaltung hört man mit dem MHA50 wie über Lautsprecher.Dank Crossfeed-Schaltung hört man mit dem MHA50 wie über Lautsprecher.

Die Idee einer einfachen, passiven Crossfeed-Schaltung gibt es schon seit geraumer Zeit. Siegfried Linkwitz beschrieb bereits 1971 eine entsprechende Schaltung. Tatsächlich ist das Konzept des «Linkwitz-Crossfeeds» noch heute die Grundlage für viele angewandte Interpretationen.

Bei einigen Kopfhörer-Verstärkern ist der Anteil Crossfeed regelbar, beim MHA50 ist er an- und abschaltbar. Das Feature ist durchaus umstritten. Aus meiner Erfahrung macht Crossfeed die Audiowiedergabe über Kopfhörer aber deutlich harmonischer. Der MHA50 ist einer der ganz wenigen portablen Kopfhörerverstärker, der dieses Feature anbietet.

In der Praxis

Wir erprobten den MHA50 in diversen Kombinationen, an einem Mac Mini, an Laptops, Android-Smartphones und einem iPhone. Die Spannweite an Kopfhörern reichte vom hochauflösenden, dynamischen Sennheiser über diverse hochwertige In-Ears bis zum schwierig zu betreibenden Magnetostat von Audeze. Der Zugewinn an Klangqualität mit dem Edel-Gadget von McIntosh und der Unterschied zum Standardausgang der Quellen ist beeindruckend.

Keine Selbstverständlichkeit. Vielen mobilen Kopfhörerverstärkern attestiere ich mangelnden Nutzwert. Nicht so beim MHA50: Je grösser die anzutreibende Membran, desto frappanter der Klanggewinn. Am grossen Sennheiser und am Audeze-Magnetostat war der Zuwachs klanglicher Tiefe, Präzision und Druck in der Wiedergabe dann auch am deutlichsten.

Das zeigt sich in allen Facetten: Die Stimmen intonieren besser, Choraufnahmen kommen mit Volumen und mit einem warmen Charme. Durchaus in der Tradition der typischen McIntosh-Klangsignatur. Wie sie das in allen Komponenten immer wieder hinbringen, bleibt wohl das Geheimnis der McIntosh-Ingenieure. Symphonische Musik wurde dank Transparenz und Offenheit zu einem echten Genuss. Kontrabässe besassen nun Autorität, Piano in den unteren Registern ein kraftvolles Durchsetzungsvermögen. Klavier und Streicher wirkten wie frisch poliert und vermissten jegliche Schärfe, brillierten dafür umso mehr mit Authentizität, so muss das sein. Exemplarisch nachzuhören mit Christian Balvig 6-tet - Music for Humans.

Christian Balvig 6-tet Music for Humans.Christian Balvig 6-tet Music for Humans.

Die Klangbeschreibung orientiert sich aber klar an der kabelgebundenen Verbindung. Über Bluetooth muss man auch mit aptX klare Abstriche machen. Da bringt auch die Verstärkertechnik des MHA50 nicht mehr viel.   

Ob einem das Crossfeed gefällt, ist wohl irgendwie Geschmacksache. Persönlich bevorzuge ich die «natürliche», an eine Lautsprecher-Wiedergabe erinnernde Klangortung. Die Musik spielt weniger direkt im Kopf und ist breiter aufgefächert. Gerade bei längeren Hörsessions oder auch bei begleitender Musik zum Arbeiten wirkt das sehr angenehm und weniger künstlich.

Der Schwachpunkt des MHA50 ist das Handling am Smartphone. Dass er relativ gross und schwer ist und damit im Alltag on the go unhandlich wird, gehört zum Nimbus der Marke. Störender ist der umständliche Verbindungsaufbau. Mein Android-Phone schaltete sich nach Anschluss über USB-C gleich mal aus und musste neu gestartet werden, was kein gutes Gefühl hinterliess. Die OTG-Verbindung wollte auch mit anderen aktuellen Smartphones und Android 9 partout nicht klappen.

Auch mit einem iPhone ist das Prozedere eigenwillig. Sowohl der MHA50 als auch das iPhone müssen erst ausgeschaltet werden. Nachdem beide mit dem Lightning-Kabel verbunden sind, können sie wieder eingeschaltet werden. Ein eher schwerfälliger Vorgang. Danach wurde der MHA50 als Ausgangsgerät erkannt. Die Wiedergabe klappte darauf auch ohne Neustart problemlos.

Der MHA50 als passender Kompagnon zum McIntosh-MHP1000-Kopfhörer. Die Audio-Verbindung zum Smartphone per Kabel klappte allerdings nur mit iOS Geräten.Der MHA50 als passender Kompagnon zum McIntosh-MHP1000-Kopfhörer. Die Audio-Verbindung zum Smartphone per Kabel klappte allerdings nur mit iOS Geräten.

Fazit

Der MHA50 ist ein richtiger McIntosh. Gross und schwer mit der charakteristischen Glasfront als bestimmendes Designelement. Dazu gesellen sich herausragende Klangeigenschaften mit einem druckvollen Klang und schmeichelnder Signatur. Der MHA50 verhalf allen unseren Kopfhörern zu neuen klanglichen Höhenflügen. Er wirkt nicht nur wertig, sondern liefert auch klanglich.

Abstriche muss man im Zusammenspiel mit Android Smartphones machen. Die Audioübertragung funktionierte nur über Bluetooth. Besitzer von iOS Geräte sind  sind mit dem MHA50 im Vorteil, da klappte auch die Verbindung über Kabel. Gewünscht hätten wir uns auch eine automatischen Abschaltung, sobald einige Minuten keine Musik gehört wird.

Was bleibt? Ein audiophiles Gadget für alle, die mit Laptop, iOS-Geräten und hochwertigen Kopfhörern unterwegs sind. In den Ferien oder auf Geschäftsreise abends im Hotel mit dem MHA50 Musik hören – ein Traum. Aber auch zu Hause oder im Büro für Musik ab Mac oder PC ist er aufgrund seiner klanglichen Höhenflüge und dem ausgezeichneten Crossfeed eine dicke Empfehlung.

Ideale Ergänzung für das Musikhören am Desktop oder Laptop.Ideale Ergänzung für das Musikhören am Desktop oder Laptop.
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STECKBRIEF
Modell:
MHA50
Profil:
Der MHA50 ist ein richtiger McIntosh. Gross und schwer mit der charakteristischen Glasfront als bestimmendes Designelement. Herausragende Klangeigenschaften mit einer druckvollen Wiedergabe.
Pro:
McInstosh-Design
Klangeigenschaften
Kann auch niederohmige Kopfhörer antreiben
Contra:
Kabelverbindung über Android OTG fehleranfällig
Kein aptX HD
Preis:
890.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2019
Masse:
70 x 155 x 14 mm
Gewicht:
0,2 kg
Farbe:
schwarz
Akkulaufzeit:
6 Stunden
Analog Input:
Nein
Analog Output:
Miniklinken
Audioformate:
32-Bit / 192 kHz Hi-Res-Audio, DSD64, DSD128, DXD352.8, DXD384
DA-Wandler:
Ja
Digital Input:
nein
Digital Output:
Nein
Drahtloser Eingang:
Bluetooth mit aptX